Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lieferten Grades von Unterordnung handgreiflich darzuthun; und diese werth-
vollen Beispiele können die Hansestädte liefern, -- das zu thun ist die Mission,
welche ihnen nach so viel anderen großen historischen Leistungen noch vor-
behalten zu sein scheint.

Höher hinaus strebende Geister in ihrer Mitte brauchen darum nicht zu
befürchten, daß sie nur die Wahl hätten zwischen der Einlassung auf Gesund¬
heitspflege, Armenwesen und Bausachen oder vollständigem Verzicht aus die bisher
geübte gemeinnützige Wirksamkeit. Auch ihnen im Gegentheil erweitert sich der
Spielraum. Die bisher gewohnte politische und sociale Abgeschlossenheit macht
es den Hanseaten vorläufig noch einigermaßen schwer, zu ihren örtlichen Um¬
gebungen sowohl wie zu den mancherlei nationalen Vereinigungen der Gegen¬
wart in das rechte Verhältniß zu kommen. Auf die Länge aber wird indivi¬
duelles Bedürfniß mit dem Interesse der Gesammtheit zusammenwirken, um
ihnen einen gewissen politischen Einfluß aus den Kreis, dessen großstädtischer
Mittelpunkt sie sind, und eine angemessene mitleidende Rolle auf Congressen,
Kreistagen und Wanderversammlungen zu verschaffen. Dann wird ihre alt-
erworbene Sachkunde in Fragen der Handelspolitik, des Handels- und See¬
rechts, der Schiffahrt u. s. f. zu derjenigen Geltung gelangen --, die man ihr
im allgemeinen patriotischen Interesse wünschen muß. Ihre Theilnahme am
Reichstage und am Zollparlament wird nicht nothwendig auf die paar Ab¬
geordneten der Hansestädte selbst beschränkt sein, sondern sich durch das frei¬
willige Entgegenkommen benachbarter ländlich-kleinstädtischer Wahlbezirke mehren.
Organe wie der Juristentag, der deutsche Handelstag, die in der Gründung
begriffene deutsche nautische Gesellschaft werden eine reichere Fülle hanseatischer
Elemente in den unmittelbaren, agitatorischen Dienst des nationalen öffentlichen
Lebens ziehen.

Alles die wird aber nur unter der Bedingung geschehen,, daß ein frischer,
schöpferischer Geist in die Hansestädte einziehe und sich die rechten Gefäße schaffe.
Ohne das volle Bewußtsein des Umschwungs, der in ihrer gesammten Stellung ein¬
getreten ist, und ohne den tapfern Entschluß, sich auch unter den so gründlich
veränderten Verhältnissen an der Spitze der Fortschrittsbewegung der Zeit zu
behaupten, sich die noch gebliebenen Vorrechte dadurch zu verdienen, daß sie
durch die Art ihrer Benutzung den segensreichen Inhalt derselben mit der Zeit
zum Gemeingut machen, werden die Hansestädte ihre innere Selbständigkeit nicht
dauernd retten.




Grenzboten IV. 1867.30

lieferten Grades von Unterordnung handgreiflich darzuthun; und diese werth-
vollen Beispiele können die Hansestädte liefern, — das zu thun ist die Mission,
welche ihnen nach so viel anderen großen historischen Leistungen noch vor-
behalten zu sein scheint.

