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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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In dem bereits erwähnten Majestätsrescript vom 29. Mai 162? erkannte
Ferdinand II. gegenüber allen drei Ländern der böhmischen Krone (oder
Wenzelskrone) an, daß der damalige Aufstand nur ein partieller war und
daß nur die die Akatholiken betreffenden Majestate aufgehoben seien. Die
andern Landesprivilegien, also die Theilnahme an der Landesgesetzgebung,
das Recht der Verwaltung des Landes, die Rekrutenbewilligung, die Unver¬
äußerlichkeit der Krongüter ohne Einwilligung des Landes, die Lehnrechte ze.,
dies alles wurde anerkannt und auch fortan ausgeübt.

Böhmen blieb ein selbständiges Ganzes. Es gab keine gemeinsamen
Ministerien mit den übrigen Ländern des jetzigen Oestreich, wie Niederöstreich
und Ungarn. Das böhmische Volk konnte zu Kriegsdiensten nur dann auf¬
geboten werden, wenn es die Vertheidigung Böhmens galt. Handelte es sich
beispielsweise um eine Kriegshilfe gegen die Türken, so mußte der Landtag
derselben zustimmen. Alle Landesbeamten der höchsten Kategorie mußten
ferner im Lande ansässig sein. Die Art und Weise der Verwendung der
Steuern wurde stets genau vom Landtage vorgeschrieben und von der Re¬
gierung respectirt.

In den Declaratorien vom 1. Februar 1640 räumte Ferdinand III. den
Ständen das Recht ein, alle Landesangelegenheiten frei zu discutiren.

Karl II. legte den böhmischen Ständen die pragmatische Sanction (1720)
zur Genehmigung vor. Leopold II. restaurirte mit Rescript vom 12. August
1791 die von Joseph II. alterirte bisherige Verfassung von Böhmen. Die
Stände erhielten auch wieder den Revers, daß den Privilegien, Freiheiten
und Gerechtigkeiten des Landes kein Nachtheil zugefügt werden solle.

Mit dem Patent vom 6. August 1806 erlosch die Kurwürde Böhmens
und die Verbindung mit dem deutschen Reiche. Das Patent gebraucht die
Worte: "die mit der Krone Böhmen verbundene" Kurwürde. Bekannt¬
lich umfaßt die Krone Böhmen seit 1086 Mähren und seit 13S3 Schlesien.

Zur Veräußerung der Landesdomänen wurde stets die Einwilligung
der Stände für nöthig erachtet. So willigten die Stände im December 1825
ein, daß einige böhmische Domänen (?aräubie, 8miri<-, Abirov) zur Tilgung
der östreichischen Staatsschulden veräußert würden.

Am 7. September 1836 ließ sich Ferdinand V. als König von Böhmen
zu Prag feierlich krönen.

Daß die Stände der vierziger Jahre die Steuerpostulate gar nicht be¬
riethen, sondern sich mit der Auffahrt auf dem prager Schlosse begnügt
hätten, ist übertrieben. Allerdings hielt man damals viel auf das Landtags-
ceremoniell und dieses schrieb genau vor, wie die Stände en paraäe in den
ihnen aus "besonderer Gnade" (1808) verliehenen rothen Gewändern unter
Vortritt der Livriebedienten und mit angezündeten Flambeaux einherzu-


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In dem bereits erwähnten Majestätsrescript vom 29. Mai 162? erkannte
Ferdinand II. gegenüber allen drei Ländern der böhmischen Krone (oder
Wenzelskrone) an, daß der damalige Aufstand nur ein partieller war und
daß nur die die Akatholiken betreffenden Majestate aufgehoben seien. Die
andern Landesprivilegien, also die Theilnahme an der Landesgesetzgebung,
das Recht der Verwaltung des Landes, die Rekrutenbewilligung, die Unver¬
äußerlichkeit der Krongüter ohne Einwilligung des Landes, die Lehnrechte ze.,
dies alles wurde anerkannt und auch fortan ausgeübt.

Böhmen blieb ein selbständiges Ganzes. Es gab keine gemeinsamen
Ministerien mit den übrigen Ländern des jetzigen Oestreich, wie Niederöstreich
und Ungarn. Das böhmische Volk konnte zu Kriegsdiensten nur dann auf¬
geboten werden, wenn es die Vertheidigung Böhmens galt. Handelte es sich
beispielsweise um eine Kriegshilfe gegen die Türken, so mußte der Landtag
derselben zustimmen. Alle Landesbeamten der höchsten Kategorie mußten
ferner im Lande ansässig sein. Die Art und Weise der Verwendung der
Steuern wurde stets genau vom Landtage vorgeschrieben und von der Re¬
gierung respectirt.

In den Declaratorien vom 1. Februar 1640 räumte Ferdinand III. den
Ständen das Recht ein, alle Landesangelegenheiten frei zu discutiren.

Karl II. legte den böhmischen Ständen die pragmatische Sanction (1720)
zur Genehmigung vor. Leopold II. restaurirte mit Rescript vom 12. August
1791 die von Joseph II. alterirte bisherige Verfassung von Böhmen. Die
Stände erhielten auch wieder den Revers, daß den Privilegien, Freiheiten
und Gerechtigkeiten des Landes kein Nachtheil zugefügt werden solle.

Mit dem Patent vom 6. August 1806 erlosch die Kurwürde Böhmens
und die Verbindung mit dem deutschen Reiche. Das Patent gebraucht die
Worte: „die mit der Krone Böhmen verbundene" Kurwürde. Bekannt¬
lich umfaßt die Krone Böhmen seit 1086 Mähren und seit 13S3 Schlesien.

Zur Veräußerung der Landesdomänen wurde stets die Einwilligung
der Stände für nöthig erachtet. So willigten die Stände im December 1825
ein, daß einige böhmische Domänen (?aräubie, 8miri<-, Abirov) zur Tilgung
der östreichischen Staatsschulden veräußert würden.

Am 7. September 1836 ließ sich Ferdinand V. als König von Böhmen
zu Prag feierlich krönen.

Daß die Stände der vierziger Jahre die Steuerpostulate gar nicht be¬
riethen, sondern sich mit der Auffahrt auf dem prager Schlosse begnügt
hätten, ist übertrieben. Allerdings hielt man damals viel auf das Landtags-
ceremoniell und dieses schrieb genau vor, wie die Stände en paraäe in den
ihnen aus „besonderer Gnade" (1808) verliehenen rothen Gewändern unter
Vortritt der Livriebedienten und mit angezündeten Flambeaux einherzu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/435>, abgerufen am 16.06.2024.