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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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der) den russischen 24Pfündern gegenüber große Verluste erlitten: 3 Linienschiffe
und eine Fregatte, also ein ganzes Geschwader mit über 3000 Mann Besatzung
war kampfunfähig gemacht worden, das englische Linienschiff "Agamemnon"
hatte sogar nicht weniger als 240 Kugeln erhalten und war dabei mehrmals
in Brand geschossen worden, und die ganze Flotte hatte in dem fünfstündigen
Gefechte 823 Mann verloren. Während so ein für damalige Verhältnisse ganz
sormidables Geschwader von Hvlzschiffen trotz großer Verluste auf Distanzen von
3000--1500 Schritt eigentlich nichts erreichte, vollbrachten die schwimmenden
Batterien vor Kinburn eine ähnliche Aufgabe mit größter Leichtigkeit und fast
ohne alle Opfer. Trotz tapferer Gegenwehr der russischen 24- und 32Pfünder
die sich anfangs unter Hohngelächter der gegen solchen Hagel sicher geborgenen
Angreifer der Kartätschen bedienten, wurden auf 2S00 Schritt Mauern, Wälle
und Kasematten der Festung gänzlich eingeschossen; von 29 russischen Geschützen
wurden 26 demontirt, d. l). durch Schüsse von ihren Lafetten herabgeworfen
und kampfunfähig gemacht, und dennoch hatte die erste schwimmende Batterie,
obwohl 66 mal getroffen, nur 9 Kampfunfähige, die zweite, obwohl 64 mal
getroffen, nur 13 und die dritte, 17 mal getroffen, gar keine. Ueberdies waren
die Verluste der Panzerbaitericn nur solchen Schüssen zuzuschreiben, welche in
die offenen Stückpforien eingedrungen waren; die Eiscnwand war nirgends
durchgeschlagen worden, und ein 7'/--zolliger Panzer erwies sich damals als ab¬
solut schußfest, selbst gegen Vollkugeln, die naturgemäß eine weit größere Durch¬
schlagskraft haben als Sprenggeschosse.

Diese Erfolge ermuthigter begreiflicherweise zu dem Versuch, die Eisen¬
panzerung auch auf wirkliche Seeschiffe zu übertragen, auf Schiffe von so schar¬
fer und feiner Form, daß sie die Eigenschaften der Seefähigkcit und der Schnel¬
ligkeit in gleichem Maße wie die bisherigen Holzschiffe erhalten konnten. In¬
dessen legte naturgemäß dabei die große absolute Beschwerung des Schiffs durch
die Eisenpanzcrung die Schranke auf, daß man demselben behufs Erlangung
großer Tragfähigkeit stets verhältnißmäßig großes Volumen und somit auch
große Dimensionen geben mußte; die Panzerschiffe der ersten Zeit hatten des¬
halb sämmtlich wenigstens die Größe der früheren Linienschiffe.

Es war Dupuis de Lune, der geistvolle und überaus gewandte Chef-Con-
structeur der französischen Marine, der zuerst das Problem zu lösen verstand,
ein seesähiges Panzerschiff zu bauen, indem er die Nisse zu seiner berühmten
Panzerfregatte "Gloire" entwarf. Dieses erste wirkliche Panzerschiff, welches
die Welt gesehen, ist ein Holzschiff, das, nach dem Brcitseitensystem construirt,
außer seiner Bekleidung mit 4V-zölligen Eisenplatten nur geringe Abweichungen
des Baues von den bisherigen hölzernen Schiffen zeigt. -- Die Thatsache, daß
der Bau eines seefähigen Panzerschiffes im ganzen wohl gelungen war, erregte
namentlich in England ungeheures Aufsehe"; das starke Albion fühlte sich mit


der) den russischen 24Pfündern gegenüber große Verluste erlitten: 3 Linienschiffe
und eine Fregatte, also ein ganzes Geschwader mit über 3000 Mann Besatzung
war kampfunfähig gemacht worden, das englische Linienschiff „Agamemnon"
hatte sogar nicht weniger als 240 Kugeln erhalten und war dabei mehrmals
in Brand geschossen worden, und die ganze Flotte hatte in dem fünfstündigen
Gefechte 823 Mann verloren. Während so ein für damalige Verhältnisse ganz
sormidables Geschwader von Hvlzschiffen trotz großer Verluste auf Distanzen von
3000—1500 Schritt eigentlich nichts erreichte, vollbrachten die schwimmenden
Batterien vor Kinburn eine ähnliche Aufgabe mit größter Leichtigkeit und fast
ohne alle Opfer. Trotz tapferer Gegenwehr der russischen 24- und 32Pfünder
die sich anfangs unter Hohngelächter der gegen solchen Hagel sicher geborgenen
Angreifer der Kartätschen bedienten, wurden auf 2S00 Schritt Mauern, Wälle
und Kasematten der Festung gänzlich eingeschossen; von 29 russischen Geschützen
wurden 26 demontirt, d. l). durch Schüsse von ihren Lafetten herabgeworfen
und kampfunfähig gemacht, und dennoch hatte die erste schwimmende Batterie,
obwohl 66 mal getroffen, nur 9 Kampfunfähige, die zweite, obwohl 64 mal
getroffen, nur 13 und die dritte, 17 mal getroffen, gar keine. Ueberdies waren
die Verluste der Panzerbaitericn nur solchen Schüssen zuzuschreiben, welche in
die offenen Stückpforien eingedrungen waren; die Eiscnwand war nirgends
durchgeschlagen worden, und ein 7'/--zolliger Panzer erwies sich damals als ab¬
solut schußfest, selbst gegen Vollkugeln, die naturgemäß eine weit größere Durch¬
schlagskraft haben als Sprenggeschosse.