Höher hinaus strebende Geister in ihrer Mitte brauchen darum nicht zu
befürchten, daß sie nur die Wahl hätten zwischen der Einlassung auf Gesund¬
heitspflege, Armenwesen und Bausachen oder vollständigem Verzicht aus die bisher
geübte gemeinnützige Wirksamkeit. Auch ihnen im Gegentheil erweitert sich der
Spielraum. Die bisher gewohnte politische und sociale Abgeschlossenheit macht
es den Hanseaten vorläufig noch einigermaßen schwer, zu ihren örtlichen Um¬
gebungen sowohl wie zu den mancherlei nationalen Vereinigungen der Gegen¬
wart in das rechte Verhältniß zu kommen. Auf die Länge aber wird indivi¬
duelles Bedürfniß mit dem Interesse der Gesammtheit zusammenwirken, um
ihnen einen gewissen politischen Einfluß aus den Kreis, dessen großstädtischer
Mittelpunkt sie sind, und eine angemessene mitleidende Rolle auf Congressen,
Kreistagen und Wanderversammlungen zu verschaffen. Dann wird ihre alt-
erworbene Sachkunde in Fragen der Handelspolitik, des Handels- und See¬
rechts, der Schiffahrt u. s. f. zu derjenigen Geltung gelangen —, die man ihr
im allgemeinen patriotischen Interesse wünschen muß. Ihre Theilnahme am
Reichstage und am Zollparlament wird nicht nothwendig auf die paar Ab¬
geordneten der Hansestädte selbst beschränkt sein, sondern sich durch das frei¬
willige Entgegenkommen benachbarter ländlich-kleinstädtischer Wahlbezirke mehren.
Organe wie der Juristentag, der deutsche Handelstag, die in der Gründung
begriffene deutsche nautische Gesellschaft werden eine reichere Fülle hanseatischer
Elemente in den unmittelbaren, agitatorischen Dienst des nationalen öffentlichen
Lebens ziehen.

Alles die wird aber nur unter der Bedingung geschehen,, daß ein frischer,
schöpferischer Geist in die Hansestädte einziehe und sich die rechten Gefäße schaffe.
Ohne das volle Bewußtsein des Umschwungs, der in ihrer gesammten Stellung ein¬
getreten ist, und ohne den tapfern Entschluß, sich auch unter den so gründlich
veränderten Verhältnissen an der Spitze der Fortschrittsbewegung der Zeit zu
behaupten, sich die noch gebliebenen Vorrechte dadurch zu verdienen, daß sie
durch die Art ihrer Benutzung den segensreichen Inhalt derselben mit der Zeit
zum Gemeingut machen, werden die Hansestädte ihre innere Selbständigkeit nicht
dauernd retten.




