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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Haupt. Kohlen und Erze bilden heute die Unterlage fast der
der gesammten modernen Industrie, und wie namentlich die Ent¬
wickelung der Macht und der Steuerkraft der Länder von der höchsten
Bedeutung, so ist auch für die meisten Bahnen der billigstmöglich e
Transport dieser und anderer Massengüter die Grundbedingung für
die Entwickelung der Industrie im Bahngebiete überhaupt.

Die finanzielle Bedeutung des Transportes von Massengütern ist frei¬
lich für die einzelnen deutschen Bahnen eine sehr verschiedene, aber allen
kommt es in größerem oder geringerem Maße zu gut. wenn die industrielle
Thätigkeit des Inlandes gesteigert, wenn unser Vaterland durch die ein¬
sichtsvolle Mitwirkung der als Factoren der industriellen Pro-
duction so maßgebenden Eisenbahnen mehr und mehr befähigt
wird, mit den fortgeschrittenen Industriestaaten England, Belgien und
Frankreich auf dem Weltmarkte zu concurriren."

Die Wichtigkeit der Einführung des Einpfennigtarifs für die einzelnen
Artikel, namentlich für Kohlen, ist bereits durch zahlreiche Ersahrungen fest¬
gestellt worden. Ein Beispiel statt vieler. Während Bremen 1859 nur 139
Last deutsche Steinkohlen bezog, hatte dieser Hafenplatz 1867 schon 8690 Last
bezogen, so daß durch sie 92 Procent des ganzen Kohlenbedarss gedeckt
würden.

Und dennoch, wie weit sind wir auch im Kohlengeschäft von dem zu er¬
reichenden Ziele noch entfernt. Während Belgien in 1868 nach England
72,234,420 Centner Kohlen ausführte, importirte letzteres in 1867 24.856,800
Centner nach Deutschland. Selbst im Jahre 1869 ist die Einfuhr eng¬
lischer Kohlen nach Berlin laut vorliegender amtlichen Ausweise noch um
200,000 Centner gestiegen.

Jedenfalls hat aber das im Kohlengeschäft bereits Errungene zur
Genüge bewiesen, wie großartig die Eisenindustrie sich entwickeln würde,
sobald auch ihr der Einpfennigtarif zu Gute kommt, dieser Tarif überhaupt
ganz allgemein auf Erze, Kalksteine und andere Rohstoffe angewandt würde.
Dieselbe Erfahrung lehrt, wie die Einsührungdieses billigeren Tarifs nicht allein
dem Kohlenbergbau und der Eisenindustrie, sondern auch den Eisenbahnen
selbst in dem alsdann eintretenden Massentransport den größten
Nutzen bringen würde.

Und nicht allein durch den Massentransport, auch noch in anderer Weise
würden die niedrigeren Eisenpreise den Eisenbahnen von wesentlichem Vor¬
theile sein. Das Bedürfniß derselben zur Erneuerung ihres eigenen Eisen¬
materials beträgt erfahrungsmäßig etwa fünf Procent und belief sich im
verflossenen Jahre auf mehrere Millionen Centner. Bei Neubauten berech¬
net sich der Bedarf auf etwa 22,000 Centner verarbeiteten Eisens aller Art


Haupt. Kohlen und Erze bilden heute die Unterlage fast der
der gesammten modernen Industrie, und wie namentlich die Ent¬
wickelung der Macht und der Steuerkraft der Länder von der höchsten
Bedeutung, so ist auch für die meisten Bahnen der billigstmöglich e
Transport dieser und anderer Massengüter die Grundbedingung für
die Entwickelung der Industrie im Bahngebiete überhaupt.

Die finanzielle Bedeutung des Transportes von Massengütern ist frei¬
lich für die einzelnen deutschen Bahnen eine sehr verschiedene, aber allen
kommt es in größerem oder geringerem Maße zu gut. wenn die industrielle
Thätigkeit des Inlandes gesteigert, wenn unser Vaterland durch die ein¬
sichtsvolle Mitwirkung der als Factoren der industriellen Pro-
duction so maßgebenden Eisenbahnen mehr und mehr befähigt
wird, mit den fortgeschrittenen Industriestaaten England, Belgien und
Frankreich auf dem Weltmarkte zu concurriren."

Die Wichtigkeit der Einführung des Einpfennigtarifs für die einzelnen
Artikel, namentlich für Kohlen, ist bereits durch zahlreiche Ersahrungen fest¬
gestellt worden. Ein Beispiel statt vieler. Während Bremen 1859 nur 139
Last deutsche Steinkohlen bezog, hatte dieser Hafenplatz 1867 schon 8690 Last
bezogen, so daß durch sie 92 Procent des ganzen Kohlenbedarss gedeckt
würden.

