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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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zu thun, das was er vorträgt zum rechten Verständniß der Zuhörer zu brin¬
gen; sein Spiel ist höchster Genuß für Herz und Sinn. ---

Mit besonderer Anerkennung sind die Quartettproduktionen zu
zu nennen, die Concertmeister Hellmesberger alljährlich veranstaltet. Hellmes¬
berger übernahm die Aufführungen nach dem Abgang Jansas, eines ehemaligen
Mitgliedes der k. k. Hofkapelle. Unter ihm hörte Wien im Dezbr. 1843 nach län-
gerer Unterbrechung zum erstenmal wieder öffentliche Kammermusik. In Folge
eines "politischen Vergehens" (man hatte ihn in London zur Mitwirkung in
einem Concert zum Besten der Ungarn gepreßt) wurde Jansa, der in Sachen
der Politik so unschuldig war wie der Vogel in der Luft, seiner Stelle entsetzt
und aus Oestreich verbannt. Dem Manne wurde dadurch hart mitgespielt.
Er büßt seitdem sein Verbrechen in London ab, wo er sich als eingefleischter
Oestreicher doch schwerlich heimisch fühlen wird. Die Mitspieler der Kapelle
haben unterdessen alle gewechselt, Hellmesberger selbst harrt aber auf seinem
Posten aus und trägt nicht wenig zur Verbreitung klassischer Musik bei. Er
war es namentlich, der für Schumann, dessen Musik bis dahin nur schwer in
Wien Eingang fand, plötzlich im Jahre 1832 durch Aufführung eines Quartetts,
das begeisterte Ausnahme fand, Bahn brach. Außerdem hat er die für öffent¬
lichen Vortrag ungeeignet gehaltenen letzten Quartette Beethovens durch vor¬
treffliche Aufführungen dem Publikum zugänglich gemacht. Manches aufkei-
mende Talent, dessen Composttionen bei Hellmesberger zum erstenmal gespielt
wurden, hat durch diesen Förderung und Aneiferung erhalten. --

Was die Kirch cnmusik betrifft, so gibt es kaum eine Stadt, in der soviel
zur Ehre Gottes gesungen, gespielt und geblasen wird, wie Wien. Von den Kirchen
in der innern Stadt steht oben an die Hofkapelle unter Leitung der Hofkapell-
Meister Herbeck und Preyer; .dieser zunächst kommen die Kirchenchöre von
Se. Stephan, Se. Augustin, Se. Anna, Se. Peter, der Dominikaner- und
der nat. National- oder Minoritenkirche. Unter den Vorstädten ist nebst den
Chören zu Se. Carl, Se. Ulrich und einigen andern vorzüglich die Altlerchen-
selderkirche hervorragend, die sich eine wirkliche Pflege der Kirchenmusik ange-
legen sein läßt. In den übrigen Kirchen behilft sich der Regenschori in der
Regel so gut als es die Mittel erlauben; und diese sind bescheiden genug, denn
für die Musik ist eben nur soviel angewiesen, um die.allernothwendigsten Be¬
dürfnisse zu bestreiten. Allzugroße Schwärmerei für Musik kann man der Geist¬
lichkeit überhaupt nicht vorwerfen; wie es damit außerhalb Wiens bei uns be¬
stellt ist, davon hier zwei Beispiele. In einer kleineren Stadt, etwa 12 Stun¬
den von der Residenz, fragte der neu eingetretene gewissenhafte Regenschori am
Vorabend eines Festes seinen vorgesetzten Geistlichen, ob er einen besonderen
Wunsch für die Wahl der Komposition habe. "Führen Sie aus, was und von
wem Sie wollen, aber nur kurz", war die entschttdende Antwort. -- Daß ti"


zu thun, das was er vorträgt zum rechten Verständniß der Zuhörer zu brin¬
gen; sein Spiel ist höchster Genuß für Herz und Sinn. —-

Mit besonderer Anerkennung sind die Quartettproduktionen zu
zu nennen, die Concertmeister Hellmesberger alljährlich veranstaltet. Hellmes¬
berger übernahm die Aufführungen nach dem Abgang Jansas, eines ehemaligen
Mitgliedes der k. k. Hofkapelle. Unter ihm hörte Wien im Dezbr. 1843 nach län-
gerer Unterbrechung zum erstenmal wieder öffentliche Kammermusik. In Folge
eines „politischen Vergehens" (man hatte ihn in London zur Mitwirkung in
einem Concert zum Besten der Ungarn gepreßt) wurde Jansa, der in Sachen
der Politik so unschuldig war wie der Vogel in der Luft, seiner Stelle entsetzt
und aus Oestreich verbannt. Dem Manne wurde dadurch hart mitgespielt.
Er büßt seitdem sein Verbrechen in London ab, wo er sich als eingefleischter
Oestreicher doch schwerlich heimisch fühlen wird. Die Mitspieler der Kapelle
haben unterdessen alle gewechselt, Hellmesberger selbst harrt aber auf seinem
Posten aus und trägt nicht wenig zur Verbreitung klassischer Musik bei. Er
war es namentlich, der für Schumann, dessen Musik bis dahin nur schwer in
Wien Eingang fand, plötzlich im Jahre 1832 durch Aufführung eines Quartetts,
das begeisterte Ausnahme fand, Bahn brach. Außerdem hat er die für öffent¬
lichen Vortrag ungeeignet gehaltenen letzten Quartette Beethovens durch vor¬
treffliche Aufführungen dem Publikum zugänglich gemacht. Manches aufkei-
mende Talent, dessen Composttionen bei Hellmesberger zum erstenmal gespielt
wurden, hat durch diesen Förderung und Aneiferung erhalten. —