Grenzboten IV. 1867.30
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191994"/>
          <p xml:id="ID_649" prev="#ID_648"> lieferten Grades von Unterordnung handgreiflich darzuthun; und diese werth-<lb/>
vollen Beispiele können die Hansestädte liefern, &#x2014; das zu thun ist die Mission,<lb/>
welche ihnen nach so viel anderen großen historischen Leistungen noch vor-<lb/>
behalten zu sein scheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_650"> Höher hinaus strebende Geister in ihrer Mitte brauchen darum nicht zu<lb/>
befürchten, daß sie nur die Wahl hätten zwischen der Einlassung auf Gesund¬<lb/>
heitspflege, Armenwesen und Bausachen oder vollständigem Verzicht aus die bisher<lb/>
geübte gemeinnützige Wirksamkeit. Auch ihnen im Gegentheil erweitert sich der<lb/>
Spielraum. Die bisher gewohnte politische und sociale Abgeschlossenheit macht<lb/>
es den Hanseaten vorläufig noch einigermaßen schwer, zu ihren örtlichen Um¬<lb/>
gebungen sowohl wie zu den mancherlei nationalen Vereinigungen der Gegen¬<lb/>
wart in das rechte Verhältniß zu kommen. Auf die Länge aber wird indivi¬<lb/>
duelles Bedürfniß mit dem Interesse der Gesammtheit zusammenwirken, um<lb/>
ihnen einen gewissen politischen Einfluß aus den Kreis, dessen großstädtischer<lb/>
Mittelpunkt sie sind, und eine angemessene mitleidende Rolle auf Congressen,<lb/>
Kreistagen und Wanderversammlungen zu verschaffen. Dann wird ihre alt-<lb/>
erworbene Sachkunde in Fragen der Handelspolitik, des Handels- und See¬<lb/>
rechts, der Schiffahrt u. s. f. zu derjenigen Geltung gelangen &#x2014;, die man ihr<lb/>
im allgemeinen patriotischen Interesse wünschen muß. Ihre Theilnahme am<lb/>
Reichstage und am Zollparlament wird nicht nothwendig auf die paar Ab¬<lb/>
geordneten der Hansestädte selbst beschränkt sein, sondern sich durch das frei¬<lb/>
willige Entgegenkommen benachbarter ländlich-kleinstädtischer Wahlbezirke mehren.<lb/>
Organe wie der Juristentag, der deutsche Handelstag, die in der Gründung<lb/>
begriffene deutsche nautische Gesellschaft werden eine reichere Fülle hanseatischer<lb/>
Elemente in den unmittelbaren, agitatorischen Dienst des nationalen öffentlichen<lb/>
Lebens ziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_651"> Alles die wird aber nur unter der Bedingung geschehen,, daß ein frischer,<lb/>
schöpferischer Geist in die Hansestädte einziehe und sich die rechten Gefäße schaffe.<lb/>
Ohne das volle Bewußtsein des Umschwungs, der in ihrer gesammten Stellung ein¬<lb/>
getreten ist, und ohne den tapfern Entschluß, sich auch unter den so gründlich<lb/>
veränderten Verhältnissen an der Spitze der Fortschrittsbewegung der Zeit zu<lb/>
behaupten, sich die noch gebliebenen Vorrechte dadurch zu verdienen, daß sie<lb/>
durch die Art ihrer Benutzung den segensreichen Inhalt derselben mit der Zeit<lb/>
zum Gemeingut machen, werden die Hansestädte ihre innere Selbständigkeit nicht<lb/>
dauernd retten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1867.30</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0233] lieferten Grades von Unterordnung handgreiflich darzuthun; und diese werth- vollen Beispiele können die Hansestädte liefern, — das zu thun ist die Mission, welche ihnen nach so viel anderen großen historischen Leistungen noch vor- behalten zu sein scheint. Höher hinaus strebende Geister in ihrer Mitte brauchen darum nicht zu befürchten, daß sie nur die Wahl hätten zwischen der Einlassung auf Gesund¬ heitspflege, Armenwesen und Bausachen oder vollständigem Verzicht aus die bisher geübte gemeinnützige Wirksamkeit. Auch ihnen im Gegentheil erweitert sich der Spielraum. Die bisher gewohnte politische und sociale Abgeschlossenheit macht es den Hanseaten vorläufig noch einigermaßen schwer, zu ihren örtlichen Um¬ gebungen sowohl wie zu den mancherlei nationalen Vereinigungen der Gegen¬ wart in das rechte Verhältniß zu kommen. Auf die Länge aber wird indivi¬ duelles Bedürfniß mit dem Interesse der Gesammtheit zusammenwirken, um ihnen einen gewissen politischen Einfluß aus den Kreis, dessen großstädtischer Mittelpunkt sie sind, und eine angemessene mitleidende Rolle auf Congressen, Kreistagen und Wanderversammlungen zu verschaffen. Dann wird ihre alt- erworbene Sachkunde in Fragen der Handelspolitik, des Handels- und See¬ rechts, der Schiffahrt u. s. f. zu derjenigen Geltung gelangen —, die man ihr im allgemeinen patriotischen Interesse wünschen muß. Ihre Theilnahme am Reichstage und am Zollparlament wird nicht nothwendig auf die paar Ab¬ geordneten der Hansestädte selbst beschränkt sein, sondern sich durch das frei¬ willige Entgegenkommen benachbarter ländlich-kleinstädtischer Wahlbezirke mehren. Organe wie der Juristentag, der deutsche Handelstag, die in der Gründung begriffene deutsche nautische Gesellschaft werden eine reichere Fülle hanseatischer Elemente in den unmittelbaren, agitatorischen Dienst des nationalen öffentlichen Lebens ziehen. Alles die wird aber nur unter der Bedingung geschehen,, daß ein frischer, schöpferischer Geist in die Hansestädte einziehe und sich die rechten Gefäße schaffe. Ohne das volle Bewußtsein des Umschwungs, der in ihrer gesammten Stellung ein¬ getreten ist, und ohne den tapfern Entschluß, sich auch unter den so gründlich veränderten Verhältnissen an der Spitze der Fortschrittsbewegung der Zeit zu behaupten, sich die noch gebliebenen Vorrechte dadurch zu verdienen, daß sie durch die Art ihrer Benutzung den segensreichen Inhalt derselben mit der Zeit zum Gemeingut machen, werden die Hansestädte ihre innere Selbständigkeit nicht dauernd retten. Grenzboten IV. 1867.30

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/233
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/233>, abgerufen am 29.04.2024.