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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Sachen wird einmal der particularistische Widerstand gebrochen, die-Organe des
Bundes sind viel zu schwach, um eine Controle über Ausführung der Bundes¬
gesetze in den einzelnen Ländern auszuüben. Wahrscheinlich hat man im
Bundeskanzleramt und ganz sicher hat man bei den einzelnen Bundesregie¬
rungen nicht die Ansicht, daß der Bund zu rücksichtsvoll gegen das souve-
raine Interesse der einzelnen Bundesstaaten sei. eher das Gegentheil. Dennoch
wurde, wie uns scheint, der nationalen Partei gutes Recht, über zu große
Connivenz zu klagen.

Vielleicht ist ein Fehler in der Methode. Große Reformen, welche das
gesammte Staatsleben einer Nation umgestalten sollen, verlangen auch in
der Ausführung einen Schwung, eine unwiderstehliche Energie und eine be¬
geisterte' Mitwirkung der besten Kräfte einer Nation, welche hartnäckigen
Widerstand brechen. Die übermäßige Abnutzung der parlamentarischen Ma¬
schinerie in diesen Jahren, das stückweise wie zufällige Verleihen einzelner
Freiheiten haben uns gelähmt. Es ist eine vergebliche Hoffnung, durch die
schonende Behandlung der kleineren Regierungen die Abneigung ihrer Höfe
gegen den Bund zu besiegen. Im Gegentheil, ihnen erscheint dies Verfahren doch
als ein langsames Hinopfern, weit schmerzhafter und unerträglicher als schneller
Zwang, und sie sind auch für einzelne große Concessionen wenig dankbar.

Diese ziemlich allgemeine Mißstimmung der kleinen Landesherren gegen
die Bundesbehörde wird nicht nur durch die Finanznoth ihrer Territorien
gesteigert, noch mehr dadurch, daß sie ihre ersten Beamten im Bundesrath
bei der hohen Gesetzgebung thätig und einflußreich sehen und argwöhnisch
beobachten, wie diese alten getreuen Mitregenten ihres Landes, trotz stillen
Seufzern doch von dem neuen großartigen Wesen angezogen werden und
einen gewissen Bundeseifer bekommen, während sie selbst thatenlos und passiv
die Decrete des Bundes erwarten. Das ist jetzt freilich nicht zu ändern, es
war vor zwei Jahren dringend geboten die Maschinerie des Bundes so ein¬
fach als möglich zu machen. Aber es bleibt ein Uebelstand, daß unsere Für¬
sten nur mit ihrem schwächeren Theil, mit Egoismus und Furcht an der
Idee des Bundes betheiligt, und daß nicht sie, sondern ihre Beamten die
großen und thätigen Peers des Bundes geworden sind. Wen man con-
serviren will und muß, dem soll man auch Verhältnisse gönnen, welche ihn
stärker machen, aber nicht schwächer.

Wenn wir erst die Uebergangszeit und mit ihr das preußische Herren¬
haus überwunden haben, dann wird auch für die Bundesfürsten, als
Herren im Bundesrath eine persönliche Thätigkeit möglich und wünschens-
werth werden, ohne daß zwei Häuser des Reichstags geschaffen werden und
ohne daß der Hoheit unserer Herren zugemuthet wird in Gegenwart der
Reichstagsmitglieder zu debattiren.


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Sachen wird einmal der particularistische Widerstand gebrochen, die-Organe des
Bundes sind viel zu schwach, um eine Controle über Ausführung der Bundes¬
gesetze in den einzelnen Ländern auszuüben. Wahrscheinlich hat man im
Bundeskanzleramt und ganz sicher hat man bei den einzelnen Bundesregie¬
rungen nicht die Ansicht, daß der Bund zu rücksichtsvoll gegen das souve-
raine Interesse der einzelnen Bundesstaaten sei. eher das Gegentheil. Dennoch
wurde, wie uns scheint, der nationalen Partei gutes Recht, über zu große
Connivenz zu klagen.

Vielleicht ist ein Fehler in der Methode. Große Reformen, welche das
gesammte Staatsleben einer Nation umgestalten sollen, verlangen auch in
der Ausführung einen Schwung, eine unwiderstehliche Energie und eine be¬
geisterte' Mitwirkung der besten Kräfte einer Nation, welche hartnäckigen
Widerstand brechen. Die übermäßige Abnutzung der parlamentarischen Ma¬
schinerie in diesen Jahren, das stückweise wie zufällige Verleihen einzelner
Freiheiten haben uns gelähmt. Es ist eine vergebliche Hoffnung, durch die
schonende Behandlung der kleineren Regierungen die Abneigung ihrer Höfe
gegen den Bund zu besiegen. Im Gegentheil, ihnen erscheint dies Verfahren doch
als ein langsames Hinopfern, weit schmerzhafter und unerträglicher als schneller
Zwang, und sie sind auch für einzelne große Concessionen wenig dankbar.

Diese ziemlich allgemeine Mißstimmung der kleinen Landesherren gegen
die Bundesbehörde wird nicht nur durch die Finanznoth ihrer Territorien
gesteigert, noch mehr dadurch, daß sie ihre ersten Beamten im Bundesrath
bei der hohen Gesetzgebung thätig und einflußreich sehen und argwöhnisch
beobachten, wie diese alten getreuen Mitregenten ihres Landes, trotz stillen
Seufzern doch von dem neuen großartigen Wesen angezogen werden und
einen gewissen Bundeseifer bekommen, während sie selbst thatenlos und passiv
die Decrete des Bundes erwarten. Das ist jetzt freilich nicht zu ändern, es
war vor zwei Jahren dringend geboten die Maschinerie des Bundes so ein¬
fach als möglich zu machen. Aber es bleibt ein Uebelstand, daß unsere Für¬
sten nur mit ihrem schwächeren Theil, mit Egoismus und Furcht an der
Idee des Bundes betheiligt, und daß nicht sie, sondern ihre Beamten die
großen und thätigen Peers des Bundes geworden sind. Wen man con-
serviren will und muß, dem soll man auch Verhältnisse gönnen, welche ihn
stärker machen, aber nicht schwächer.

Wenn wir erst die Uebergangszeit und mit ihr das preußische Herren¬
haus überwunden haben, dann wird auch für die Bundesfürsten, als
Herren im Bundesrath eine persönliche Thätigkeit möglich und wünschens-
werth werden, ohne daß zwei Häuser des Reichstags geschaffen werden und
ohne daß der Hoheit unserer Herren zugemuthet wird in Gegenwart der
Reichstagsmitglieder zu debattiren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/11>, abgerufen am 16.06.2024.