Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der wahre Prüfstein für die Leistungsfähigkeit des preußischen Feldlazarethwesens
zu werden. Diese Gelegenheit bot sich erst im Kampfe gegen Oestreich bei der
Ueberstürzung der Ereignisse, die großen Kriegen eigen ist, und führte zu Er¬
fahrungen, von denen für alle künftigen eine fruchtbringende Nutzanwendung
gemacht werden kann und wird.

Die speciellen Ursachen der Nichtbefriedigung der ersten Hilfe, welche
den Verwundeten durch die Feldlazarethe gebracht werden soll, sind folgende:

1) Die zu geringe Zahl der Transportmannschasten zur Aus¬
nahme und Ueberführung der Verwundeten zu den Feldlaza-
rethen. -- Nachdem im Kriege gegen Dänemark schon erkannt worden war,
daß 4S Bahren für die bei einem Armeecorps von 30,000 Mann und darüber
leicht vorkommende Zahl von Verwundeten zur rechtzeitigen Ausführung dieses
Liebeswerkes nicht genügen konnte und daß die vor dem Sturm auf die düpveler
Schanzen und auf Alsen hierzu angeordnete Vermehrung der Blessutenträger
auch noch nicht hingereicht hatte, so daß noch andere Kräfte zur Aufnahme der
Verwundeten herbeigezogen werden mußten, wurde durch Cabinetsordre vom
28. November 1865 die etatmäßige Zahl verdoppelt und jedem der drei Divi-
sionslazarethc eines Armeecorps eine Krankenträgercompagnie mit 30 Bahren
beigegeben. Die Erfahrung im letzten Kriege hat indessen nachgewiesen, daß
auch diese Zahl bei der jetzigen Art der Kriegführung, bei der schnellen Be¬
wegung und der Action detachirter Truppenkörper bei weitem nicht genügte,
um die Verwundeten rechtzeitig wegzubringen und namentlich den bei der
Avantgarde vorkommenden und zerstreut liegenden den erforderlichen Beistand
innerhalb des ersten Tages leisten zu können.

Wenngleich es eine unlösbare Aufgabe sein dürfte, bei einer großen
Schlacht allen den vielen Tausenden von Verwundeten, deren Zahl durch all¬
gemeine Einführung der Zündnadelgewchre noch mehr vergrößert werden wird,
innerhalb der ersten 24 Stunden rechtzeitig Hilfe leisten zu können, so wird für
die Beschleunigung derselben doch mehr geschehen, wenn die Zahl der Helsenden
viel mehr vergrößert und anch den zur Action detachirten Truppcnl'örpern
Träger beigegeben werden. Am zweckmäßigsten würde dieses Ziel erreicht und
die Vernachlässigung der innerhalb des Gefechtsfeldes zurückbleibenden Verwun¬
deten umgangen werden, wenn jedes Bataillon einige Blesstrtcnträger mit
leichten Gefechtsbahren versehen bei sich führte, um überall von ihnen nach
Bedürfniß Gebrauch machen zu können. Dieser Wunsch ist von den Truppen¬
commandeuren immer gehegt worden, weit sie bei der Centralisirung der Hilfe- ,
in Compagnien eine Entbehrung derselben unter solchen Verhältnissen befürch¬
teten und den moralischen Einfluß nicht unterschätzten, welcher auf die Mann¬
schaften ausgeübt würde, wenn sie auf formten Märschen bei Erkrankung und
Marodewerden, sowie bei Detachirung in der Schlacht die Hilfe bei sich wissen. --


16*

der wahre Prüfstein für die Leistungsfähigkeit des preußischen Feldlazarethwesens
zu werden. Diese Gelegenheit bot sich erst im Kampfe gegen Oestreich bei der
Ueberstürzung der Ereignisse, die großen Kriegen eigen ist, und führte zu Er¬
fahrungen, von denen für alle künftigen eine fruchtbringende Nutzanwendung
gemacht werden kann und wird.

Die speciellen Ursachen der Nichtbefriedigung der ersten Hilfe, welche
den Verwundeten durch die Feldlazarethe gebracht werden soll, sind folgende:

1) Die zu geringe Zahl der Transportmannschasten zur Aus¬
nahme und Ueberführung der Verwundeten zu den Feldlaza-
rethen. — Nachdem im Kriege gegen Dänemark schon erkannt worden war,
daß 4S Bahren für die bei einem Armeecorps von 30,000 Mann und darüber
leicht vorkommende Zahl von Verwundeten zur rechtzeitigen Ausführung dieses
Liebeswerkes nicht genügen konnte und daß die vor dem Sturm auf die düpveler
Schanzen und auf Alsen hierzu angeordnete Vermehrung der Blessutenträger
auch noch nicht hingereicht hatte, so daß noch andere Kräfte zur Aufnahme der
Verwundeten herbeigezogen werden mußten, wurde durch Cabinetsordre vom
28. November 1865 die etatmäßige Zahl verdoppelt und jedem der drei Divi-
sionslazarethc eines Armeecorps eine Krankenträgercompagnie mit 30 Bahren
beigegeben. Die Erfahrung im letzten Kriege hat indessen nachgewiesen, daß
auch diese Zahl bei der jetzigen Art der Kriegführung, bei der schnellen Be¬
wegung und der Action detachirter Truppenkörper bei weitem nicht genügte,
um die Verwundeten rechtzeitig wegzubringen und namentlich den bei der
Avantgarde vorkommenden und zerstreut liegenden den erforderlichen Beistand
innerhalb des ersten Tages leisten zu können.

