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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Interesse sein, zu erfahren, wie man in den leitenden Kreisen dort über die
wichtigsten Fragen der Wirthschaftspolitik denkt. Es ist namentlich für die
deutsche Industrie von nicht geringer Wichtigkeit, fortlaufend das Material
zur Beurtheilung von Fragen zu erhalten, die auf die eine oder andere Weise,
früher oder später gelöst, auf die deutsche Gewerbthätigkeit immer einen nicht
zu unterschätzenden Einfluß üben müssen.

Was zunächst die Tarifreform betrifft, so empfahl der Schatzsecretair in
seinem diesjährigen Bericht weder eine Erhöhung noch eine Ermäßigung
der jetzt bestehenden exorbitanten Zölle, wohl aber eine Revision, die eine
größere Harmonie zwischen den Zöllen und den einheimischen Fabrikations¬
steuern zum Zweck haben sollte. Die Thatsache, daß trotz der in vielen
Fällen der Prohibition völlig gleichkommenden hohen Zollsätze der Import des
vorigen Jahres den aller früheren Jahre um ein erhebliches übertroffen,
erklärt sich neben der die Einfuhr begünstigenden, die Ausfuhr schmälernden
Papierwirthschaft aus der Benachtheiligung, der die amerikanischen Fabri¬
kanten durch zum Theil in sehr irrationeller Weise aufgelegte Steuern aus¬
gesetzt sind. Manche Artikel können Dank der enormen Besteuerung des
heimischen Produktes trotz der hohen Zölle vom Auslande immer noch
wohlfeiler bezogen werden als sie das Inland zu liefern vermag.

Es scheint nur billig, daß die schreienden Ungerechtigkeiten der Fabrika¬
tionssteuer einer Revision unterzogen werden. Man hat bei Festsetzung dersel¬
ben außer Acht gelassen, daß es eine Anzahl Fabrikate gibt, die aus Zusammen¬
setzung nicht von Rohstoffen, sondern von anderen Fabrikaten bestehen, und daß
eine Besteuerung der einzelnen Theile und schließlich auch noch des Ganzen
doch des Guten zu viel thut. Als ein in die Augen fallendes Beispiel der
aus so oberflächlicher Gesetzgebung entspringenden Uebelstände nennen wir
die Schirmfabrikation, die durch Steuern jetzt nahezu ruinirt ist. Da ist
der Stock einer besonderen Steuer unterworfen, die Reifen, Ueber¬
züge, die Troddeln, Bänder, Griffe :c. sind jedes wieder specielles Ob¬
ject der Steuernase, und schließlich wird der ganze Schirm noch einmal von
der Fabrikationssteuer getroffen. Während die letztere fünf oder sechs Pro¬
cent ihres Verkaufswerthes betragen soll, beträgt sie durch die vorherige
Besteuerung der einzelnen Bestandtheile in Wirklichkeit Is, 20 bis 30 Pro¬
cent. Und ähnliche Fälle ließen sich viele anführen. Die Untersuchungs¬
commission empfahl daher auf Grund sehr vielseitiger und eingehender Er¬
hebungen, die Fabrikationssteuer zu ermäßigen und sie allmählich ganz zu
beseitigen, und zugleich viele Positionen des Zolltarifs mit den Besteue¬
rungssätzen in größeren Einklang zu bringen. Der Bericht des Steuer¬
direktors gibt in dieser Hinsicht schon beherzigenswerthe Fingerzeige; auffuhr-


Interesse sein, zu erfahren, wie man in den leitenden Kreisen dort über die
wichtigsten Fragen der Wirthschaftspolitik denkt. Es ist namentlich für die
deutsche Industrie von nicht geringer Wichtigkeit, fortlaufend das Material
zur Beurtheilung von Fragen zu erhalten, die auf die eine oder andere Weise,
früher oder später gelöst, auf die deutsche Gewerbthätigkeit immer einen nicht
zu unterschätzenden Einfluß üben müssen.

Was zunächst die Tarifreform betrifft, so empfahl der Schatzsecretair in
seinem diesjährigen Bericht weder eine Erhöhung noch eine Ermäßigung
der jetzt bestehenden exorbitanten Zölle, wohl aber eine Revision, die eine
größere Harmonie zwischen den Zöllen und den einheimischen Fabrikations¬
steuern zum Zweck haben sollte. Die Thatsache, daß trotz der in vielen
Fällen der Prohibition völlig gleichkommenden hohen Zollsätze der Import des
vorigen Jahres den aller früheren Jahre um ein erhebliches übertroffen,
erklärt sich neben der die Einfuhr begünstigenden, die Ausfuhr schmälernden
Papierwirthschaft aus der Benachtheiligung, der die amerikanischen Fabri¬
kanten durch zum Theil in sehr irrationeller Weise aufgelegte Steuern aus¬
gesetzt sind. Manche Artikel können Dank der enormen Besteuerung des
heimischen Produktes trotz der hohen Zölle vom Auslande immer noch
wohlfeiler bezogen werden als sie das Inland zu liefern vermag.

