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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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mühung, wenigstens die Haupttheile rechtwinklig herzustellen, und in den
meisten Fällen sind zu diesem Zwecke sehr geschickte Dispositionen getroffen.

Auch in anderer Weise bietet die Baugeschichte einzelner Häuser
manches Interessante. So möchten wir auf eine an der Ecke jener Hauptstraße
und einer ebenfalls frequenten Nebengasse gelegene Bäckerei aufmerksam
machen. An sich schon von geringem Umfange wird das Haus durch die
zum Geschäftsbetrieb nöthigen Räume, den großen Backofen, einen Hof für
fünf Stampfmühlen, verschiedene Zimmer zum Bereiten des Teiges und zur
Aufbewahrung des Mehls und der fertigen Brode sehr eingeengt. Auch hat
der alte Besitzer das Bedürfniß gefühlt, sein Grundstück zu erweitern und
dies durch den Ankauf einer zwar auch nicht großen, aber ihm sehr bequem
gelegenen Nachbewohnung erreicht. Er gestaltete diese dann nach seinen Be¬
dürfnissen um, indem er besonders auch dafür Sorge trug, ein passendes
Eßzimmer (trieliuium) zu erhalten und das Empfangszimmer (tadlinum) würdig
zu decoriren. An der Wand des letzteren fanden sich die sehr individuellen
Brustbilder eines älteren Mannes und einer Frau, und darüber ein niedliches
Bildchen, Psyche von Amor zärtlich umarmt. Während das eheliche Glück
des fossilen Bäckers, der übrigens Paquiuö Proculus hieß und ein nicht un¬
bedeutendes Municipalamt bekleidet zu haben scheint, in dieser Weise durch
ein freundliches Geschick verewigt worden ist, hat er selber von seinem be¬
weglichen Hausrath nur wenig zurückgelassen. Wir möchten davon nur zwei
kleine, leider stark beschädigte Glastafeln, welche mit Goldblättchen überzogen
und mit Amorinen in rother Farbe bemalt sind, der seltenen Technik wegen
anführen.

Auch Namen von Besitzern anderer Häuser hat man jetzt, wo man sorg¬
samer gräbt, weit häufiger als sonst ausfindig gemacht. Es verhelfen hierzu
Bronzestempel zum Siegeln, mehr aber noch Inschriften, welche freilich nicht
denjenigen moderner Hausschilder gleich sind, sondern aus Grüßen, Bitten,
Glückwünschen bestehen, die an verschiedenen Stellen eines Hauses den Wän¬
den aufgemalt oder eingekratzt sind. Selbst die einzige schön gearbeitete Mo¬
saikinschrift findet sich nicht etwa am Eingange eines Hauses, sondern im
Inneren auf der Schwelle des Tricliniums. Mögen aber auch in der aus¬
schließlichen Beziehung der in diesen Inschriften genannten Namen auf die
Besitzer der betreffenden Häuser einige Irrthümer mit unterlaufen, so scheint
uns diese Art der Benennung der Häuser doch jedenfalls passender als die
früher übliche nach einzelnen aufgefundenen Kunstwerken oder gar nach den
bei ihrer Aufdeckung zufällig anwesenden hohen Persönlichkeiten.

Neben dem Hause des Bäckers liegt ein anderes größeres, welches gerade
das entgegengesetzte Schicksal hatte wie jenes. Es ist nämlich in zwei Theile
getheilt und diese sind mit Ausnahme der gemeinsam gebliebenen Cistecne


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mühung, wenigstens die Haupttheile rechtwinklig herzustellen, und in den
meisten Fällen sind zu diesem Zwecke sehr geschickte Dispositionen getroffen.

Auch in anderer Weise bietet die Baugeschichte einzelner Häuser
manches Interessante. So möchten wir auf eine an der Ecke jener Hauptstraße
und einer ebenfalls frequenten Nebengasse gelegene Bäckerei aufmerksam
machen. An sich schon von geringem Umfange wird das Haus durch die
zum Geschäftsbetrieb nöthigen Räume, den großen Backofen, einen Hof für
fünf Stampfmühlen, verschiedene Zimmer zum Bereiten des Teiges und zur
Aufbewahrung des Mehls und der fertigen Brode sehr eingeengt. Auch hat
der alte Besitzer das Bedürfniß gefühlt, sein Grundstück zu erweitern und
dies durch den Ankauf einer zwar auch nicht großen, aber ihm sehr bequem
gelegenen Nachbewohnung erreicht. Er gestaltete diese dann nach seinen Be¬
dürfnissen um, indem er besonders auch dafür Sorge trug, ein passendes
Eßzimmer (trieliuium) zu erhalten und das Empfangszimmer (tadlinum) würdig
zu decoriren. An der Wand des letzteren fanden sich die sehr individuellen
Brustbilder eines älteren Mannes und einer Frau, und darüber ein niedliches
Bildchen, Psyche von Amor zärtlich umarmt. Während das eheliche Glück
des fossilen Bäckers, der übrigens Paquiuö Proculus hieß und ein nicht un¬
bedeutendes Municipalamt bekleidet zu haben scheint, in dieser Weise durch
ein freundliches Geschick verewigt worden ist, hat er selber von seinem be¬
weglichen Hausrath nur wenig zurückgelassen. Wir möchten davon nur zwei
kleine, leider stark beschädigte Glastafeln, welche mit Goldblättchen überzogen
und mit Amorinen in rother Farbe bemalt sind, der seltenen Technik wegen
anführen.

