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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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kurzes Vergnügen war, und von der sich diese zum Glück wieder recht erfreu¬
lich erholt hat.

Merkwürdigerweise scheint diesmal auch bei den Wahlen des ritterschaft-
lichen Adels, der bekanntlich nebst der Geistlichkeit noch immer in unserer
zweiten Kammer vertreten ist, die Politik eine größere Rolle als sonst ge¬
spielt zu haben. Vier dieser Ritter haben aus dem vorigen Landtag, könig¬
licher als der König selbst, gegen die Verträge mit Preußen gestimmt. Ge¬
rade diese vier werden nicht mehr in der künftigen Kammer erscheinen; einer
derselben ist gestorben, die drei anderen sind von ihren Standesgenossen nicht
wieder gewählt worden. Man sucht diese Thatsache allerdings nachträglich
aus verschiedenen persönlichen und zufälligen Gründen zu erklären. Allein der
Zufall ist doch merkwürdig genug, um notirt zu werden.

Daß die Regierung sich nicht sehr beeilen wird, die neue Kammer ein¬
zuberufen . hat inzwischen der Staatsanzeiger bestätigt. Mittlerweile geben
unsere Föderativrepublikaner Gastrollen in Wien und entwickeln ihr "neues
Programm" wie sie es selbstgefällig bezeichnen, den deutschen Brüdern in
Oestreich. Der Eindruck dieser k. k. Völkerverbrüderung ist natürlich ein ge¬
mischter. Den Deutschöstreichern ist in ihrer Lage eine solche nationale Kund¬
gebung sicher nicht zu verargen, und wenn dieselbe wirklich den Erfolg hat,
sie in ihrem Kampf ums Dasein zu stärken, so ist nichts dawider einzuwen¬
den. Wie sehr sie es nöthig haben, beweist am besten die Thatsache, daß
die Deutschen in Prag aus Angst vor den Czechen nicht gewagt haben, in
Wien zu erscheinen. Diese eine Thatsache ist beredter als alle Reden und
Toaste der Schützenhalle. Auch haben vie Oestreicher selbst im allgemeinen
Takt genug bewahrt, ihre ideale Zusammengehörigkeit mit Deutschland zu
betonen, ohne auf die Schützentribüne formulirte politische Vorschläge zu
bringen. Dies war den Schwaben vorbehalten, den Vertretern des "Landes
der Dichter und Denker", als welche sie sich bescheiden einführten. Wie
freilich der Zerreißung Deutschlands, über welche sie so beweglich Klage führ¬
ten, dadurch abgeholfen werden soll, daß ein südwestdeutscher Bund aufge¬
richtet wird gegen den norddeutschen, deren Vertreter dann zuweilen mit den
Vertretern Oestreichs zu ähnlichen harmlosen Gesprächen, wie die Schützen¬
halle sie hörte, zusammentreten würden, -- dieser "neue Plan" scheint doch auch
die Logik der Oestreicher befremdet zu haben. Wenn den Schwaben soviel
daran liegt, daß die Oestreicher wieder zu Deutschland kommen, und wenn
sie sogar, wie ein Mitglied der Fraction "Triangel" that, geloben, daß sie,
die Schwaben, dies durchsetzen werden, so ist dies gewiß herzlich gut ge¬
meint, und wir wünschen alles Glück zum Gelingen. Nur ist es dann doch
wohl nicht unbillig, wenn man von ihnen verlangt, inzwischen selbst den
Anfang zu machen, was jeden Falls mit minderen Schwierigkeiten verknüpft


kurzes Vergnügen war, und von der sich diese zum Glück wieder recht erfreu¬
lich erholt hat.

Merkwürdigerweise scheint diesmal auch bei den Wahlen des ritterschaft-
lichen Adels, der bekanntlich nebst der Geistlichkeit noch immer in unserer
zweiten Kammer vertreten ist, die Politik eine größere Rolle als sonst ge¬
spielt zu haben. Vier dieser Ritter haben aus dem vorigen Landtag, könig¬
licher als der König selbst, gegen die Verträge mit Preußen gestimmt. Ge¬
rade diese vier werden nicht mehr in der künftigen Kammer erscheinen; einer
derselben ist gestorben, die drei anderen sind von ihren Standesgenossen nicht
wieder gewählt worden. Man sucht diese Thatsache allerdings nachträglich
aus verschiedenen persönlichen und zufälligen Gründen zu erklären. Allein der
Zufall ist doch merkwürdig genug, um notirt zu werden.

Daß die Regierung sich nicht sehr beeilen wird, die neue Kammer ein¬
zuberufen . hat inzwischen der Staatsanzeiger bestätigt. Mittlerweile geben
unsere Föderativrepublikaner Gastrollen in Wien und entwickeln ihr „neues
Programm" wie sie es selbstgefällig bezeichnen, den deutschen Brüdern in
Oestreich. Der Eindruck dieser k. k. Völkerverbrüderung ist natürlich ein ge¬
mischter. Den Deutschöstreichern ist in ihrer Lage eine solche nationale Kund¬
gebung sicher nicht zu verargen, und wenn dieselbe wirklich den Erfolg hat,
sie in ihrem Kampf ums Dasein zu stärken, so ist nichts dawider einzuwen¬
den. Wie sehr sie es nöthig haben, beweist am besten die Thatsache, daß
die Deutschen in Prag aus Angst vor den Czechen nicht gewagt haben, in
Wien zu erscheinen. Diese eine Thatsache ist beredter als alle Reden und
Toaste der Schützenhalle. Auch haben vie Oestreicher selbst im allgemeinen
Takt genug bewahrt, ihre ideale Zusammengehörigkeit mit Deutschland zu
betonen, ohne auf die Schützentribüne formulirte politische Vorschläge zu
bringen. Dies war den Schwaben vorbehalten, den Vertretern des „Landes
der Dichter und Denker", als welche sie sich bescheiden einführten. Wie
freilich der Zerreißung Deutschlands, über welche sie so beweglich Klage führ¬
ten, dadurch abgeholfen werden soll, daß ein südwestdeutscher Bund aufge¬
richtet wird gegen den norddeutschen, deren Vertreter dann zuweilen mit den
Vertretern Oestreichs zu ähnlichen harmlosen Gesprächen, wie die Schützen¬
halle sie hörte, zusammentreten würden, — dieser „neue Plan" scheint doch auch
die Logik der Oestreicher befremdet zu haben. Wenn den Schwaben soviel
daran liegt, daß die Oestreicher wieder zu Deutschland kommen, und wenn
sie sogar, wie ein Mitglied der Fraction „Triangel" that, geloben, daß sie,
die Schwaben, dies durchsetzen werden, so ist dies gewiß herzlich gut ge¬
meint, und wir wünschen alles Glück zum Gelingen. Nur ist es dann doch
wohl nicht unbillig, wenn man von ihnen verlangt, inzwischen selbst den
Anfang zu machen, was jeden Falls mit minderen Schwierigkeiten verknüpft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/251>, abgerufen am 24.05.2024.