Es scheint nur billig, daß die schreienden Ungerechtigkeiten der Fabrika¬
tionssteuer einer Revision unterzogen werden. Man hat bei Festsetzung dersel¬
ben außer Acht gelassen, daß es eine Anzahl Fabrikate gibt, die aus Zusammen¬
setzung nicht von Rohstoffen, sondern von anderen Fabrikaten bestehen, und daß
eine Besteuerung der einzelnen Theile und schließlich auch noch des Ganzen
doch des Guten zu viel thut. Als ein in die Augen fallendes Beispiel der
aus so oberflächlicher Gesetzgebung entspringenden Uebelstände nennen wir
die Schirmfabrikation, die durch Steuern jetzt nahezu ruinirt ist. Da ist
der Stock einer besonderen Steuer unterworfen, die Reifen, Ueber¬
züge, die Troddeln, Bänder, Griffe :c. sind jedes wieder specielles Ob¬
ject der Steuernase, und schließlich wird der ganze Schirm noch einmal von
der Fabrikationssteuer getroffen. Während die letztere fünf oder sechs Pro¬
cent ihres Verkaufswerthes betragen soll, beträgt sie durch die vorherige
Besteuerung der einzelnen Bestandtheile in Wirklichkeit Is, 20 bis 30 Pro¬
cent. Und ähnliche Fälle ließen sich viele anführen. Die Untersuchungs¬
commission empfahl daher auf Grund sehr vielseitiger und eingehender Er¬
hebungen, die Fabrikationssteuer zu ermäßigen und sie allmählich ganz zu
beseitigen, und zugleich viele Positionen des Zolltarifs mit den Besteue¬
rungssätzen in größeren Einklang zu bringen. Der Bericht des Steuer¬
direktors gibt in dieser Hinsicht schon beherzigenswerthe Fingerzeige; auffuhr-


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[0068] Interesse sein, zu erfahren, wie man in den leitenden Kreisen dort über die wichtigsten Fragen der Wirthschaftspolitik denkt. Es ist namentlich für die deutsche Industrie von nicht geringer Wichtigkeit, fortlaufend das Material zur Beurtheilung von Fragen zu erhalten, die auf die eine oder andere Weise, früher oder später gelöst, auf die deutsche Gewerbthätigkeit immer einen nicht zu unterschätzenden Einfluß üben müssen. Was zunächst die Tarifreform betrifft, so empfahl der Schatzsecretair in seinem diesjährigen Bericht weder eine Erhöhung noch eine Ermäßigung der jetzt bestehenden exorbitanten Zölle, wohl aber eine Revision, die eine größere Harmonie zwischen den Zöllen und den einheimischen Fabrikations¬ steuern zum Zweck haben sollte. Die Thatsache, daß trotz der in vielen Fällen der Prohibition völlig gleichkommenden hohen Zollsätze der Import des vorigen Jahres den aller früheren Jahre um ein erhebliches übertroffen, erklärt sich neben der die Einfuhr begünstigenden, die Ausfuhr schmälernden Papierwirthschaft aus der Benachtheiligung, der die amerikanischen Fabri¬ kanten durch zum Theil in sehr irrationeller Weise aufgelegte Steuern aus¬ gesetzt sind. Manche Artikel können Dank der enormen Besteuerung des heimischen Produktes trotz der hohen Zölle vom Auslande immer noch wohlfeiler bezogen werden als sie das Inland zu liefern vermag. Es scheint nur billig, daß die schreienden Ungerechtigkeiten der Fabrika¬ tionssteuer einer Revision unterzogen werden. Man hat bei Festsetzung dersel¬ ben außer Acht gelassen, daß es eine Anzahl Fabrikate gibt, die aus Zusammen¬ setzung nicht von Rohstoffen, sondern von anderen Fabrikaten bestehen, und daß eine Besteuerung der einzelnen Theile und schließlich auch noch des Ganzen doch des Guten zu viel thut. Als ein in die Augen fallendes Beispiel der aus so oberflächlicher Gesetzgebung entspringenden Uebelstände nennen wir die Schirmfabrikation, die durch Steuern jetzt nahezu ruinirt ist. Da ist der Stock einer besonderen Steuer unterworfen, die Reifen, Ueber¬ züge, die Troddeln, Bänder, Griffe :c. sind jedes wieder specielles Ob¬ ject der Steuernase, und schließlich wird der ganze Schirm noch einmal von der Fabrikationssteuer getroffen. Während die letztere fünf oder sechs Pro¬ cent ihres Verkaufswerthes betragen soll, beträgt sie durch die vorherige Besteuerung der einzelnen Bestandtheile in Wirklichkeit Is, 20 bis 30 Pro¬ cent. Und ähnliche Fälle ließen sich viele anführen. Die Untersuchungs¬ commission empfahl daher auf Grund sehr vielseitiger und eingehender Er¬ hebungen, die Fabrikationssteuer zu ermäßigen und sie allmählich ganz zu beseitigen, und zugleich viele Positionen des Zolltarifs mit den Besteue¬ rungssätzen in größeren Einklang zu bringen. Der Bericht des Steuer¬ direktors gibt in dieser Hinsicht schon beherzigenswerthe Fingerzeige; auffuhr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/68>, abgerufen am 26.05.2024.