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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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vielfach verbesserte römische Schrift, die Antiqua, bekannt und nachgeahmt.
Der erste, welcher mit dieser sogenannten venetianischen Schrift druckte, war
der Augsburger Drucker Günther Zainer (1468--1473). aus dessen
Officin mit diesen der römischen Schrift nachgeschnittenen Typen 1472
IsiÄoi-i Mnioris LisMleusis epigcoxi I^ibsr Ac rksponsions aurai et g,8tro-
i-um orclin^lions hervorging, dem bald andere ähnliche Drucke folgten. Die
Schrift vermochte indeß ihr Vorbild nicht zu erreichen und bedürfte, wenn sie
hinter der inzwischen sehr verbesserten Fracturschrift nicht wieder verschwinden
sollte, eine sorgsame Fortbildung, die ihr auch durch den Straßburger Drucker
Johann Mentelin (1473--1478) wurde, welcher ihr einen festen Boden
in Deutschland schuf. Die nächst folgende Generation begnügte sich mit dem
Geleisteten oder copirte die Schriften der Drucker Oporiüs und Frobenius,
bis man endlich im siebenzehnten Jahrhundert, namentlich durch die Schön¬
heit der holländischen Drucke veranlaßt, holländische Matrizen verschrieb. Die
Ehrhardische Druckerei in Leipzig war eine der ersten, welche solche Typen
aus Amsterdam erhielt. Erst später traten wieder selbständige Arbeiten auf,
und zwar zuerst von Nürnberger Künstlern, welche sich indeß noch nicht von
den holländischen Mustern loszusagen vermochten. Dies blieb der neuesten Zeit
vorbehalten, der es auch gelang, eine schöne Antiqua in Deutschland herzustellen.

Immer wurde aber die Antiqua nur zum Druck von lateinischen, fran¬
zösischen ?c. Werken angewendet, während in deutscher Sprache geschriebene
Bücher nur mit Fracturschrift gedruckt wurden. Nicht also blos die Schriften
von Luther, Hütten, Spengler, Paul Speratus, Weiße, Alberus, Sachs,
Nicolaus Hermann, Fischart, Rollenhagen, Johann Agricola und Anderen,
sondern auch.jene der wenigen Gelehrten des sechszehnten Jahrhunderts, welche
überhaupt in deutscher Sprache schrieben z. B. der Geschichtschreiber und
Chronisten Aventinus. Sebastian Frank, Thomas Kantzow, Aegidius Tschudi
u. a., des Geographen Sebastian Münster, der Theologen Matthesius.
Zwingli, Johann Arndt u. s. w. sind mit Fracturschrift gedruckt. Ebenso
war es. trotz der nun immer mehr überHand nehmenden Fremdwörter und
dadurch entstandenen Sprachmischung, die auch die Gelehrten anreizte, immer
mehr lateinische Wörter dem Deutschen einzuverleiben, im siebenzehnten Jahr¬
hundert, nur daß man die Lächerlichkeit beging, mitten in der Fracturschrift
die fremden Wörter, mögen es neue lateinische oder französische sein, mit
Antiqua setzen zu lassen: z. B. "die Herren Nsäici waren um und um mit
jungen Herren ?ra,etieauten und Doewranten umgeben. welche in dem ihren
cursum wöÄioina.s adsvlvirten und zu voetvren wurden ?c." -- so schreibt
Moscherosch, ein Mann, der doch die Fremdländerei und Sprachmengerei
aus Herzens Grunde haßte und verabscheute. Ja man ging gleichzeitig in
der Geschmacklosigkeit so weit, daß man. wie aus dem angeführten Beispiel


vielfach verbesserte römische Schrift, die Antiqua, bekannt und nachgeahmt.
Der erste, welcher mit dieser sogenannten venetianischen Schrift druckte, war
der Augsburger Drucker Günther Zainer (1468—1473). aus dessen
Officin mit diesen der römischen Schrift nachgeschnittenen Typen 1472
IsiÄoi-i Mnioris LisMleusis epigcoxi I^ibsr Ac rksponsions aurai et g,8tro-
i-um orclin^lions hervorging, dem bald andere ähnliche Drucke folgten. Die
Schrift vermochte indeß ihr Vorbild nicht zu erreichen und bedürfte, wenn sie
hinter der inzwischen sehr verbesserten Fracturschrift nicht wieder verschwinden
sollte, eine sorgsame Fortbildung, die ihr auch durch den Straßburger Drucker
Johann Mentelin (1473—1478) wurde, welcher ihr einen festen Boden
in Deutschland schuf. Die nächst folgende Generation begnügte sich mit dem
Geleisteten oder copirte die Schriften der Drucker Oporiüs und Frobenius,
bis man endlich im siebenzehnten Jahrhundert, namentlich durch die Schön¬
heit der holländischen Drucke veranlaßt, holländische Matrizen verschrieb. Die
Ehrhardische Druckerei in Leipzig war eine der ersten, welche solche Typen
aus Amsterdam erhielt. Erst später traten wieder selbständige Arbeiten auf,
und zwar zuerst von Nürnberger Künstlern, welche sich indeß noch nicht von
den holländischen Mustern loszusagen vermochten. Dies blieb der neuesten Zeit
vorbehalten, der es auch gelang, eine schöne Antiqua in Deutschland herzustellen.

Immer wurde aber die Antiqua nur zum Druck von lateinischen, fran¬
zösischen ?c. Werken angewendet, während in deutscher Sprache geschriebene
Bücher nur mit Fracturschrift gedruckt wurden. Nicht also blos die Schriften
von Luther, Hütten, Spengler, Paul Speratus, Weiße, Alberus, Sachs,
Nicolaus Hermann, Fischart, Rollenhagen, Johann Agricola und Anderen,
sondern auch.jene der wenigen Gelehrten des sechszehnten Jahrhunderts, welche
überhaupt in deutscher Sprache schrieben z. B. der Geschichtschreiber und
Chronisten Aventinus. Sebastian Frank, Thomas Kantzow, Aegidius Tschudi
u. a., des Geographen Sebastian Münster, der Theologen Matthesius.
Zwingli, Johann Arndt u. s. w. sind mit Fracturschrift gedruckt. Ebenso
war es. trotz der nun immer mehr überHand nehmenden Fremdwörter und
dadurch entstandenen Sprachmischung, die auch die Gelehrten anreizte, immer
mehr lateinische Wörter dem Deutschen einzuverleiben, im siebenzehnten Jahr¬
hundert, nur daß man die Lächerlichkeit beging, mitten in der Fracturschrift
die fremden Wörter, mögen es neue lateinische oder französische sein, mit
Antiqua setzen zu lassen: z. B. „die Herren Nsäici waren um und um mit
jungen Herren ?ra,etieauten und Doewranten umgeben. welche in dem ihren
cursum wöÄioina.s adsvlvirten und zu voetvren wurden ?c." — so schreibt
Moscherosch, ein Mann, der doch die Fremdländerei und Sprachmengerei
aus Herzens Grunde haßte und verabscheute. Ja man ging gleichzeitig in
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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/103>, abgerufen am 16.06.2024.