Wenngleich es eine unlösbare Aufgabe sein dürfte, bei einer großen
Schlacht allen den vielen Tausenden von Verwundeten, deren Zahl durch all¬
gemeine Einführung der Zündnadelgewchre noch mehr vergrößert werden wird,
innerhalb der ersten 24 Stunden rechtzeitig Hilfe leisten zu können, so wird für
die Beschleunigung derselben doch mehr geschehen, wenn die Zahl der Helsenden
viel mehr vergrößert und anch den zur Action detachirten Truppcnl'örpern
Träger beigegeben werden. Am zweckmäßigsten würde dieses Ziel erreicht und
die Vernachlässigung der innerhalb des Gefechtsfeldes zurückbleibenden Verwun¬
deten umgangen werden, wenn jedes Bataillon einige Blesstrtcnträger mit
leichten Gefechtsbahren versehen bei sich führte, um überall von ihnen nach
Bedürfniß Gebrauch machen zu können. Dieser Wunsch ist von den Truppen¬
commandeuren immer gehegt worden, weit sie bei der Centralisirung der Hilfe- ,
in Compagnien eine Entbehrung derselben unter solchen Verhältnissen befürch¬
teten und den moralischen Einfluß nicht unterschätzten, welcher auf die Mann¬
schaften ausgeübt würde, wenn sie auf formten Märschen bei Erkrankung und
Marodewerden, sowie bei Detachirung in der Schlacht die Hilfe bei sich wissen. —


