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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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seine Sprachen ein Wort'dafür besitzen), sondern auf möglichst imposante und
glanzvolle Darstellung der Würde des Besitzers. Waren schon die eigent¬
lichen (am Tage wenig benutzten) Wohnungen nach unsern Begriffen mit
Hausrath und Möbeln nur spärlich ausgestattet, so enthielten vollends die
hohen, weiten, zum Empfang bestimmten Räume, die sich Morgens dem
Schwarm der Besucher, gegen Abend den zur Mahlzeit geladenen Gästen
öffneten, verhältnißmäßig wenige, dafür um so kostbarere und gediegnere,
ausschließlich oder vorzugsweise zur Decoration dienende Prachtstücke: als
Tische mit Citrus- (Thuja-) Platten auf Elfenbeinfüßen, Ruhebetten mit
Schildpatt ausgelegt oder reich mit Gold und Silber verziert und mit ba¬
bylonischen (gestickten) Teppichen behängt, Prachtvasen aus corinthischer Bronze
und Murrha (wahrscheinlich indischem Flußspath), kunstvolle Kandelaber.
Schenktische mit alten Silberarbeiten, Statuen und Gemälden berühmter
Künstler.

Ueber alle diese Dinge, wie über ihre Fabrikation und Preise, findet
man in Marquardts Buch die ausführlichste und genaueste Belehrung. Die
Preise, die wir kennen, sind meist nicht Durchschnittspreise, sondern exorbi¬
tante (deshalb werden sie gerade berichtet), wie schon daraus hervorgeht,
daß bei Martial die ganze glänzende Einrichtung eines reichen Hauses nur eine
Bullion Sesterzen kostet, während diese und noch größere Summen öfter für
einzelne der erwähnten Kostbarkeiten bezahlt worden sind. Sodann sind es
großentheils sogenannte Affectionspreise, d. h. solche, die nur für Gegenstände
einer besondern Liebhaberei gezahlt werden: man kann sie also nur mit denen
vergleichen, die gegenwärtig z. B. für mittelalterliche Holzschnitzereien, No-
eoccomöbel, venezianische Gläser, seltene Varietäten gewisser Blumen und der¬
gleichen gezahlt werden.

Doch ich muß es mir versagen, die Betrachtungen weiter zu verfolgen,
zu denen der reiche Inhalt dieses Werks überall anregt. Den Eindruck wird
gewiß jeder Leser daraus gewinnen, daß die Cultur des -römischen Alterthums
eine sehr reiche und hohe war, daß sie höher stand, als man im allgemeinen
zu glauben geneigt ist. Die fortgesetzten eingehenden Studien dieser Cultur
haben im ganzen nur dazu beigetragen, eine vortheilhaftere Meinung über
sie zu verbreiten. Sie hat manches hervorgebracht, was zum Theil in ver¬
kümmerter Gestalt, in späteren Jahrhunderten segensreich fortgewirkt und
das Dasein in unserem Welttheil menschenwürdiger gemacht hat. Ja die
damalige Menschheit hat manches Gut besessen, dessen späte Wiedererlan¬
gung noch in unserem Jahrhundert hoch angeschlagen oder gar erst ange¬
strebt wird. Marquärdt weist (um nur dies eine Beispiel zu erwähnen)
darauf hin, daß Boissieu sich bei Gelegenheit der alten Röhren der Wasser¬
leitungen von Lyon veranlaßt findet, "die bittere Bemerkung,zu machen, daß


seine Sprachen ein Wort'dafür besitzen), sondern auf möglichst imposante und
glanzvolle Darstellung der Würde des Besitzers. Waren schon die eigent¬
lichen (am Tage wenig benutzten) Wohnungen nach unsern Begriffen mit
Hausrath und Möbeln nur spärlich ausgestattet, so enthielten vollends die
hohen, weiten, zum Empfang bestimmten Räume, die sich Morgens dem
Schwarm der Besucher, gegen Abend den zur Mahlzeit geladenen Gästen
öffneten, verhältnißmäßig wenige, dafür um so kostbarere und gediegnere,
ausschließlich oder vorzugsweise zur Decoration dienende Prachtstücke: als
Tische mit Citrus- (Thuja-) Platten auf Elfenbeinfüßen, Ruhebetten mit
Schildpatt ausgelegt oder reich mit Gold und Silber verziert und mit ba¬
bylonischen (gestickten) Teppichen behängt, Prachtvasen aus corinthischer Bronze
und Murrha (wahrscheinlich indischem Flußspath), kunstvolle Kandelaber.
Schenktische mit alten Silberarbeiten, Statuen und Gemälden berühmter
Künstler.

Ueber alle diese Dinge, wie über ihre Fabrikation und Preise, findet
man in Marquardts Buch die ausführlichste und genaueste Belehrung. Die
Preise, die wir kennen, sind meist nicht Durchschnittspreise, sondern exorbi¬
tante (deshalb werden sie gerade berichtet), wie schon daraus hervorgeht,
daß bei Martial die ganze glänzende Einrichtung eines reichen Hauses nur eine
Bullion Sesterzen kostet, während diese und noch größere Summen öfter für
einzelne der erwähnten Kostbarkeiten bezahlt worden sind. Sodann sind es
großentheils sogenannte Affectionspreise, d. h. solche, die nur für Gegenstände
einer besondern Liebhaberei gezahlt werden: man kann sie also nur mit denen
vergleichen, die gegenwärtig z. B. für mittelalterliche Holzschnitzereien, No-
eoccomöbel, venezianische Gläser, seltene Varietäten gewisser Blumen und der¬
gleichen gezahlt werden.

