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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Verpflegung zuführten, nicht in viel höherem Grade genügten als die der öst¬
reichischen Armee nach dem Reglement von 1864, obgleich das Ministerium durch
eine Reihe von Vorkehrungen (Kriegs-, Etappen- und Reservelazarethe, Rescrve-
lazarethdepots und Transportcommissionen) und durch andere Anordnungen eine
Fürsorge getroffen hatte, welche rücksichtlich der eigentlichen Behandlung kaum
etwas zu wünschen übrig ließ. Dieselbe vermochte unter ^>er großartigen Bei¬
hilfe der Nation durch eine beispiellose Aeußerung der Mildthätigkeit, die von
jedem großen Kriege unzertrennlichen traurigen Folgen zu mäßigen, und Jammer
und Elend, wo sie bestanden, abzukürzen, aber -- für die erste zu leistende
Hilfe durch die eigentlichen Feldlazarethanstalten blieb noch viel zu thun.

Als eine allgemeine Ursache der Mangelhaftigkeit des Feldlazarethwesens
kann zunächst in den verschiedenen Staaten betrachtet werden die Handhabung
der Organisation derselben durch die Militärbehörde und mehr oder weniger
hierbei die Ausschließung des Beirathes der Mediciualbchördc oder die Unfähig¬
keit der letzteren, jener mit veiständigem, Abhilfe schaffendem Urtheile zur Seite
stehen odcr ihren Vorschlägen Geltung verschaffen zu können. Denn man be¬
schränkte sich aus die Ausstattung der Feldlazarett)! mit den zur ärztlichen Be¬
handlung und Pflege erforderlichen Hilfsmitteln und wurde sich ferner nie klar,
was man eigentlich durch die ambulirendcn Fcldlazarethanstalten bezwecken wollte
und was diese leisten konnten. Man organisirte seit fünfzig Jahren fortwährend
an der Verwaltung derselben, verfehlte bei der minutiösen Anordnung compli-
cirter Nessortverhältnisse und der Stellung dieser Anstalten sowie ihrer ärztlichen
Leiter zu den obersten Behörden den eigentlichen Zweck und lähmte hierdurch
ihre Wirksamkeit, deren günstiger Erfolg durch ein umsichtiges, schnelles und
selbständiges, an die militärischen Operationen sich anschließendes Handeln Sach¬
verständiger begründet wird, aber nicht durch zu erwartende, oft ausbleibende
militärische Befehle beengt oder verzögert werden darf. Nicht zu übersehen ist
ferner, daß man sich bei der Reform der Organisation an die aus der Vorzeit
überlieferten unvollkommenen Einrichtungen und zweckwidrigen Verordnungen
ungeachtet ihrer auf dem Wege der Erfahrung erkannten Mängel anlehnte, hier
und da zu ihrer Beseitigung Wohl vermeintliche Verbesserungen oder nur for¬
melle Veränderungen traf, aber an den Grundprincipien des Bestehenden fest¬
hielt, wodurch die ambulirendcn Feldheilanstalten allmälig hinter der inzwischen
fortgeschrittenen Organisation des Heerwesens, besonders aber hinter den Auf¬
gaben der modernen Kriegführung zurückblieben. -- Für Preußen bot der
fünfzigjährige Frieden nicht Gelegenheit zu praktischer Prüfung seiner Fcldheil-
anstalten. Der Feldzug gegen Dänemark, der größtentheils in Belagerungen
auf einem begrenzten Terrain bestand, bei welchem alles vorbedacht und an¬
geordnet werden konnte, ohne wesentliche Störung zu erleiden, vermochte nicht


Verpflegung zuführten, nicht in viel höherem Grade genügten als die der öst¬
reichischen Armee nach dem Reglement von 1864, obgleich das Ministerium durch
eine Reihe von Vorkehrungen (Kriegs-, Etappen- und Reservelazarethe, Rescrve-
lazarethdepots und Transportcommissionen) und durch andere Anordnungen eine
Fürsorge getroffen hatte, welche rücksichtlich der eigentlichen Behandlung kaum
etwas zu wünschen übrig ließ. Dieselbe vermochte unter ^>er großartigen Bei¬
hilfe der Nation durch eine beispiellose Aeußerung der Mildthätigkeit, die von
jedem großen Kriege unzertrennlichen traurigen Folgen zu mäßigen, und Jammer
und Elend, wo sie bestanden, abzukürzen, aber — für die erste zu leistende
Hilfe durch die eigentlichen Feldlazarethanstalten blieb noch viel zu thun.

