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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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(per Meile). Bei gleichzeitig fortschreitender Volksbildung würde übrigens der
Consum überhaupt noch einer weit bedeutenderen Steigerung fähig sein, da in
vielen Gegenden Deutschlands noch heute viele Gegenstände, namentlich Wirth,
schaftsgeräthe im Gebrauche sind, welche zumeist aus Holz gefertigt sind, ob¬
gleich alle begünstigten Culturvölker dieselben längst durch aus Eisen ge¬
fertigte Geräthe ersetzt haben. Wie groß ist in dieser Hinsicht noch der
Unterschied zwischen Deutschland und Großbritanien?

"Das Cisen" -- heißt es in einem neueren englischen Werke -- "ist
eines unserer Lebensbedürfnisse, ist die civilisatorische Weltmacht und das
Hauptinstrument in der Kürzung und Erleichterung der menschlichen Arbeit
geworden. Fast ist es unmöglich, noch einen Gebrauch aufzuzählen, wozu
es gegenwärtig nicht verwendet wird. Wir reisen auf eisernen Straßen, ge¬
zogen von eisernen Rossen; wir durchfurchen den Ocean in eisernen Schiffen
und Dampfern mit eisernem Takelwerk und getrieben von eisernen Ma¬
schinen; wir werfen große eiserne Brücken und Tunnels über unsere, so wie
unter unsere Flüsse und Straßen; wir errichten Wohnungen und Packhäuser
von Eisen für unsere Colonialbesitzungen und schließen unser Geld und unser
Fleisch in eiserne Schränke ein. Sogar die glatten Pflastersteine werden in
Glasgow, Albany und anderen Städten durch eisernes Pflaster abgelöst. Riesen¬
hafte Anker werden für Leviathanschiffe geschmiedet. Dampfkesselplatten ver-
fertigt, die 1^ Tonnen oder 30 Centner wiegen, so wie Maschinenschafte
von 4 Tonnen und Cylinder von 28 bis 30 Tonnen. Hunderte von Meilen
elektrischen Drahts und unterseeische Kabeln werden abgerasselt mit magischer
Eile, eingefaßt, aufgewunden und verschifft. Tausende von Wasserröhren
und Meilen von Gasröhren werden von unseren Verschiffungshäfen aus nach
allen Colonien und Ländern auf dem Erdball versandt. Ueber 3 Millionen
Tonnen Eisen sind zu unseren eigenen Eisenbahnlinien gebraucht worden
und 300,000 Tonnen sind alljährlich erforderlich, um sie in Stand zu halten.
So geschickt sind unsere Werkleute, daß sie das dehnbare Erz in fast infini¬
tesimale Drähte ausziehen können, und Stücke Eisen werden so dünn ge¬
macht, daß sie sich zu unzerstörbaren Massen zusammenbinden lassen. Auch
hat sich der Hausverbrauch um das Dreifache vermehrt. Ueberhaupt ist der
Geschäftsbetrieb allein in seiner eisernen Exportbranche in fünf Jahren um
76°/o und in einem Vierteljahrhundert um 850°/" angewachsen."

Das kann der Engländer seiner Metallindustrie nachrühmen, welche mehr
als die Hälfte der Eisenproduction der Welt, alljährlich ungefähr 4 Millionen
Tonnen umfaßt. Der Eisenverbrauch war im britischen Reiche 1827 kaum
50 Pfund per Kopf der Bevölkerung und stieg bis 1858 auf 160 Pfund.

Soll Deutschland diesem Beispiel nacheifern, so kann das nux geschehen,
wenn seine Eisenbahnverwaltungen endlich zu richtiger Einsicht in ihren Vor-


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(per Meile). Bei gleichzeitig fortschreitender Volksbildung würde übrigens der
Consum überhaupt noch einer weit bedeutenderen Steigerung fähig sein, da in
vielen Gegenden Deutschlands noch heute viele Gegenstände, namentlich Wirth,
schaftsgeräthe im Gebrauche sind, welche zumeist aus Holz gefertigt sind, ob¬
gleich alle begünstigten Culturvölker dieselben längst durch aus Eisen ge¬
fertigte Geräthe ersetzt haben. Wie groß ist in dieser Hinsicht noch der
Unterschied zwischen Deutschland und Großbritanien?