Doch ich muß es mir versagen, die Betrachtungen weiter zu verfolgen,
zu denen der reiche Inhalt dieses Werks überall anregt. Den Eindruck wird
gewiß jeder Leser daraus gewinnen, daß die Cultur des -römischen Alterthums
eine sehr reiche und hohe war, daß sie höher stand, als man im allgemeinen
zu glauben geneigt ist. Die fortgesetzten eingehenden Studien dieser Cultur
haben im ganzen nur dazu beigetragen, eine vortheilhaftere Meinung über
sie zu verbreiten. Sie hat manches hervorgebracht, was zum Theil in ver¬
kümmerter Gestalt, in späteren Jahrhunderten segensreich fortgewirkt und
das Dasein in unserem Welttheil menschenwürdiger gemacht hat. Ja die
damalige Menschheit hat manches Gut besessen, dessen späte Wiedererlan¬
gung noch in unserem Jahrhundert hoch angeschlagen oder gar erst ange¬
strebt wird. Marquärdt weist (um nur dies eine Beispiel zu erwähnen)
darauf hin, daß Boissieu sich bei Gelegenheit der alten Röhren der Wasser¬
leitungen von Lyon veranlaßt findet, „die bittere Bemerkung,zu machen, daß


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[0221] seine Sprachen ein Wort'dafür besitzen), sondern auf möglichst imposante und glanzvolle Darstellung der Würde des Besitzers. Waren schon die eigent¬ lichen (am Tage wenig benutzten) Wohnungen nach unsern Begriffen mit Hausrath und Möbeln nur spärlich ausgestattet, so enthielten vollends die hohen, weiten, zum Empfang bestimmten Räume, die sich Morgens dem Schwarm der Besucher, gegen Abend den zur Mahlzeit geladenen Gästen öffneten, verhältnißmäßig wenige, dafür um so kostbarere und gediegnere, ausschließlich oder vorzugsweise zur Decoration dienende Prachtstücke: als Tische mit Citrus- (Thuja-) Platten auf Elfenbeinfüßen, Ruhebetten mit Schildpatt ausgelegt oder reich mit Gold und Silber verziert und mit ba¬ bylonischen (gestickten) Teppichen behängt, Prachtvasen aus corinthischer Bronze und Murrha (wahrscheinlich indischem Flußspath), kunstvolle Kandelaber. Schenktische mit alten Silberarbeiten, Statuen und Gemälden berühmter Künstler. Ueber alle diese Dinge, wie über ihre Fabrikation und Preise, findet man in Marquardts Buch die ausführlichste und genaueste Belehrung. Die Preise, die wir kennen, sind meist nicht Durchschnittspreise, sondern exorbi¬ tante (deshalb werden sie gerade berichtet), wie schon daraus hervorgeht, daß bei Martial die ganze glänzende Einrichtung eines reichen Hauses nur eine Bullion Sesterzen kostet, während diese und noch größere Summen öfter für einzelne der erwähnten Kostbarkeiten bezahlt worden sind. Sodann sind es großentheils sogenannte Affectionspreise, d. h. solche, die nur für Gegenstände einer besondern Liebhaberei gezahlt werden: man kann sie also nur mit denen vergleichen, die gegenwärtig z. B. für mittelalterliche Holzschnitzereien, No- eoccomöbel, venezianische Gläser, seltene Varietäten gewisser Blumen und der¬ gleichen gezahlt werden. Doch ich muß es mir versagen, die Betrachtungen weiter zu verfolgen, zu denen der reiche Inhalt dieses Werks überall anregt. Den Eindruck wird gewiß jeder Leser daraus gewinnen, daß die Cultur des -römischen Alterthums eine sehr reiche und hohe war, daß sie höher stand, als man im allgemeinen zu glauben geneigt ist. Die fortgesetzten eingehenden Studien dieser Cultur haben im ganzen nur dazu beigetragen, eine vortheilhaftere Meinung über sie zu verbreiten. Sie hat manches hervorgebracht, was zum Theil in ver¬ kümmerter Gestalt, in späteren Jahrhunderten segensreich fortgewirkt und das Dasein in unserem Welttheil menschenwürdiger gemacht hat. Ja die damalige Menschheit hat manches Gut besessen, dessen späte Wiedererlan¬ gung noch in unserem Jahrhundert hoch angeschlagen oder gar erst ange¬ strebt wird. Marquärdt weist (um nur dies eine Beispiel zu erwähnen) darauf hin, daß Boissieu sich bei Gelegenheit der alten Röhren der Wasser¬ leitungen von Lyon veranlaßt findet, „die bittere Bemerkung,zu machen, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/221>, abgerufen am 25.05.2024.