Auch Namen von Besitzern anderer Häuser hat man jetzt, wo man sorg¬
samer gräbt, weit häufiger als sonst ausfindig gemacht. Es verhelfen hierzu
Bronzestempel zum Siegeln, mehr aber noch Inschriften, welche freilich nicht
denjenigen moderner Hausschilder gleich sind, sondern aus Grüßen, Bitten,
Glückwünschen bestehen, die an verschiedenen Stellen eines Hauses den Wän¬
den aufgemalt oder eingekratzt sind. Selbst die einzige schön gearbeitete Mo¬
saikinschrift findet sich nicht etwa am Eingange eines Hauses, sondern im
Inneren auf der Schwelle des Tricliniums. Mögen aber auch in der aus¬
schließlichen Beziehung der in diesen Inschriften genannten Namen auf die
Besitzer der betreffenden Häuser einige Irrthümer mit unterlaufen, so scheint
uns diese Art der Benennung der Häuser doch jedenfalls passender als die
früher übliche nach einzelnen aufgefundenen Kunstwerken oder gar nach den
bei ihrer Aufdeckung zufällig anwesenden hohen Persönlichkeiten.

Neben dem Hause des Bäckers liegt ein anderes größeres, welches gerade
das entgegengesetzte Schicksal hatte wie jenes. Es ist nämlich in zwei Theile
getheilt und diese sind mit Ausnahme der gemeinsam gebliebenen Cistecne


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[0171] mühung, wenigstens die Haupttheile rechtwinklig herzustellen, und in den meisten Fällen sind zu diesem Zwecke sehr geschickte Dispositionen getroffen. Auch in anderer Weise bietet die Baugeschichte einzelner Häuser manches Interessante. So möchten wir auf eine an der Ecke jener Hauptstraße und einer ebenfalls frequenten Nebengasse gelegene Bäckerei aufmerksam machen. An sich schon von geringem Umfange wird das Haus durch die zum Geschäftsbetrieb nöthigen Räume, den großen Backofen, einen Hof für fünf Stampfmühlen, verschiedene Zimmer zum Bereiten des Teiges und zur Aufbewahrung des Mehls und der fertigen Brode sehr eingeengt. Auch hat der alte Besitzer das Bedürfniß gefühlt, sein Grundstück zu erweitern und dies durch den Ankauf einer zwar auch nicht großen, aber ihm sehr bequem gelegenen Nachbewohnung erreicht. Er gestaltete diese dann nach seinen Be¬ dürfnissen um, indem er besonders auch dafür Sorge trug, ein passendes Eßzimmer (trieliuium) zu erhalten und das Empfangszimmer (tadlinum) würdig zu decoriren. An der Wand des letzteren fanden sich die sehr individuellen Brustbilder eines älteren Mannes und einer Frau, und darüber ein niedliches Bildchen, Psyche von Amor zärtlich umarmt. Während das eheliche Glück des fossilen Bäckers, der übrigens Paquiuö Proculus hieß und ein nicht un¬ bedeutendes Municipalamt bekleidet zu haben scheint, in dieser Weise durch ein freundliches Geschick verewigt worden ist, hat er selber von seinem be¬ weglichen Hausrath nur wenig zurückgelassen. Wir möchten davon nur zwei kleine, leider stark beschädigte Glastafeln, welche mit Goldblättchen überzogen und mit Amorinen in rother Farbe bemalt sind, der seltenen Technik wegen anführen. Auch Namen von Besitzern anderer Häuser hat man jetzt, wo man sorg¬ samer gräbt, weit häufiger als sonst ausfindig gemacht. Es verhelfen hierzu Bronzestempel zum Siegeln, mehr aber noch Inschriften, welche freilich nicht denjenigen moderner Hausschilder gleich sind, sondern aus Grüßen, Bitten, Glückwünschen bestehen, die an verschiedenen Stellen eines Hauses den Wän¬ den aufgemalt oder eingekratzt sind. Selbst die einzige schön gearbeitete Mo¬ saikinschrift findet sich nicht etwa am Eingange eines Hauses, sondern im Inneren auf der Schwelle des Tricliniums. Mögen aber auch in der aus¬ schließlichen Beziehung der in diesen Inschriften genannten Namen auf die Besitzer der betreffenden Häuser einige Irrthümer mit unterlaufen, so scheint uns diese Art der Benennung der Häuser doch jedenfalls passender als die früher übliche nach einzelnen aufgefundenen Kunstwerken oder gar nach den bei ihrer Aufdeckung zufällig anwesenden hohen Persönlichkeiten. Neben dem Hause des Bäckers liegt ein anderes größeres, welches gerade das entgegengesetzte Schicksal hatte wie jenes. Es ist nämlich in zwei Theile getheilt und diese sind mit Ausnahme der gemeinsam gebliebenen Cistecne 21 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/171>, abgerufen am 27.05.2024.