Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

1278 kamen Augustiner Einsiedler nach Eschwege und wurden freundlich
vom Stadtrathe aufgenommen, auf dessen Fürsprache ihnen die Aebtissin
des Cyriaxberges innerhalb der Stadtmauer im Süden der Stadt ein Grund¬
stück zur Einrichtung eines Klosters übergab. Durch weitere Erwerbungen
infolge von Geschenken und guter Finanz vergrößerten sie ihren Besitz
beträchtlich und bauten eine neue Klosteranlage, von deren weitem Um¬
fange noch mächtige Ringmauern Zeugniß geben. Sie hatten zahlreiche
Hospize, Vorwerke, Ländereien, Zinsen und Capital an vielen Orten. Die
Kirche liegt in Trümmern; in den andern Gebäuden befindet sich jetzt der
Renthof und das Hospital Se. Elisabeth. Bet der Säcularisation des Klosters
1527 wurden 19 Mönche abgefunden; der Prior wurde Pfarrer an der neu¬
städter Kirche. Seit 1436 vergrößerte sich Eschwege ansehnlich, die Neustadt
worde erweitert, der Neubau der Catharinenkirche begonnen, die Dionysien-
kirche vergrößert, der Nicolausthurm an der Godehardskirche und auf dem
Markte das Kaufhaus gebaut. Freilich blieb das fröhliche Gedeihen der
Stadt nicht ungetrübt. Ueberfluthung der Werra, Pest, rothe Ruhr und
Feuerschaden ängstigten die Bürger, und auch an einigen kriegerischen Unter¬
nehmungen des 15. Jahrhundert betheiligte sich die Stadt. Denn rings
umgeben von Adelssitzen, wie sie war, konnten bei ihrem Erstarken die Rei¬
bungen nicht ausbleiben.

Bedeutend war für Eschwege die Regierungszeit des Landgrafen Philipp
des Großmüthigen (1518--1567), der sie mehrmals besuchte und ihre Privi¬
legien bestätigte, wofür die Stadt dem Fürsten im Bauernkriege treu blieb
und zum Zuge gegen die Wiedertäufer -- 31 Mann stellte. Unter Wil¬
helm IV. (1567 -- 1592) war es in glücklicher Fortentwickelung begriffen.
1678 wurde das stattliche Hochzeitshaus auf dem Berge erbaut, 1581 das
Schloß neu hergestellt, auch der Zug der Landstraße durch die Stadt gelegt.
-- Landgraf Moritz (1692--1627) war ihr sehr gewogen, bestätigte ihre
Freiheiten, gab ihr noch zwei Jahrmärkte, errichtete den neuen Gasthof zum
Engel, privilegirte die erste Apotheke, machte die Werra schiffbar, setzte hier
1608 persönlich seine kirchliche Reform durch, und verschönerte das Schloß,
in welchem er auch sein 1632 thatenreiches Leben endete.

Behagliche Blüthe aber schien die Stadt nur erreicht zu haben, um in
ihr begraben zu werden. Der 30jährige Krieg brachte den Gräuel der Ver¬
wüstung auch in die lachenden Werrafluren: Plünderung, Einlagerung, Pest,
Mord und Brand streiften die Blüthen der Stadt ab. Im Juni 1623 be¬
setzte Tilly Eschwege und legte dorthin sein Hauptquartier; bei seinem Ab¬
züge brach eine pestartige Krankheit aus. Abermalige Einlagerungen Tilly-
scher vom August 1623 bis Mai 1626 und im September verweilte Wallen¬
stein mit seinen Schaaren mehrere Wochen. Nach seinem Abzüge besetzte Gras


1278 kamen Augustiner Einsiedler nach Eschwege und wurden freundlich
vom Stadtrathe aufgenommen, auf dessen Fürsprache ihnen die Aebtissin
des Cyriaxberges innerhalb der Stadtmauer im Süden der Stadt ein Grund¬
stück zur Einrichtung eines Klosters übergab. Durch weitere Erwerbungen
infolge von Geschenken und guter Finanz vergrößerten sie ihren Besitz
beträchtlich und bauten eine neue Klosteranlage, von deren weitem Um¬
fange noch mächtige Ringmauern Zeugniß geben. Sie hatten zahlreiche
Hospize, Vorwerke, Ländereien, Zinsen und Capital an vielen Orten. Die
Kirche liegt in Trümmern; in den andern Gebäuden befindet sich jetzt der
Renthof und das Hospital Se. Elisabeth. Bet der Säcularisation des Klosters
1527 wurden 19 Mönche abgefunden; der Prior wurde Pfarrer an der neu¬
städter Kirche. Seit 1436 vergrößerte sich Eschwege ansehnlich, die Neustadt
worde erweitert, der Neubau der Catharinenkirche begonnen, die Dionysien-
kirche vergrößert, der Nicolausthurm an der Godehardskirche und auf dem
Markte das Kaufhaus gebaut. Freilich blieb das fröhliche Gedeihen der
Stadt nicht ungetrübt. Ueberfluthung der Werra, Pest, rothe Ruhr und
Feuerschaden ängstigten die Bürger, und auch an einigen kriegerischen Unter¬
nehmungen des 15. Jahrhundert betheiligte sich die Stadt. Denn rings
umgeben von Adelssitzen, wie sie war, konnten bei ihrem Erstarken die Rei¬
bungen nicht ausbleiben.

