Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

In meiner Abhandlung "die Befestigung Roms durch Tarquinius Priscus
und Servius Tullius" (?diIo1oFUS La. XXV. Heft 4) war ich bemüht, alle
diese Befestigung betreffenden Verhältnisse, den Gang der Mauer, ihre architek¬
tonische Gliederung, ihre Geschichte und erhaltenen Reste möglichst vollständig
darzustellen. Zwei Momente mögen hier erwähnt werden. Aus dem Princip
der Construction läßt sich erweisen, daß es nicht bloße Willkür war, wenn
Servius Tullius die zu seiner Zeit noch unbewohnten Hügel Viminal und
Esquilin, Ausläufer desselben Hochplateau, dem auch der Quirinal angehört, in
den Stadtbezirk hineinzog, sondern constructive Nothwendigkeit. Eine die fünf
Bergstädte umfassende Ringmauer nach dem damals in Mittelitalien üblichen und
für jene Zeit sehr praktischen System wäre auf andere Weise nicht zweck¬
mäßiger d. h. nicht fester und kürzer herzustellen gewesen. In Betreff der
Thore ferner weicht meine Ansicht wesentlich von denen anderer Forscher ab.
Die Anzahl derselben ist bisher stets viel zu groß angegeben worden. Dem
nachgewiesenen Princip der Befestigung gemäß mußte dieselbe aber möglichst klein
sein. Ich habe wahrscheinlich gemacht, daß der größeste Theil der Thore, deren
Namen uns die alten Autoren überliefert haben, deren Lage sich aber nur in
den seltensten Fällen mit Sicherheit nachweisen läßt, zur Zeit als die heroische
Befestigung vollendet wurde, noch nicht vorhanden war, sondern daß dieselben
erst, als seit den punischen Kriegen die Furcht vor Feinden verschwunden war,
nach und nach im Laufe der Jahrhunderte, je nachdem das Bedürfniß nach
freierer Communication sich herausstellte, angelegt sind. Die Zeit der Entstehung
dieser später hinzugefügten Thore ließe sich in einigen Fällen vielleicht mit Hülfe
der Ereignisse, bei deren Erzählung sie zuerst genannt worden, feststellen.

Im Anschluß an jene Untersuchungen der größten baugeschichtlicher That
des ältesten Rom hoffe ich nun nach und nach zunächst die anderen Bauten aus
der Zeit der Könige, welche in Gemeinschaft mit der heroischen Mauer die
Gründung der Stadt Rom in architektonischer Hinsicht darstellen,
in ihren charakteristischen Eigenschaften zu beschreiben und dann die nur spar¬
sam erhaltenen und chronologisch sehr schwer zu bestimmenden Denkmale aus
der Zeit der Republik zu untersuchen, um auf diese Weise ein Gerüst herzu¬
stellen, in welches die Resultate späterer Entdeckungen sich leicht einfügen lassen.

Ein Kapitel der Geschichte der römischen Baukunst, welches bisher fast noch
gar nicht bearbeitet worden ist. und doch zu den allerwichtigsten derselben gehört,
ist der römische Backsteinrohbau. Man hat meist nur auf die großen
Monumente in Travertin und Marmor Rücksicht genommen, bat wohl gelegent¬
lich der kurzen Besprechung der in Rom zur Verwendung gekommenen Bau¬
materialien auch der Ziegel gedacht, ohne jedoch zu bemerken, daß gerade sie
das in Rom am meisten zur Anwendung gekommene Baumaterial sind, welches
uns in den Ruinen noch heute überall entgegentritt. Freilich ist der gebrannte


In meiner Abhandlung „die Befestigung Roms durch Tarquinius Priscus
und Servius Tullius" (?diIo1oFUS La. XXV. Heft 4) war ich bemüht, alle
diese Befestigung betreffenden Verhältnisse, den Gang der Mauer, ihre architek¬
tonische Gliederung, ihre Geschichte und erhaltenen Reste möglichst vollständig
darzustellen. Zwei Momente mögen hier erwähnt werden. Aus dem Princip
der Construction läßt sich erweisen, daß es nicht bloße Willkür war, wenn
Servius Tullius die zu seiner Zeit noch unbewohnten Hügel Viminal und
Esquilin, Ausläufer desselben Hochplateau, dem auch der Quirinal angehört, in
den Stadtbezirk hineinzog, sondern constructive Nothwendigkeit. Eine die fünf
Bergstädte umfassende Ringmauer nach dem damals in Mittelitalien üblichen und
für jene Zeit sehr praktischen System wäre auf andere Weise nicht zweck¬
mäßiger d. h. nicht fester und kürzer herzustellen gewesen. In Betreff der
Thore ferner weicht meine Ansicht wesentlich von denen anderer Forscher ab.
Die Anzahl derselben ist bisher stets viel zu groß angegeben worden. Dem
nachgewiesenen Princip der Befestigung gemäß mußte dieselbe aber möglichst klein
sein. Ich habe wahrscheinlich gemacht, daß der größeste Theil der Thore, deren
Namen uns die alten Autoren überliefert haben, deren Lage sich aber nur in
den seltensten Fällen mit Sicherheit nachweisen läßt, zur Zeit als die heroische
Befestigung vollendet wurde, noch nicht vorhanden war, sondern daß dieselben
erst, als seit den punischen Kriegen die Furcht vor Feinden verschwunden war,
nach und nach im Laufe der Jahrhunderte, je nachdem das Bedürfniß nach
freierer Communication sich herausstellte, angelegt sind. Die Zeit der Entstehung
dieser später hinzugefügten Thore ließe sich in einigen Fällen vielleicht mit Hülfe
der Ereignisse, bei deren Erzählung sie zuerst genannt worden, feststellen.