Und dennoch, wie weit sind wir auch im Kohlengeschäft von dem zu er¬
reichenden Ziele noch entfernt. Während Belgien in 1868 nach England
72,234,420 Centner Kohlen ausführte, importirte letzteres in 1867 24.856,800
Centner nach Deutschland. Selbst im Jahre 1869 ist die Einfuhr eng¬
lischer Kohlen nach Berlin laut vorliegender amtlichen Ausweise noch um
200,000 Centner gestiegen.

Jedenfalls hat aber das im Kohlengeschäft bereits Errungene zur
Genüge bewiesen, wie großartig die Eisenindustrie sich entwickeln würde,
sobald auch ihr der Einpfennigtarif zu Gute kommt, dieser Tarif überhaupt
ganz allgemein auf Erze, Kalksteine und andere Rohstoffe angewandt würde.
Dieselbe Erfahrung lehrt, wie die Einsührungdieses billigeren Tarifs nicht allein
dem Kohlenbergbau und der Eisenindustrie, sondern auch den Eisenbahnen
selbst in dem alsdann eintretenden Massentransport den größten
Nutzen bringen würde.

Und nicht allein durch den Massentransport, auch noch in anderer Weise
würden die niedrigeren Eisenpreise den Eisenbahnen von wesentlichem Vor¬
theile sein. Das Bedürfniß derselben zur Erneuerung ihres eigenen Eisen¬
materials beträgt erfahrungsmäßig etwa fünf Procent und belief sich im
verflossenen Jahre auf mehrere Millionen Centner. Bei Neubauten berech¬
net sich der Bedarf auf etwa 22,000 Centner verarbeiteten Eisens aller Art


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[0202] Haupt. Kohlen und Erze bilden heute die Unterlage fast der der gesammten modernen Industrie, und wie namentlich die Ent¬ wickelung der Macht und der Steuerkraft der Länder von der höchsten Bedeutung, so ist auch für die meisten Bahnen der billigstmöglich e Transport dieser und anderer Massengüter die Grundbedingung für die Entwickelung der Industrie im Bahngebiete überhaupt. Die finanzielle Bedeutung des Transportes von Massengütern ist frei¬ lich für die einzelnen deutschen Bahnen eine sehr verschiedene, aber allen kommt es in größerem oder geringerem Maße zu gut. wenn die industrielle Thätigkeit des Inlandes gesteigert, wenn unser Vaterland durch die ein¬ sichtsvolle Mitwirkung der als Factoren der industriellen Pro- duction so maßgebenden Eisenbahnen mehr und mehr befähigt wird, mit den fortgeschrittenen Industriestaaten England, Belgien und Frankreich auf dem Weltmarkte zu concurriren." Die Wichtigkeit der Einführung des Einpfennigtarifs für die einzelnen Artikel, namentlich für Kohlen, ist bereits durch zahlreiche Ersahrungen fest¬ gestellt worden. Ein Beispiel statt vieler. Während Bremen 1859 nur 139 Last deutsche Steinkohlen bezog, hatte dieser Hafenplatz 1867 schon 8690 Last bezogen, so daß durch sie 92 Procent des ganzen Kohlenbedarss gedeckt würden. Und dennoch, wie weit sind wir auch im Kohlengeschäft von dem zu er¬ reichenden Ziele noch entfernt. Während Belgien in 1868 nach England 72,234,420 Centner Kohlen ausführte, importirte letzteres in 1867 24.856,800 Centner nach Deutschland. Selbst im Jahre 1869 ist die Einfuhr eng¬ lischer Kohlen nach Berlin laut vorliegender amtlichen Ausweise noch um 200,000 Centner gestiegen. Jedenfalls hat aber das im Kohlengeschäft bereits Errungene zur Genüge bewiesen, wie großartig die Eisenindustrie sich entwickeln würde, sobald auch ihr der Einpfennigtarif zu Gute kommt, dieser Tarif überhaupt ganz allgemein auf Erze, Kalksteine und andere Rohstoffe angewandt würde. Dieselbe Erfahrung lehrt, wie die Einsührungdieses billigeren Tarifs nicht allein dem Kohlenbergbau und der Eisenindustrie, sondern auch den Eisenbahnen selbst in dem alsdann eintretenden Massentransport den größten Nutzen bringen würde. Und nicht allein durch den Massentransport, auch noch in anderer Weise würden die niedrigeren Eisenpreise den Eisenbahnen von wesentlichem Vor¬ theile sein. Das Bedürfniß derselben zur Erneuerung ihres eigenen Eisen¬ materials beträgt erfahrungsmäßig etwa fünf Procent und belief sich im verflossenen Jahre auf mehrere Millionen Centner. Bei Neubauten berech¬ net sich der Bedarf auf etwa 22,000 Centner verarbeiteten Eisens aller Art

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/202>, abgerufen am 17.06.2024.