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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Merode die Stadt. Im August 1626 zog Wurmb mit Schaaren Georgs
von Lüneburg in Eschwege ein und im November baierisch-ligistische Trup¬
pen, um daselbst Winterquartier zu halten, und das durch Pest, Mißernte
und Contributionen gänzlich ausgesogene Volk wurde mit solchem Ungestüme
bedrängt, daß man eine allgemeine Auswanderung der Einwohner besorgte.
Die furchtbarsten Bedrängnisse währten bis zur Ankunft Gustav Adolphs
1631. Doch schon im Juni 1632 fielen wieder Pappenheimische Croaten
ein und brandschatzten die Stadt. Sonnabends vor Jubilate 1626 fiel ein
bedeutendes Scharmützel bei Eschwege vor, durch welches die kaiserlichen
Obersten, welche Eschwege überfallen wollten, von dem hessischen Major
von Herda blutig zurückgeschlagen wurden und zur Revanche äscherten die
erbitterten Croaten 14 Dörfer der Umgegend ein. 1636 hausten die Kai¬
serlichen unter Hatzfeld und später unter Götz und gegen Ende des Jahres
die Schweden unter Banner in Eschwege. Das Schrecklichste ereignete sich
am Gründonnersttag 1637. Beim Gerücht vom Anmarsch der kaiserlichen
Croaten erfolgte eine allgemeine Flucht der Bewohner; das 1100 Häuser
zählende, schon mehr als 20 mal ausgeplünderte Eschwege war menschenleer,
nur Wenige zurückgeblieben. Jetzt zog die Verheerung über die arme
Stadt, die in jener Osterzeit Drangsale erlitt, von welchen wieder auf¬
zuerstehen nur deutscher Bürgerzähigkeit gelingen kann. Am 20. April wurde
Eschwege an mehreren Orten angesteckt, zugleich mit mehreren Dörfern der
Umgegend und in wenigen Tagen lag die Stadt in Schutt und Asche. Die
Bürgerschaft hatte sich zerstreut und der einst blühende Ort war eine Stätte
des Jammers geworden. Nur langsam ging der Wiederaufbau von statten.
1640 im Juni lagerte Banner mit einem großen Heere in Eschwege und
in der Umgegend. 1646 zog Wrangel und 1647 Melander durch. Nun
kam der Friede, aber die Genesung blieb lange aus.

Auch der 7jährige Krieg (1756--1763) ging nicht vorüber, ohne der
Stadt Eschwege Spuren einzudrücken. Zwei Jahre hielt daselbst ein fran¬
zösisches Reiterregiment Winterquartier. -- Als 1806 die Franzosen Hessen
besetzt hatten, entstand in Eschwege gegen die neue westphälische Regierung
eine militärische Revolte, nach deren Unterdrückung fünf ehemalige Soldaten
zu Eschwege erschossen wurden.

In neuester Zeit aber ist das städtische Leben nach allen Seiten hin in
der glücklichsten Entwickelung begriffen und hat bereits eine Höhe erreicht,
auf der die Stadt nie zuvor gestanden. Handel und Gewerbe blühen, der
Wohlstand wächst zusehends und die Einwohnerzahl mehrt sich von Jahr
^ Jahr.*) In die Gemeinschaft der preußischen Städte ist Eschwege mit



') Wir empfehlen die fleißige "Gesch. der Stadt Eschwege" von Julius, E. Chr, Schulrate
""druckt zu Eschw. im Verlag der Stadt 1857.

Merode die Stadt. Im August 1626 zog Wurmb mit Schaaren Georgs
von Lüneburg in Eschwege ein und im November baierisch-ligistische Trup¬
pen, um daselbst Winterquartier zu halten, und das durch Pest, Mißernte
und Contributionen gänzlich ausgesogene Volk wurde mit solchem Ungestüme
bedrängt, daß man eine allgemeine Auswanderung der Einwohner besorgte.
Die furchtbarsten Bedrängnisse währten bis zur Ankunft Gustav Adolphs
1631. Doch schon im Juni 1632 fielen wieder Pappenheimische Croaten
ein und brandschatzten die Stadt. Sonnabends vor Jubilate 1626 fiel ein
bedeutendes Scharmützel bei Eschwege vor, durch welches die kaiserlichen
Obersten, welche Eschwege überfallen wollten, von dem hessischen Major
von Herda blutig zurückgeschlagen wurden und zur Revanche äscherten die
erbitterten Croaten 14 Dörfer der Umgegend ein. 1636 hausten die Kai¬
serlichen unter Hatzfeld und später unter Götz und gegen Ende des Jahres
die Schweden unter Banner in Eschwege. Das Schrecklichste ereignete sich
am Gründonnersttag 1637. Beim Gerücht vom Anmarsch der kaiserlichen
Croaten erfolgte eine allgemeine Flucht der Bewohner; das 1100 Häuser
zählende, schon mehr als 20 mal ausgeplünderte Eschwege war menschenleer,
nur Wenige zurückgeblieben. Jetzt zog die Verheerung über die arme
Stadt, die in jener Osterzeit Drangsale erlitt, von welchen wieder auf¬
zuerstehen nur deutscher Bürgerzähigkeit gelingen kann. Am 20. April wurde
Eschwege an mehreren Orten angesteckt, zugleich mit mehreren Dörfern der
Umgegend und in wenigen Tagen lag die Stadt in Schutt und Asche. Die
Bürgerschaft hatte sich zerstreut und der einst blühende Ort war eine Stätte
des Jammers geworden. Nur langsam ging der Wiederaufbau von statten.
1640 im Juni lagerte Banner mit einem großen Heere in Eschwege und
in der Umgegend. 1646 zog Wrangel und 1647 Melander durch. Nun
kam der Friede, aber die Genesung blieb lange aus.