Im Anschluß an jene Untersuchungen der größten baugeschichtlicher That
des ältesten Rom hoffe ich nun nach und nach zunächst die anderen Bauten aus
der Zeit der Könige, welche in Gemeinschaft mit der heroischen Mauer die
Gründung der Stadt Rom in architektonischer Hinsicht darstellen,
in ihren charakteristischen Eigenschaften zu beschreiben und dann die nur spar¬
sam erhaltenen und chronologisch sehr schwer zu bestimmenden Denkmale aus
der Zeit der Republik zu untersuchen, um auf diese Weise ein Gerüst herzu¬
stellen, in welches die Resultate späterer Entdeckungen sich leicht einfügen lassen.

Ein Kapitel der Geschichte der römischen Baukunst, welches bisher fast noch
gar nicht bearbeitet worden ist. und doch zu den allerwichtigsten derselben gehört,
ist der römische Backsteinrohbau. Man hat meist nur auf die großen
Monumente in Travertin und Marmor Rücksicht genommen, bat wohl gelegent¬
lich der kurzen Besprechung der in Rom zur Verwendung gekommenen Bau¬
materialien auch der Ziegel gedacht, ohne jedoch zu bemerken, daß gerade sie
das in Rom am meisten zur Anwendung gekommene Baumaterial sind, welches
uns in den Ruinen noch heute überall entgegentritt. Freilich ist der gebrannte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191783"/>
          <p xml:id="ID_39"> In meiner Abhandlung &#x201E;die Befestigung Roms durch Tarquinius Priscus<lb/>
und Servius Tullius" (?diIo1oFUS La. XXV. Heft 4) war ich bemüht, alle<lb/>
diese Befestigung betreffenden Verhältnisse, den Gang der Mauer, ihre architek¬<lb/>
tonische Gliederung, ihre Geschichte und erhaltenen Reste möglichst vollständig<lb/>
darzustellen. Zwei Momente mögen hier erwähnt werden. Aus dem Princip<lb/>
der Construction läßt sich erweisen, daß es nicht bloße Willkür war, wenn<lb/>
Servius Tullius die zu seiner Zeit noch unbewohnten Hügel Viminal und<lb/>
Esquilin, Ausläufer desselben Hochplateau, dem auch der Quirinal angehört, in<lb/>
den Stadtbezirk hineinzog, sondern constructive Nothwendigkeit. Eine die fünf<lb/>
Bergstädte umfassende Ringmauer nach dem damals in Mittelitalien üblichen und<lb/>
für jene Zeit sehr praktischen System wäre auf andere Weise nicht zweck¬<lb/>
mäßiger d. h. nicht fester und kürzer herzustellen gewesen. In Betreff der<lb/>
Thore ferner weicht meine Ansicht wesentlich von denen anderer Forscher ab.<lb/>
Die Anzahl derselben ist bisher stets viel zu groß angegeben worden. Dem<lb/>
nachgewiesenen Princip der Befestigung gemäß mußte dieselbe aber möglichst klein<lb/>
sein. Ich habe wahrscheinlich gemacht, daß der größeste Theil der Thore, deren<lb/>
Namen uns die alten Autoren überliefert haben, deren Lage sich aber nur in<lb/>
den seltensten Fällen mit Sicherheit nachweisen läßt, zur Zeit als die heroische<lb/>
Befestigung vollendet wurde, noch nicht vorhanden war, sondern daß dieselben<lb/>
erst, als seit den punischen Kriegen die Furcht vor Feinden verschwunden war,<lb/>
nach und nach im Laufe der Jahrhunderte, je nachdem das Bedürfniß nach<lb/>
freierer Communication sich herausstellte, angelegt sind. Die Zeit der Entstehung<lb/>
dieser später hinzugefügten Thore ließe sich in einigen Fällen vielleicht mit Hülfe<lb/>
der Ereignisse, bei deren Erzählung sie zuerst genannt worden, feststellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_40"> Im Anschluß an jene Untersuchungen der größten baugeschichtlicher That<lb/>
des ältesten Rom hoffe ich nun nach und nach zunächst die anderen Bauten aus<lb/>
der Zeit der Könige, welche in Gemeinschaft mit der heroischen Mauer die<lb/>
Gründung der Stadt Rom in architektonischer Hinsicht darstellen,<lb/>
in ihren charakteristischen Eigenschaften zu beschreiben und dann die nur spar¬<lb/>
sam erhaltenen und chronologisch sehr schwer zu bestimmenden Denkmale aus<lb/>
der Zeit der Republik zu untersuchen, um auf diese Weise ein Gerüst herzu¬<lb/>