Bedeutend war für Eschwege die Regierungszeit des Landgrafen Philipp
des Großmüthigen (1518—1567), der sie mehrmals besuchte und ihre Privi¬
legien bestätigte, wofür die Stadt dem Fürsten im Bauernkriege treu blieb
und zum Zuge gegen die Wiedertäufer — 31 Mann stellte. Unter Wil¬
helm IV. (1567 — 1592) war es in glücklicher Fortentwickelung begriffen.
1678 wurde das stattliche Hochzeitshaus auf dem Berge erbaut, 1581 das
Schloß neu hergestellt, auch der Zug der Landstraße durch die Stadt gelegt.
— Landgraf Moritz (1692—1627) war ihr sehr gewogen, bestätigte ihre
Freiheiten, gab ihr noch zwei Jahrmärkte, errichtete den neuen Gasthof zum
Engel, privilegirte die erste Apotheke, machte die Werra schiffbar, setzte hier
1608 persönlich seine kirchliche Reform durch, und verschönerte das Schloß,
in welchem er auch sein 1632 thatenreiches Leben endete.

Behagliche Blüthe aber schien die Stadt nur erreicht zu haben, um in
ihr begraben zu werden. Der 30jährige Krieg brachte den Gräuel der Ver¬
wüstung auch in die lachenden Werrafluren: Plünderung, Einlagerung, Pest,
Mord und Brand streiften die Blüthen der Stadt ab. Im Juni 1623 be¬
setzte Tilly Eschwege und legte dorthin sein Hauptquartier; bei seinem Ab¬
züge brach eine pestartige Krankheit aus. Abermalige Einlagerungen Tilly-
scher vom August 1623 bis Mai 1626 und im September verweilte Wallen¬
stein mit seinen Schaaren mehrere Wochen. Nach seinem Abzüge besetzte Gras