16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190821"/>
          <p xml:id="ID_386" prev="#ID_385"> der wahre Prüfstein für die Leistungsfähigkeit des preußischen Feldlazarethwesens<lb/>
zu werden. Diese Gelegenheit bot sich erst im Kampfe gegen Oestreich bei der<lb/>
Ueberstürzung der Ereignisse, die großen Kriegen eigen ist, und führte zu Er¬<lb/>
fahrungen, von denen für alle künftigen eine fruchtbringende Nutzanwendung<lb/>
gemacht werden kann und wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_387"> Die speciellen Ursachen der Nichtbefriedigung der ersten Hilfe, welche<lb/>
den Verwundeten durch die Feldlazarethe gebracht werden soll, sind folgende:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_388"> 1) Die zu geringe Zahl der Transportmannschasten zur Aus¬<lb/>
nahme und Ueberführung der Verwundeten zu den Feldlaza-<lb/>
rethen. &#x2014; Nachdem im Kriege gegen Dänemark schon erkannt worden war,<lb/>
daß 4S Bahren für die bei einem Armeecorps von 30,000 Mann und darüber<lb/>
leicht vorkommende Zahl von Verwundeten zur rechtzeitigen Ausführung dieses<lb/>
Liebeswerkes nicht genügen konnte und daß die vor dem Sturm auf die düpveler<lb/>
Schanzen und auf Alsen hierzu angeordnete Vermehrung der Blessutenträger<lb/>
auch noch nicht hingereicht hatte, so daß noch andere Kräfte zur Aufnahme der<lb/>
Verwundeten herbeigezogen werden mußten, wurde durch Cabinetsordre vom<lb/>
28. November 1865 die etatmäßige Zahl verdoppelt und jedem der drei Divi-<lb/>
sionslazarethc eines Armeecorps eine Krankenträgercompagnie mit 30 Bahren<lb/>
beigegeben. Die Erfahrung im letzten Kriege hat indessen nachgewiesen, daß<lb/>
auch diese Zahl bei der jetzigen Art der Kriegführung, bei der schnellen Be¬<lb/>
wegung und der Action detachirter Truppenkörper bei weitem nicht genügte,<lb/>
um die Verwundeten rechtzeitig wegzubringen und namentlich den bei der<lb/>
Avantgarde vorkommenden und zerstreut liegenden den erforderlichen Beistand<lb/>
innerhalb des ersten Tages leisten zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_389"> Wenngleich es eine unlösbare Aufgabe sein dürfte, bei einer großen<lb/>
Schlacht allen den vielen Tausenden von Verwundeten, deren Zahl durch all¬<lb/>
gemeine Einführung der Zündnadelgewchre noch mehr vergrößert werden wird,<lb/>
innerhalb der ersten 24 Stunden rechtzeitig Hilfe leisten zu können, so wird für<lb/>
die Beschleunigung derselben doch mehr geschehen, wenn die Zahl der Helsenden<lb/>
viel mehr vergrößert und anch den zur Action detachirten Truppcnl'örpern<lb/>
Träger beigegeben werden. Am zweckmäßigsten würde dieses Ziel erreicht und<lb/>
die Vernachlässigung der innerhalb des Gefechtsfeldes zurückbleibenden Verwun¬<lb/>
deten umgangen werden, wenn jedes Bataillon einige Blesstrtcnträger mit<lb/>
leichten Gefechtsbahren versehen bei sich führte, um überall von ihnen nach<lb/>
Bedürfniß Gebrauch machen zu können. Dieser Wunsch ist von den Truppen¬<lb/>
commandeuren immer gehegt worden, weit sie bei der Centralisirung der Hilfe- ,<lb/>
in Compagnien eine Entbehrung derselben unter solchen Verhältnissen befürch¬<lb/>
teten und den moralischen Einfluß nicht unterschätzten, welcher auf die Mann¬<lb/>
schaften ausgeübt würde, wenn sie auf formten Märschen bei Erkrankung und<lb/>
Marodewerden, sowie bei Detachirung in der Schlacht die Hilfe bei sich wissen. &#x2014;</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 16*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0127] der wahre Prüfstein für die Leistungsfähigkeit des preußischen Feldlazarethwesens zu werden. Diese Gelegenheit bot sich erst im Kampfe gegen Oestreich bei der Ueberstürzung der Ereignisse, die großen Kriegen eigen ist, und führte zu Er¬ fahrungen, von denen für alle künftigen eine fruchtbringende Nutzanwendung gemacht werden kann und wird. Die speciellen Ursachen der Nichtbefriedigung der ersten Hilfe, welche den Verwundeten durch die Feldlazarethe gebracht werden soll, sind folgende: 1) Die zu geringe Zahl der Transportmannschasten zur Aus¬ nahme und Ueberführung der Verwundeten zu den Feldlaza- rethen. — Nachdem im Kriege gegen Dänemark schon erkannt worden war, daß 4S Bahren für die bei einem Armeecorps von 30,000 Mann und darüber leicht vorkommende Zahl von Verwundeten zur rechtzeitigen Ausführung dieses Liebeswerkes nicht genügen konnte und daß die vor dem Sturm auf die düpveler Schanzen und auf Alsen hierzu angeordnete Vermehrung der Blessutenträger auch noch nicht hingereicht hatte, so daß noch andere Kräfte zur Aufnahme der Verwundeten herbeigezogen werden mußten, wurde durch Cabinetsordre vom 28. November 1865 die etatmäßige Zahl verdoppelt und jedem der drei Divi- sionslazarethc eines Armeecorps eine Krankenträgercompagnie mit 30 Bahren beigegeben. Die Erfahrung im letzten Kriege hat indessen nachgewiesen, daß auch diese Zahl bei der jetzigen Art der Kriegführung, bei der schnellen Be¬ wegung und der Action detachirter Truppenkörper bei weitem nicht genügte, um die Verwundeten rechtzeitig wegzubringen und namentlich den bei der Avantgarde vorkommenden und zerstreut liegenden den erforderlichen Beistand innerhalb des ersten Tages leisten zu können. Wenngleich es eine unlösbare Aufgabe sein dürfte, bei einer großen Schlacht allen den vielen Tausenden von Verwundeten, deren Zahl durch all¬ gemeine Einführung der Zündnadelgewchre noch mehr vergrößert werden wird, innerhalb der ersten 24 Stunden rechtzeitig Hilfe leisten zu können, so wird für die Beschleunigung derselben doch mehr geschehen, wenn die Zahl der Helsenden viel mehr vergrößert und anch den zur Action detachirten Truppcnl'örpern Träger beigegeben werden. Am zweckmäßigsten würde dieses Ziel erreicht und die Vernachlässigung der innerhalb des Gefechtsfeldes zurückbleibenden Verwun¬ deten umgangen werden, wenn jedes Bataillon einige Blesstrtcnträger mit leichten Gefechtsbahren versehen bei sich führte, um überall von ihnen nach Bedürfniß Gebrauch machen zu können. Dieser Wunsch ist von den Truppen¬ commandeuren immer gehegt worden, weit sie bei der Centralisirung der Hilfe- , in Compagnien eine Entbehrung derselben unter solchen Verhältnissen befürch¬ teten und den moralischen Einfluß nicht unterschätzten, welcher auf die Mann¬ schaften ausgeübt würde, wenn sie auf formten Märschen bei Erkrankung und Marodewerden, sowie bei Detachirung in der Schlacht die Hilfe bei sich wissen. — 16*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/127
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/127>, abgerufen am 10.06.2024.