Als eine allgemeine Ursache der Mangelhaftigkeit des Feldlazarethwesens
kann zunächst in den verschiedenen Staaten betrachtet werden die Handhabung
der Organisation derselben durch die Militärbehörde und mehr oder weniger
hierbei die Ausschließung des Beirathes der Mediciualbchördc oder die Unfähig¬
keit der letzteren, jener mit veiständigem, Abhilfe schaffendem Urtheile zur Seite
stehen odcr ihren Vorschlägen Geltung verschaffen zu können. Denn man be¬
schränkte sich aus die Ausstattung der Feldlazarett)! mit den zur ärztlichen Be¬
handlung und Pflege erforderlichen Hilfsmitteln und wurde sich ferner nie klar,
was man eigentlich durch die ambulirendcn Fcldlazarethanstalten bezwecken wollte
und was diese leisten konnten. Man organisirte seit fünfzig Jahren fortwährend
an der Verwaltung derselben, verfehlte bei der minutiösen Anordnung compli-
cirter Nessortverhältnisse und der Stellung dieser Anstalten sowie ihrer ärztlichen
Leiter zu den obersten Behörden den eigentlichen Zweck und lähmte hierdurch
ihre Wirksamkeit, deren günstiger Erfolg durch ein umsichtiges, schnelles und
selbständiges, an die militärischen Operationen sich anschließendes Handeln Sach¬
verständiger begründet wird, aber nicht durch zu erwartende, oft ausbleibende
militärische Befehle beengt oder verzögert werden darf. Nicht zu übersehen ist
ferner, daß man sich bei der Reform der Organisation an die aus der Vorzeit
überlieferten unvollkommenen Einrichtungen und zweckwidrigen Verordnungen
ungeachtet ihrer auf dem Wege der Erfahrung erkannten Mängel anlehnte, hier
und da zu ihrer Beseitigung Wohl vermeintliche Verbesserungen oder nur for¬
melle Veränderungen traf, aber an den Grundprincipien des Bestehenden fest¬
hielt, wodurch die ambulirendcn Feldheilanstalten allmälig hinter der inzwischen
fortgeschrittenen Organisation des Heerwesens, besonders aber hinter den Auf¬
gaben der modernen Kriegführung zurückblieben. — Für Preußen bot der
fünfzigjährige Frieden nicht Gelegenheit zu praktischer Prüfung seiner Fcldheil-
anstalten. Der Feldzug gegen Dänemark, der größtentheils in Belagerungen
auf einem begrenzten Terrain bestand, bei welchem alles vorbedacht und an¬
geordnet werden konnte, ohne wesentliche Störung zu erleiden, vermochte nicht


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[0126] Verpflegung zuführten, nicht in viel höherem Grade genügten als die der öst¬ reichischen Armee nach dem Reglement von 1864, obgleich das Ministerium durch eine Reihe von Vorkehrungen (Kriegs-, Etappen- und Reservelazarethe, Rescrve- lazarethdepots und Transportcommissionen) und durch andere Anordnungen eine Fürsorge getroffen hatte, welche rücksichtlich der eigentlichen Behandlung kaum etwas zu wünschen übrig ließ. Dieselbe vermochte unter ^>er großartigen Bei¬ hilfe der Nation durch eine beispiellose Aeußerung der Mildthätigkeit, die von jedem großen Kriege unzertrennlichen traurigen Folgen zu mäßigen, und Jammer und Elend, wo sie bestanden, abzukürzen, aber — für die erste zu leistende Hilfe durch die eigentlichen Feldlazarethanstalten blieb noch viel zu thun. Als eine allgemeine Ursache der Mangelhaftigkeit des Feldlazarethwesens kann zunächst in den verschiedenen Staaten betrachtet werden die Handhabung der Organisation derselben durch die Militärbehörde und mehr oder weniger hierbei die Ausschließung des Beirathes der Mediciualbchördc oder die Unfähig¬ keit der letzteren, jener mit veiständigem, Abhilfe schaffendem Urtheile zur Seite stehen odcr ihren Vorschlägen Geltung verschaffen zu können. Denn man be¬ schränkte sich aus die Ausstattung der Feldlazarett)! mit den zur ärztlichen Be¬ handlung und Pflege erforderlichen Hilfsmitteln und wurde sich ferner nie klar, was man eigentlich durch die ambulirendcn Fcldlazarethanstalten bezwecken wollte und was diese leisten konnten. Man organisirte seit fünfzig Jahren fortwährend an der Verwaltung derselben, verfehlte bei der minutiösen Anordnung compli- cirter Nessortverhältnisse und der Stellung dieser Anstalten sowie ihrer ärztlichen Leiter zu den obersten Behörden den eigentlichen Zweck und lähmte hierdurch ihre Wirksamkeit, deren günstiger Erfolg durch ein umsichtiges, schnelles und selbständiges, an die militärischen Operationen sich anschließendes Handeln Sach¬ verständiger begründet wird, aber nicht durch zu erwartende, oft ausbleibende militärische Befehle beengt oder verzögert werden darf. Nicht zu übersehen ist ferner, daß man sich bei der Reform der Organisation an die aus der Vorzeit überlieferten unvollkommenen Einrichtungen und zweckwidrigen Verordnungen ungeachtet ihrer auf dem Wege der Erfahrung erkannten Mängel anlehnte, hier und da zu ihrer Beseitigung Wohl vermeintliche Verbesserungen oder nur for¬ melle Veränderungen traf, aber an den Grundprincipien des Bestehenden fest¬ hielt, wodurch die ambulirendcn Feldheilanstalten allmälig hinter der inzwischen fortgeschrittenen Organisation des Heerwesens, besonders aber hinter den Auf¬ gaben der modernen Kriegführung zurückblieben. — Für Preußen bot der fünfzigjährige Frieden nicht Gelegenheit zu praktischer Prüfung seiner Fcldheil- anstalten. Der Feldzug gegen Dänemark, der größtentheils in Belagerungen auf einem begrenzten Terrain bestand, bei welchem alles vorbedacht und an¬ geordnet werden konnte, ohne wesentliche Störung zu erleiden, vermochte nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/126>, abgerufen am 18.05.2024.