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287044"/>
            <p xml:id="ID_843"> 1278 kamen Augustiner Einsiedler nach Eschwege und wurden freundlich<lb/>
vom Stadtrathe aufgenommen, auf dessen Fürsprache ihnen die Aebtissin<lb/>
des Cyriaxberges innerhalb der Stadtmauer im Süden der Stadt ein Grund¬<lb/>
stück zur Einrichtung eines Klosters übergab. Durch weitere Erwerbungen<lb/>
infolge von Geschenken und guter Finanz vergrößerten sie ihren Besitz<lb/>
beträchtlich und bauten eine neue Klosteranlage, von deren weitem Um¬<lb/>
fange noch mächtige Ringmauern Zeugniß geben. Sie hatten zahlreiche<lb/>
Hospize, Vorwerke, Ländereien, Zinsen und Capital an vielen Orten. Die<lb/>
Kirche liegt in Trümmern; in den andern Gebäuden befindet sich jetzt der<lb/>
Renthof und das Hospital Se. Elisabeth. Bet der Säcularisation des Klosters<lb/>
1527 wurden 19 Mönche abgefunden; der Prior wurde Pfarrer an der neu¬<lb/>
städter Kirche. Seit 1436 vergrößerte sich Eschwege ansehnlich, die Neustadt<lb/>
worde erweitert, der Neubau der Catharinenkirche begonnen, die Dionysien-<lb/>
kirche vergrößert, der Nicolausthurm an der Godehardskirche und auf dem<lb/>
Markte das Kaufhaus gebaut. Freilich blieb das fröhliche Gedeihen der<lb/>
Stadt nicht ungetrübt. Ueberfluthung der Werra, Pest, rothe Ruhr und<lb/>
Feuerschaden ängstigten die Bürger, und auch an einigen kriegerischen Unter¬<lb/>
nehmungen des 15. Jahrhundert betheiligte sich die Stadt. Denn rings<lb/>
umgeben von Adelssitzen, wie sie war, konnten bei ihrem Erstarken die Rei¬<lb/>
bungen nicht ausbleiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_844"> Bedeutend war für Eschwege die Regierungszeit des Landgrafen Philipp<lb/>
des Großmüthigen (1518&#x2014;1567), der sie mehrmals besuchte und ihre Privi¬<lb/>
legien bestätigte, wofür die Stadt dem Fürsten im Bauernkriege treu blieb<lb/>
und zum Zuge gegen die Wiedertäufer &#x2014; 31 Mann stellte. Unter Wil¬<lb/>
helm IV. (1567 &#x2014; 1592) war es in glücklicher Fortentwickelung begriffen.<lb/>
1678 wurde das stattliche Hochzeitshaus auf dem Berge erbaut, 1581 das<lb/>
Schloß neu hergestellt, auch der Zug der Landstraße durch die Stadt gelegt.<lb/>
&#x2014; Landgraf Moritz (1692&#x2014;1627) war ihr sehr gewogen, bestätigte ihre<lb/>
Freiheiten, gab ihr noch zwei Jahrmärkte, errichtete den neuen Gasthof zum<lb/>
Engel, privilegirte die erste Apotheke, machte die Werra schiffbar, setzte hier<lb/>
1608 persönlich seine kirchliche Reform durch, und verschönerte das Schloß,<lb/>
in welchem er auch sein 1632 thatenreiches Leben endete.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_845" next="#ID_846"> Behagliche Blüthe aber schien die Stadt nur erreicht zu haben, um in<lb/>
ihr begraben zu werden. Der 30jährige Krieg brachte den Gräuel der Ver¬<lb/>
wüstung auch in die lachenden Werrafluren: Plünderung, Einlagerung, Pest,<lb/>
Mord und Brand streiften die Blüthen der Stadt ab. Im Juni 1623 be¬<lb/>
setzte Tilly Eschwege und legte dorthin sein Hauptquartier; bei seinem Ab¬<lb/>
züge brach eine pestartige Krankheit aus. Abermalige Einlagerungen Tilly-<lb/>
scher vom August 1623 bis Mai 1626 und im September verweilte Wallen¬<lb/>
stein mit seinen Schaaren mehrere Wochen.  Nach seinem Abzüge besetzte Gras</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] 1278 kamen Augustiner Einsiedler nach Eschwege und wurden freundlich vom Stadtrathe aufgenommen, auf dessen Fürsprache ihnen die Aebtissin des Cyriaxberges innerhalb der Stadtmauer im Süden der Stadt ein Grund¬ stück zur Einrichtung eines Klosters übergab. Durch weitere Erwerbungen infolge von Geschenken und guter Finanz vergrößerten sie ihren Besitz beträchtlich und bauten eine neue Klosteranlage, von deren weitem Um¬ fange noch mächtige Ringmauern Zeugniß geben. Sie hatten zahlreiche Hospize, Vorwerke, Ländereien, Zinsen und Capital an vielen Orten. Die Kirche liegt in Trümmern; in den andern Gebäuden befindet sich jetzt der Renthof und das Hospital Se. Elisabeth. Bet der Säcularisation des Klosters 1527 wurden 19 Mönche abgefunden; der Prior wurde Pfarrer an der neu¬ städter Kirche. Seit 1436 vergrößerte sich Eschwege ansehnlich, die Neustadt worde erweitert, der Neubau der Catharinenkirche begonnen, die Dionysien- kirche vergrößert, der Nicolausthurm an der Godehardskirche und auf dem Markte das Kaufhaus gebaut. Freilich blieb das fröhliche Gedeihen der Stadt nicht ungetrübt. Ueberfluthung der Werra, Pest, rothe Ruhr und Feuerschaden ängstigten die Bürger, und auch an einigen kriegerischen Unter¬ nehmungen des 15. Jahrhundert betheiligte sich die Stadt. Denn rings umgeben von Adelssitzen, wie sie war, konnten bei ihrem Erstarken die Rei¬ bungen nicht ausbleiben. Bedeutend war für Eschwege die Regierungszeit des Landgrafen Philipp des Großmüthigen (1518—1567), der sie mehrmals besuchte und ihre Privi¬ legien bestätigte, wofür die Stadt dem Fürsten im Bauernkriege treu blieb und zum Zuge gegen die Wiedertäufer — 31 Mann stellte. Unter Wil¬ helm IV. (1567 — 1592) war es in glücklicher Fortentwickelung begriffen. 1678 wurde das stattliche Hochzeitshaus auf dem Berge erbaut, 1581 das Schloß neu hergestellt, auch der Zug der Landstraße durch die Stadt gelegt. — Landgraf Moritz (1692—1627) war ihr sehr gewogen, bestätigte ihre Freiheiten, gab ihr noch zwei Jahrmärkte, errichtete den neuen Gasthof zum Engel, privilegirte die erste Apotheke, machte die Werra schiffbar, setzte hier 1608 persönlich seine kirchliche Reform durch, und verschönerte das Schloß, in welchem er auch sein 1632 thatenreiches Leben endete. Behagliche Blüthe aber schien die Stadt nur erreicht zu haben, um in ihr begraben zu werden. Der 30jährige Krieg brachte den Gräuel der Ver¬ wüstung auch in die lachenden Werrafluren: Plünderung, Einlagerung, Pest, Mord und Brand streiften die Blüthen der Stadt ab. Im Juni 1623 be¬ setzte Tilly Eschwege und legte dorthin sein Hauptquartier; bei seinem Ab¬ züge brach eine pestartige Krankheit aus. Abermalige Einlagerungen Tilly- scher vom August 1623 bis Mai 1626 und im September verweilte Wallen¬ stein mit seinen Schaaren mehrere Wochen. Nach seinem Abzüge besetzte Gras

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/332>, abgerufen am 18.06.2024.