Was die Kirch cnmusik betrifft, so gibt es kaum eine Stadt, in der soviel
zur Ehre Gottes gesungen, gespielt und geblasen wird, wie Wien. Von den Kirchen
in der innern Stadt steht oben an die Hofkapelle unter Leitung der Hofkapell-
Meister Herbeck und Preyer; .dieser zunächst kommen die Kirchenchöre von
Se. Stephan, Se. Augustin, Se. Anna, Se. Peter, der Dominikaner- und
der nat. National- oder Minoritenkirche. Unter den Vorstädten ist nebst den
Chören zu Se. Carl, Se. Ulrich und einigen andern vorzüglich die Altlerchen-
selderkirche hervorragend, die sich eine wirkliche Pflege der Kirchenmusik ange-
legen sein läßt. In den übrigen Kirchen behilft sich der Regenschori in der
Regel so gut als es die Mittel erlauben; und diese sind bescheiden genug, denn
für die Musik ist eben nur soviel angewiesen, um die.allernothwendigsten Be¬
dürfnisse zu bestreiten. Allzugroße Schwärmerei für Musik kann man der Geist¬
lichkeit überhaupt nicht vorwerfen; wie es damit außerhalb Wiens bei uns be¬
stellt ist, davon hier zwei Beispiele. In einer kleineren Stadt, etwa 12 Stun¬
den von der Residenz, fragte der neu eingetretene gewissenhafte Regenschori am
Vorabend eines Festes seinen vorgesetzten Geistlichen, ob er einen besonderen
Wunsch für die Wahl der Komposition habe. „Führen Sie aus, was und von
wem Sie wollen, aber nur kurz", war die entschttdende Antwort. — Daß ti«


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[0479] zu thun, das was er vorträgt zum rechten Verständniß der Zuhörer zu brin¬ gen; sein Spiel ist höchster Genuß für Herz und Sinn. —- Mit besonderer Anerkennung sind die Quartettproduktionen zu zu nennen, die Concertmeister Hellmesberger alljährlich veranstaltet. Hellmes¬ berger übernahm die Aufführungen nach dem Abgang Jansas, eines ehemaligen Mitgliedes der k. k. Hofkapelle. Unter ihm hörte Wien im Dezbr. 1843 nach län- gerer Unterbrechung zum erstenmal wieder öffentliche Kammermusik. In Folge eines „politischen Vergehens" (man hatte ihn in London zur Mitwirkung in einem Concert zum Besten der Ungarn gepreßt) wurde Jansa, der in Sachen der Politik so unschuldig war wie der Vogel in der Luft, seiner Stelle entsetzt und aus Oestreich verbannt. Dem Manne wurde dadurch hart mitgespielt. Er büßt seitdem sein Verbrechen in London ab, wo er sich als eingefleischter Oestreicher doch schwerlich heimisch fühlen wird. Die Mitspieler der Kapelle haben unterdessen alle gewechselt, Hellmesberger selbst harrt aber auf seinem Posten aus und trägt nicht wenig zur Verbreitung klassischer Musik bei. Er war es namentlich, der für Schumann, dessen Musik bis dahin nur schwer in Wien Eingang fand, plötzlich im Jahre 1832 durch Aufführung eines Quartetts, das begeisterte Ausnahme fand, Bahn brach. Außerdem hat er die für öffent¬ lichen Vortrag ungeeignet gehaltenen letzten Quartette Beethovens durch vor¬ treffliche Aufführungen dem Publikum zugänglich gemacht. Manches aufkei- mende Talent, dessen Composttionen bei Hellmesberger zum erstenmal gespielt wurden, hat durch diesen Förderung und Aneiferung erhalten. — Was die Kirch cnmusik betrifft, so gibt es kaum eine Stadt, in der soviel zur Ehre Gottes gesungen, gespielt und geblasen wird, wie Wien. Von den Kirchen in der innern Stadt steht oben an die Hofkapelle unter Leitung der Hofkapell- Meister Herbeck und Preyer; .dieser zunächst kommen die Kirchenchöre von Se. Stephan, Se. Augustin, Se. Anna, Se. Peter, der Dominikaner- und der nat. National- oder Minoritenkirche. Unter den Vorstädten ist nebst den Chören zu Se. Carl, Se. Ulrich und einigen andern vorzüglich die Altlerchen- selderkirche hervorragend, die sich eine wirkliche Pflege der Kirchenmusik ange- legen sein läßt. In den übrigen Kirchen behilft sich der Regenschori in der Regel so gut als es die Mittel erlauben; und diese sind bescheiden genug, denn für die Musik ist eben nur soviel angewiesen, um die.allernothwendigsten Be¬ dürfnisse zu bestreiten. Allzugroße Schwärmerei für Musik kann man der Geist¬ lichkeit überhaupt nicht vorwerfen; wie es damit außerhalb Wiens bei uns be¬ stellt ist, davon hier zwei Beispiele. In einer kleineren Stadt, etwa 12 Stun¬ den von der Residenz, fragte der neu eingetretene gewissenhafte Regenschori am Vorabend eines Festes seinen vorgesetzten Geistlichen, ob er einen besonderen Wunsch für die Wahl der Komposition habe. „Führen Sie aus, was und von wem Sie wollen, aber nur kurz", war die entschttdende Antwort. — Daß ti«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/479>, abgerufen am 30.04.2024.