stellen, in welches die Resultate späterer Entdeckungen sich leicht einfügen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_41" next="#ID_42"> Ein Kapitel der Geschichte der römischen Baukunst, welches bisher fast noch<lb/>
gar nicht bearbeitet worden ist. und doch zu den allerwichtigsten derselben gehört,<lb/>
ist der römische Backsteinrohbau. Man hat meist nur auf die großen<lb/>
Monumente in Travertin und Marmor Rücksicht genommen, bat wohl gelegent¬<lb/>
lich der kurzen Besprechung der in Rom zur Verwendung gekommenen Bau¬<lb/>
materialien auch der Ziegel gedacht, ohne jedoch zu bemerken, daß gerade sie<lb/>
das in Rom am meisten zur Anwendung gekommene Baumaterial sind, welches<lb/>
uns in den Ruinen noch heute überall entgegentritt. Freilich ist der gebrannte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] In meiner Abhandlung „die Befestigung Roms durch Tarquinius Priscus und Servius Tullius" (?diIo1oFUS La. XXV. Heft 4) war ich bemüht, alle diese Befestigung betreffenden Verhältnisse, den Gang der Mauer, ihre architek¬ tonische Gliederung, ihre Geschichte und erhaltenen Reste möglichst vollständig darzustellen. Zwei Momente mögen hier erwähnt werden. Aus dem Princip der Construction läßt sich erweisen, daß es nicht bloße Willkür war, wenn Servius Tullius die zu seiner Zeit noch unbewohnten Hügel Viminal und Esquilin, Ausläufer desselben Hochplateau, dem auch der Quirinal angehört, in den Stadtbezirk hineinzog, sondern constructive Nothwendigkeit. Eine die fünf Bergstädte umfassende Ringmauer nach dem damals in Mittelitalien üblichen und für jene Zeit sehr praktischen System wäre auf andere Weise nicht zweck¬ mäßiger d. h. nicht fester und kürzer herzustellen gewesen. In Betreff der Thore ferner weicht meine Ansicht wesentlich von denen anderer Forscher ab. Die Anzahl derselben ist bisher stets viel zu groß angegeben worden. Dem nachgewiesenen Princip der Befestigung gemäß mußte dieselbe aber möglichst klein sein. Ich habe wahrscheinlich gemacht, daß der größeste Theil der Thore, deren Namen uns die alten Autoren überliefert haben, deren Lage sich aber nur in den seltensten Fällen mit Sicherheit nachweisen läßt, zur Zeit als die heroische Befestigung vollendet wurde, noch nicht vorhanden war, sondern daß dieselben erst, als seit den punischen Kriegen die Furcht vor Feinden verschwunden war, nach und nach im Laufe der Jahrhunderte, je nachdem das Bedürfniß nach freierer Communication sich herausstellte, angelegt sind. Die Zeit der Entstehung dieser später hinzugefügten Thore ließe sich in einigen Fällen vielleicht mit Hülfe der Ereignisse, bei deren Erzählung sie zuerst genannt worden, feststellen. Im Anschluß an jene Untersuchungen der größten baugeschichtlicher That des ältesten Rom hoffe ich nun nach und nach zunächst die anderen Bauten aus der Zeit der Könige, welche in Gemeinschaft mit der heroischen Mauer die Gründung der Stadt Rom in architektonischer Hinsicht darstellen, in ihren charakteristischen Eigenschaften zu beschreiben und dann die nur spar¬ sam erhaltenen und chronologisch sehr schwer zu bestimmenden Denkmale aus der Zeit der Republik zu untersuchen, um auf diese Weise ein Gerüst herzu¬ stellen, in welches die Resultate späterer Entdeckungen sich leicht einfügen lassen. Ein Kapitel der Geschichte der römischen Baukunst, welches bisher fast noch gar nicht bearbeitet worden ist. und doch zu den allerwichtigsten derselben gehört, ist der römische Backsteinrohbau. Man hat meist nur auf die großen Monumente in Travertin und Marmor Rücksicht genommen, bat wohl gelegent¬ lich der kurzen Besprechung der in Rom zur Verwendung gekommenen Bau¬ materialien auch der Ziegel gedacht, ohne jedoch zu bemerken, daß gerade sie das in Rom am meisten zur Anwendung gekommene Baumaterial sind, welches uns in den Ruinen noch heute überall entgegentritt. Freilich ist der gebrannte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/22>, abgerufen am 03.05.2024.