„Das Cisen" — heißt es in einem neueren englischen Werke — „ist
eines unserer Lebensbedürfnisse, ist die civilisatorische Weltmacht und das
Hauptinstrument in der Kürzung und Erleichterung der menschlichen Arbeit
geworden. Fast ist es unmöglich, noch einen Gebrauch aufzuzählen, wozu
es gegenwärtig nicht verwendet wird. Wir reisen auf eisernen Straßen, ge¬
zogen von eisernen Rossen; wir durchfurchen den Ocean in eisernen Schiffen
und Dampfern mit eisernem Takelwerk und getrieben von eisernen Ma¬
schinen; wir werfen große eiserne Brücken und Tunnels über unsere, so wie
unter unsere Flüsse und Straßen; wir errichten Wohnungen und Packhäuser
von Eisen für unsere Colonialbesitzungen und schließen unser Geld und unser
Fleisch in eiserne Schränke ein. Sogar die glatten Pflastersteine werden in
Glasgow, Albany und anderen Städten durch eisernes Pflaster abgelöst. Riesen¬
hafte Anker werden für Leviathanschiffe geschmiedet. Dampfkesselplatten ver-
fertigt, die 1^ Tonnen oder 30 Centner wiegen, so wie Maschinenschafte
von 4 Tonnen und Cylinder von 28 bis 30 Tonnen. Hunderte von Meilen
elektrischen Drahts und unterseeische Kabeln werden abgerasselt mit magischer
Eile, eingefaßt, aufgewunden und verschifft. Tausende von Wasserröhren
und Meilen von Gasröhren werden von unseren Verschiffungshäfen aus nach
allen Colonien und Ländern auf dem Erdball versandt. Ueber 3 Millionen
Tonnen Eisen sind zu unseren eigenen Eisenbahnlinien gebraucht worden
und 300,000 Tonnen sind alljährlich erforderlich, um sie in Stand zu halten.
So geschickt sind unsere Werkleute, daß sie das dehnbare Erz in fast infini¬
tesimale Drähte ausziehen können, und Stücke Eisen werden so dünn ge¬
macht, daß sie sich zu unzerstörbaren Massen zusammenbinden lassen. Auch
hat sich der Hausverbrauch um das Dreifache vermehrt. Ueberhaupt ist der
Geschäftsbetrieb allein in seiner eisernen Exportbranche in fünf Jahren um
76°/o und in einem Vierteljahrhundert um 850°/« angewachsen."

Das kann der Engländer seiner Metallindustrie nachrühmen, welche mehr
als die Hälfte der Eisenproduction der Welt, alljährlich ungefähr 4 Millionen
Tonnen umfaßt. Der Eisenverbrauch war im britischen Reiche 1827 kaum
50 Pfund per Kopf der Bevölkerung und stieg bis 1858 auf 160 Pfund.

Soll Deutschland diesem Beispiel nacheifern, so kann das nux geschehen,
wenn seine Eisenbahnverwaltungen endlich zu richtiger Einsicht in ihren Vor-


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[0203] (per Meile). Bei gleichzeitig fortschreitender Volksbildung würde übrigens der Consum überhaupt noch einer weit bedeutenderen Steigerung fähig sein, da in vielen Gegenden Deutschlands noch heute viele Gegenstände, namentlich Wirth, schaftsgeräthe im Gebrauche sind, welche zumeist aus Holz gefertigt sind, ob¬ gleich alle begünstigten Culturvölker dieselben längst durch aus Eisen ge¬ fertigte Geräthe ersetzt haben. Wie groß ist in dieser Hinsicht noch der Unterschied zwischen Deutschland und Großbritanien? „Das Cisen" — heißt es in einem neueren englischen Werke — „ist eines unserer Lebensbedürfnisse, ist die civilisatorische Weltmacht und das Hauptinstrument in der Kürzung und Erleichterung der menschlichen Arbeit geworden. Fast ist es unmöglich, noch einen Gebrauch aufzuzählen, wozu es gegenwärtig nicht verwendet wird. Wir reisen auf eisernen Straßen, ge¬ zogen von eisernen Rossen; wir durchfurchen den Ocean in eisernen Schiffen und Dampfern mit eisernem Takelwerk und getrieben von eisernen Ma¬ schinen; wir werfen große eiserne Brücken und Tunnels über unsere, so wie unter unsere Flüsse und Straßen; wir errichten Wohnungen und Packhäuser von Eisen für unsere Colonialbesitzungen und schließen unser Geld und unser Fleisch in eiserne Schränke ein. Sogar die glatten Pflastersteine werden in Glasgow, Albany und anderen Städten durch eisernes Pflaster abgelöst. Riesen¬ hafte Anker werden für Leviathanschiffe geschmiedet. Dampfkesselplatten ver- fertigt, die 1^ Tonnen oder 30 Centner wiegen, so wie Maschinenschafte von 4 Tonnen und Cylinder von 28 bis 30 Tonnen. Hunderte von Meilen elektrischen Drahts und unterseeische Kabeln werden abgerasselt mit magischer Eile, eingefaßt, aufgewunden und verschifft. Tausende von Wasserröhren und Meilen von Gasröhren werden von unseren Verschiffungshäfen aus nach allen Colonien und Ländern auf dem Erdball versandt. Ueber 3 Millionen Tonnen Eisen sind zu unseren eigenen Eisenbahnlinien gebraucht worden und 300,000 Tonnen sind alljährlich erforderlich, um sie in Stand zu halten. So geschickt sind unsere Werkleute, daß sie das dehnbare Erz in fast infini¬ tesimale Drähte ausziehen können, und Stücke Eisen werden so dünn ge¬ macht, daß sie sich zu unzerstörbaren Massen zusammenbinden lassen. Auch hat sich der Hausverbrauch um das Dreifache vermehrt. Ueberhaupt ist der Geschäftsbetrieb allein in seiner eisernen Exportbranche in fünf Jahren um 76°/o und in einem Vierteljahrhundert um 850°/« angewachsen." Das kann der Engländer seiner Metallindustrie nachrühmen, welche mehr als die Hälfte der Eisenproduction der Welt, alljährlich ungefähr 4 Millionen Tonnen umfaßt. Der Eisenverbrauch war im britischen Reiche 1827 kaum 50 Pfund per Kopf der Bevölkerung und stieg bis 1858 auf 160 Pfund. Soll Deutschland diesem Beispiel nacheifern, so kann das nux geschehen, wenn seine Eisenbahnverwaltungen endlich zu richtiger Einsicht in ihren Vor- 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/203>, abgerufen am 24.05.2024.