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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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vollständig von einander getrennt. Atrium und Tablinum bildeten fortan
ein Wohnhaus für sich, das geräumige Peristyl aber, welches mit seinen De-
pendenzen jetzt das zweite Haus ausmacht und leicht mit der Straße in
Verbindung gesetzt werden konnte, wurde zu einer Färberei eingerichtet, wie
man aus der Beschaffenheit der vielen großen noch an Ort und Stelle stehen- '
den Gefäße von Thon und Stein schließen darf.

Ein drittes besonders solid gebautes Haus derselben Insel ist, obwohl
seine Ausrüstung beim Eintritt der Katastrophe offenbar noch nicht vollendet
war, doch durch den hier gefundenen Hausrath ausgezeichnet. In einem
Zimmerchen beim Atrium stand eine große gut erhaltene eiserne Geldlade,
allenthalben reichlich mit Nägeln beschlagen und verziert mit bronzenen
Masken und Thierköpfen sowie den Reliefbüsten von einer Diana und
Amoren. Der Inhalt ist von dem Besitzer, also nicht für uns, gerettet
worden. In dem Speisezimmer aber fand man weiter einen hohen Cande-
laber, mehrere hübsche Lampen, Vasen und Schaalen aus Bronze, sowie
etwas Brod und, was das wichtigste ist, die bronzenen Theile, nämlich Füße
und Seitenlehne von drei Ruhebetten, wie sie bei den Mahlzeiten benutzt
wurden. Dieselben sind mit Silber ausgelegt und mit Relieffiguren geschmack¬
voll decorirt; ihrer Schönheit und Seltenheit wegen ist ihnen neuerdings,
nachdem das verkohlte Holzwerk in sorgfältiger Weise wieder ergänzt war,
ein eigenes Zimmer im Museum zu Neapel eingeräumt.

Größere Kunstwerke von Bronze sind in der letzten Zeit nicht zum Vor¬
schein gekommen, wohl aber hat man in einem Hause, dessen bereits früher
aufgedeckte Vorderräume schon manches Bedeutende geliefert hatten, zwei
Marmorbüsten von trefflicher Arbeit und günstiger Erhaltung gefunden.
Man hat sie Brutus und Pompejus genannt, und in der That zeigt die
eine, trotz ihrer jugendlicheren, weniger markirten Züge große Ähnlichkeit
mit dem bekannten Kopfe des Brutus im capitolinischen Museum; bei der
anderen scheint uns die Uebereinstimmung mit der Statue im Palast Spada
zu Rom, welche den Pompejus darstellt, weniger einleuchtend. Wenn man
ferner darauf Gewicht legt, daß die Büsten sich in einem der entlegensten
Räume des Hauses befanden, und daraus schließen will, der Besitzer habe
zu den Anhängern der Republik gehört und die Portraits der letzten Vor¬
kämpfer seiner Partei verstecken müssen, so ist das wohl etwas zu phantasie¬
reich. Es war beim Untergange der Stadt schon mehr als ein Jahrhundert
vergangen, seit Cäsar gefallen, und da selbst Augustus, nachdem er Cäsar
gerächt, den Anblick der Bilder von Brutus und Pompejus. wie verschiedene
Historiker berichten, wohl ertragen konnte, so würden wir fürchten, uns an
dem Andenken des Titus, "der Freude des Menschengeschlechts", zu versündigen,
wenn wir eine so kleinliche politische Verfolgungssucht unter seiner Regierung


vollständig von einander getrennt. Atrium und Tablinum bildeten fortan
ein Wohnhaus für sich, das geräumige Peristyl aber, welches mit seinen De-
pendenzen jetzt das zweite Haus ausmacht und leicht mit der Straße in
Verbindung gesetzt werden konnte, wurde zu einer Färberei eingerichtet, wie
man aus der Beschaffenheit der vielen großen noch an Ort und Stelle stehen- '
den Gefäße von Thon und Stein schließen darf.

Ein drittes besonders solid gebautes Haus derselben Insel ist, obwohl
seine Ausrüstung beim Eintritt der Katastrophe offenbar noch nicht vollendet
war, doch durch den hier gefundenen Hausrath ausgezeichnet. In einem
Zimmerchen beim Atrium stand eine große gut erhaltene eiserne Geldlade,
allenthalben reichlich mit Nägeln beschlagen und verziert mit bronzenen
Masken und Thierköpfen sowie den Reliefbüsten von einer Diana und
Amoren. Der Inhalt ist von dem Besitzer, also nicht für uns, gerettet
worden. In dem Speisezimmer aber fand man weiter einen hohen Cande-
laber, mehrere hübsche Lampen, Vasen und Schaalen aus Bronze, sowie
etwas Brod und, was das wichtigste ist, die bronzenen Theile, nämlich Füße
und Seitenlehne von drei Ruhebetten, wie sie bei den Mahlzeiten benutzt
wurden. Dieselben sind mit Silber ausgelegt und mit Relieffiguren geschmack¬
voll decorirt; ihrer Schönheit und Seltenheit wegen ist ihnen neuerdings,
nachdem das verkohlte Holzwerk in sorgfältiger Weise wieder ergänzt war,
ein eigenes Zimmer im Museum zu Neapel eingeräumt.

Größere Kunstwerke von Bronze sind in der letzten Zeit nicht zum Vor¬
schein gekommen, wohl aber hat man in einem Hause, dessen bereits früher
aufgedeckte Vorderräume schon manches Bedeutende geliefert hatten, zwei
Marmorbüsten von trefflicher Arbeit und günstiger Erhaltung gefunden.
Man hat sie Brutus und Pompejus genannt, und in der That zeigt die
eine, trotz ihrer jugendlicheren, weniger markirten Züge große Ähnlichkeit
mit dem bekannten Kopfe des Brutus im capitolinischen Museum; bei der
anderen scheint uns die Uebereinstimmung mit der Statue im Palast Spada
zu Rom, welche den Pompejus darstellt, weniger einleuchtend. Wenn man
ferner darauf Gewicht legt, daß die Büsten sich in einem der entlegensten
Räume des Hauses befanden, und daraus schließen will, der Besitzer habe
zu den Anhängern der Republik gehört und die Portraits der letzten Vor¬
kämpfer seiner Partei verstecken müssen, so ist das wohl etwas zu phantasie¬
reich. Es war beim Untergange der Stadt schon mehr als ein Jahrhundert
vergangen, seit Cäsar gefallen, und da selbst Augustus, nachdem er Cäsar
gerächt, den Anblick der Bilder von Brutus und Pompejus. wie verschiedene
Historiker berichten, wohl ertragen konnte, so würden wir fürchten, uns an
dem Andenken des Titus, „der Freude des Menschengeschlechts", zu versündigen,
wenn wir eine so kleinliche politische Verfolgungssucht unter seiner Regierung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/172>, abgerufen am 17.06.2024.