Diese Erfolge ermuthigter begreiflicherweise zu dem Versuch, die Eisen¬
panzerung auch auf wirkliche Seeschiffe zu übertragen, auf Schiffe von so schar¬
fer und feiner Form, daß sie die Eigenschaften der Seefähigkcit und der Schnel¬
ligkeit in gleichem Maße wie die bisherigen Holzschiffe erhalten konnten. In¬
dessen legte naturgemäß dabei die große absolute Beschwerung des Schiffs durch
die Eisenpanzcrung die Schranke auf, daß man demselben behufs Erlangung
großer Tragfähigkeit stets verhältnißmäßig großes Volumen und somit auch
große Dimensionen geben mußte; die Panzerschiffe der ersten Zeit hatten des¬
halb sämmtlich wenigstens die Größe der früheren Linienschiffe.

Es war Dupuis de Lune, der geistvolle und überaus gewandte Chef-Con-
structeur der französischen Marine, der zuerst das Problem zu lösen verstand,
ein seesähiges Panzerschiff zu bauen, indem er die Nisse zu seiner berühmten
Panzerfregatte „Gloire" entwarf. Dieses erste wirkliche Panzerschiff, welches
die Welt gesehen, ist ein Holzschiff, das, nach dem Brcitseitensystem construirt,
außer seiner Bekleidung mit 4V-zölligen Eisenplatten nur geringe Abweichungen
des Baues von den bisherigen hölzernen Schiffen zeigt. — Die Thatsache, daß
der Bau eines seefähigen Panzerschiffes im ganzen wohl gelungen war, erregte
namentlich in England ungeheures Aufsehe»; das starke Albion fühlte sich mit


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[0252] der) den russischen 24Pfündern gegenüber große Verluste erlitten: 3 Linienschiffe und eine Fregatte, also ein ganzes Geschwader mit über 3000 Mann Besatzung war kampfunfähig gemacht worden, das englische Linienschiff „Agamemnon" hatte sogar nicht weniger als 240 Kugeln erhalten und war dabei mehrmals in Brand geschossen worden, und die ganze Flotte hatte in dem fünfstündigen Gefechte 823 Mann verloren. Während so ein für damalige Verhältnisse ganz sormidables Geschwader von Hvlzschiffen trotz großer Verluste auf Distanzen von 3000—1500 Schritt eigentlich nichts erreichte, vollbrachten die schwimmenden Batterien vor Kinburn eine ähnliche Aufgabe mit größter Leichtigkeit und fast ohne alle Opfer. Trotz tapferer Gegenwehr der russischen 24- und 32Pfünder die sich anfangs unter Hohngelächter der gegen solchen Hagel sicher geborgenen Angreifer der Kartätschen bedienten, wurden auf 2S00 Schritt Mauern, Wälle und Kasematten der Festung gänzlich eingeschossen; von 29 russischen Geschützen wurden 26 demontirt, d. l). durch Schüsse von ihren Lafetten herabgeworfen und kampfunfähig gemacht, und dennoch hatte die erste schwimmende Batterie, obwohl 66 mal getroffen, nur 9 Kampfunfähige, die zweite, obwohl 64 mal getroffen, nur 13 und die dritte, 17 mal getroffen, gar keine. Ueberdies waren die Verluste der Panzerbaitericn nur solchen Schüssen zuzuschreiben, welche in die offenen Stückpforien eingedrungen waren; die Eiscnwand war nirgends durchgeschlagen worden, und ein 7'/--zolliger Panzer erwies sich damals als ab¬ solut schußfest, selbst gegen Vollkugeln, die naturgemäß eine weit größere Durch¬ schlagskraft haben als Sprenggeschosse. Diese Erfolge ermuthigter begreiflicherweise zu dem Versuch, die Eisen¬ panzerung auch auf wirkliche Seeschiffe zu übertragen, auf Schiffe von so schar¬ fer und feiner Form, daß sie die Eigenschaften der Seefähigkcit und der Schnel¬ ligkeit in gleichem Maße wie die bisherigen Holzschiffe erhalten konnten. In¬ dessen legte naturgemäß dabei die große absolute Beschwerung des Schiffs durch die Eisenpanzcrung die Schranke auf, daß man demselben behufs Erlangung großer Tragfähigkeit stets verhältnißmäßig großes Volumen und somit auch große Dimensionen geben mußte; die Panzerschiffe der ersten Zeit hatten des¬ halb sämmtlich wenigstens die Größe der früheren Linienschiffe. Es war Dupuis de Lune, der geistvolle und überaus gewandte Chef-Con- structeur der französischen Marine, der zuerst das Problem zu lösen verstand, ein seesähiges Panzerschiff zu bauen, indem er die Nisse zu seiner berühmten Panzerfregatte „Gloire" entwarf. Dieses erste wirkliche Panzerschiff, welches die Welt gesehen, ist ein Holzschiff, das, nach dem Brcitseitensystem construirt, außer seiner Bekleidung mit 4V-zölligen Eisenplatten nur geringe Abweichungen des Baues von den bisherigen hölzernen Schiffen zeigt. — Die Thatsache, daß der Bau eines seefähigen Panzerschiffes im ganzen wohl gelungen war, erregte namentlich in England ungeheures Aufsehe»; das starke Albion fühlte sich mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/252>, abgerufen am 12.06.2024.