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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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welchem der Marmor an sich keine Rolle spielt und nur wirkt, indem er eine
günstige Fläche darbietet.

Ferner ist es besonders im Vergleiche mit der großen Menge der übrigen
antiken Sarkophage, welche in reicherem oder geringerem Grade stets mit
Reliefs versehen sind, auffallend, daß hier nicht einmal das Ornament der
Arbeit eines Bildhauers überlassen wurde. Das Monument ist vielmehr,
soweit wir es bisher beschrieben haben, ganz ohne solchen Schmuck; nur der
dazu gehörige Sarkophagdeckel hat an seinen vier Ecken die gewöhnlichen
Masken und in den kleinen Giebelfeldern über den Schmalseiten eine doppelt
wiederholte Reliefdarstellung des von seinen Hunden angegriffenen Aktäon.
Diese an sich sehr unbedeutenden Sculpturen sind nun ebenfalls bemalt.
Für gleichen farbigen Schmuck scheint auch ein zweiter an derselben Stelle
gefundener Sarg bestimmt gewesen zu sein, die Bemalung ist jedoch hier
nicht zur Ausführung gekommen.

Es ist bekannt, daß die Gräberstadt des alten Tarquinii in vielen
Grabgewölben Wandgemälde enthält, welche eine oft seltsame Verbindung
griechischer und etruskischer Kunstweise erkennen lassen. Ihnen tritt dieser
neueste Fund, der übrigens aus einer schmucklosen Grabkammer stammt, als
ein Werk gegenüber, bei welchem wir an rein griechischer Auffassung und
Ausführung nicht zweifeln können. Doch müssen wir hinzufügen, daß
es allerdings auch etwas Etruskisches wie ein Maal an sich trägt: nämlich
zwei in etruskischer Sprache verfaßte Inschriften, die eine anpassender Stelle
des Deckels, die andere aber in völlig barbarischer Weise auf der Hauptseite
so eingehauen, daß sie mehrere Köpfe schonungslos verstümmelt hat. Ob¬
wohl der jetzige Stand der Sprachwissenschaft es nicht ermöglicht, die In¬
schriften genau zu verstehen, so lehrt die Analogie mit anderen wenigstens
so viel, daß sich dieselben nur auf die Persönlichkeit dessen, welcher hier bei¬
gesetzt war, beziehen, und keinen näheren Aufschluß über das Kunstwerk
geben. Da ferner der Sarkophag völlig leer gefunden wurde, so fehlen uns
leider alle äußeren Anhaltspunkte für ein Urtheil über die Stelle, welche das
Monument in der Kunstgeschichte einnimmt. Seine Entstehungszeit aber
blos aus dem Kunstcharakter zu bestimmen, ist hier wie bei jedem Unicum
ungemein schwierig. Auch möchten wir uns einer positiven Aussage hier¬
über noch entziehen und nur im Allgemeinen bemerken, daß, wenn man im
Hinblick auf die Größe des Stiles und die Einfachheit der Farbengebung
auch zu einer frühen Datirung geneigt sein möchte, doch Einzelheiten in
Tracht, Waffen und Motivirung einer solchen entschieden widerstreiten. Durch
die Fürsorge des preußischen archäologischen Institutes wird gegenwärtig von
geschickter Hand ein Facsimile in Farben hergestellt, und wir können daher
hoffen, daß ein Werk, welches wie dieses in der Archäologie Epoche zu machen


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welchem der Marmor an sich keine Rolle spielt und nur wirkt, indem er eine
günstige Fläche darbietet.

Ferner ist es besonders im Vergleiche mit der großen Menge der übrigen
antiken Sarkophage, welche in reicherem oder geringerem Grade stets mit
Reliefs versehen sind, auffallend, daß hier nicht einmal das Ornament der
Arbeit eines Bildhauers überlassen wurde. Das Monument ist vielmehr,
soweit wir es bisher beschrieben haben, ganz ohne solchen Schmuck; nur der
dazu gehörige Sarkophagdeckel hat an seinen vier Ecken die gewöhnlichen
Masken und in den kleinen Giebelfeldern über den Schmalseiten eine doppelt
wiederholte Reliefdarstellung des von seinen Hunden angegriffenen Aktäon.
Diese an sich sehr unbedeutenden Sculpturen sind nun ebenfalls bemalt.
Für gleichen farbigen Schmuck scheint auch ein zweiter an derselben Stelle
gefundener Sarg bestimmt gewesen zu sein, die Bemalung ist jedoch hier
nicht zur Ausführung gekommen.

Es ist bekannt, daß die Gräberstadt des alten Tarquinii in vielen
Grabgewölben Wandgemälde enthält, welche eine oft seltsame Verbindung
griechischer und etruskischer Kunstweise erkennen lassen. Ihnen tritt dieser
neueste Fund, der übrigens aus einer schmucklosen Grabkammer stammt, als
ein Werk gegenüber, bei welchem wir an rein griechischer Auffassung und
Ausführung nicht zweifeln können. Doch müssen wir hinzufügen, daß
es allerdings auch etwas Etruskisches wie ein Maal an sich trägt: nämlich
zwei in etruskischer Sprache verfaßte Inschriften, die eine anpassender Stelle
des Deckels, die andere aber in völlig barbarischer Weise auf der Hauptseite
so eingehauen, daß sie mehrere Köpfe schonungslos verstümmelt hat. Ob¬
wohl der jetzige Stand der Sprachwissenschaft es nicht ermöglicht, die In¬
schriften genau zu verstehen, so lehrt die Analogie mit anderen wenigstens
so viel, daß sich dieselben nur auf die Persönlichkeit dessen, welcher hier bei¬
gesetzt war, beziehen, und keinen näheren Aufschluß über das Kunstwerk
geben. Da ferner der Sarkophag völlig leer gefunden wurde, so fehlen uns
leider alle äußeren Anhaltspunkte für ein Urtheil über die Stelle, welche das
Monument in der Kunstgeschichte einnimmt. Seine Entstehungszeit aber
blos aus dem Kunstcharakter zu bestimmen, ist hier wie bei jedem Unicum
ungemein schwierig. Auch möchten wir uns einer positiven Aussage hier¬
über noch entziehen und nur im Allgemeinen bemerken, daß, wenn man im
Hinblick auf die Größe des Stiles und die Einfachheit der Farbengebung
auch zu einer frühen Datirung geneigt sein möchte, doch Einzelheiten in
Tracht, Waffen und Motivirung einer solchen entschieden widerstreiten. Durch
die Fürsorge des preußischen archäologischen Institutes wird gegenwärtig von
geschickter Hand ein Facsimile in Farben hergestellt, und wir können daher
hoffen, daß ein Werk, welches wie dieses in der Archäologie Epoche zu machen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/179>, abgerufen am 12.05.2024.