Auch der 7jährige Krieg (1756—1763) ging nicht vorüber, ohne der
Stadt Eschwege Spuren einzudrücken. Zwei Jahre hielt daselbst ein fran¬
zösisches Reiterregiment Winterquartier. — Als 1806 die Franzosen Hessen
besetzt hatten, entstand in Eschwege gegen die neue westphälische Regierung
eine militärische Revolte, nach deren Unterdrückung fünf ehemalige Soldaten
zu Eschwege erschossen wurden.

In neuester Zeit aber ist das städtische Leben nach allen Seiten hin in
der glücklichsten Entwickelung begriffen und hat bereits eine Höhe erreicht,
auf der die Stadt nie zuvor gestanden. Handel und Gewerbe blühen, der
Wohlstand wächst zusehends und die Einwohnerzahl mehrt sich von Jahr
^ Jahr.*) In die Gemeinschaft der preußischen Städte ist Eschwege mit



') Wir empfehlen die fleißige „Gesch. der Stadt Eschwege" von Julius, E. Chr, Schulrate
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[0333] Merode die Stadt. Im August 1626 zog Wurmb mit Schaaren Georgs von Lüneburg in Eschwege ein und im November baierisch-ligistische Trup¬ pen, um daselbst Winterquartier zu halten, und das durch Pest, Mißernte und Contributionen gänzlich ausgesogene Volk wurde mit solchem Ungestüme bedrängt, daß man eine allgemeine Auswanderung der Einwohner besorgte. Die furchtbarsten Bedrängnisse währten bis zur Ankunft Gustav Adolphs 1631. Doch schon im Juni 1632 fielen wieder Pappenheimische Croaten ein und brandschatzten die Stadt. Sonnabends vor Jubilate 1626 fiel ein bedeutendes Scharmützel bei Eschwege vor, durch welches die kaiserlichen Obersten, welche Eschwege überfallen wollten, von dem hessischen Major von Herda blutig zurückgeschlagen wurden und zur Revanche äscherten die erbitterten Croaten 14 Dörfer der Umgegend ein. 1636 hausten die Kai¬ serlichen unter Hatzfeld und später unter Götz und gegen Ende des Jahres die Schweden unter Banner in Eschwege. Das Schrecklichste ereignete sich am Gründonnersttag 1637. Beim Gerücht vom Anmarsch der kaiserlichen Croaten erfolgte eine allgemeine Flucht der Bewohner; das 1100 Häuser zählende, schon mehr als 20 mal ausgeplünderte Eschwege war menschenleer, nur Wenige zurückgeblieben. Jetzt zog die Verheerung über die arme Stadt, die in jener Osterzeit Drangsale erlitt, von welchen wieder auf¬ zuerstehen nur deutscher Bürgerzähigkeit gelingen kann. Am 20. April wurde Eschwege an mehreren Orten angesteckt, zugleich mit mehreren Dörfern der Umgegend und in wenigen Tagen lag die Stadt in Schutt und Asche. Die Bürgerschaft hatte sich zerstreut und der einst blühende Ort war eine Stätte des Jammers geworden. Nur langsam ging der Wiederaufbau von statten. 1640 im Juni lagerte Banner mit einem großen Heere in Eschwege und in der Umgegend. 1646 zog Wrangel und 1647 Melander durch. Nun kam der Friede, aber die Genesung blieb lange aus. Auch der 7jährige Krieg (1756—1763) ging nicht vorüber, ohne der Stadt Eschwege Spuren einzudrücken. Zwei Jahre hielt daselbst ein fran¬ zösisches Reiterregiment Winterquartier. — Als 1806 die Franzosen Hessen besetzt hatten, entstand in Eschwege gegen die neue westphälische Regierung eine militärische Revolte, nach deren Unterdrückung fünf ehemalige Soldaten zu Eschwege erschossen wurden. In neuester Zeit aber ist das städtische Leben nach allen Seiten hin in der glücklichsten Entwickelung begriffen und hat bereits eine Höhe erreicht, auf der die Stadt nie zuvor gestanden. Handel und Gewerbe blühen, der Wohlstand wächst zusehends und die Einwohnerzahl mehrt sich von Jahr ^ Jahr.*) In die Gemeinschaft der preußischen Städte ist Eschwege mit ') Wir empfehlen die fleißige „Gesch. der Stadt Eschwege" von Julius, E. Chr, Schulrate »«druckt zu Eschw. im Verlag der Stadt 1857.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/333>, abgerufen am 18.05.2024.