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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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ziertes Gewand hält die Mitte zwischen dem kurzen Chiton der Männer und
dem zum Boden hinabreichenden Kleide der Griechinnen. Nur zwei von ihnen,
welche besiegt sind, hat man nackt gemalt, offenbar um anzudeuten, daß sie
Alles dessen, was ihnen Schutz verleiht, beraubt wurden. Die noch Kämpfen¬
den sind, wie Homer sie nennt, "männergleich" und schwingen ihre Waffen,
das Schwert oder die bekannten, ihnen eigenthümlichen Aexte und Schilde
mit Kraft und Erfolg. Eine kämpft von der Quadriga herab mit Pfeil
und Bogen, eine Kampfweise, welche am besten die Schwierigkeit löst,
die Gegner trotz des sie trennenden, mit sichtlicher Freude vom Künst¬
ler breit hingemalten Viergespannes zu einander in Beziehung zu
setzen. Wunden und Blut sind nur sparsam angedeutet und, wie
mir schien, nur an den Pferdeleibern. Aber der Kampf ist sehr ernst ge¬
meint und nimmt die Empfindungen der Betheiligten ausschließlich in An¬
spruch. Kein Umschlag vom Haß zum Mitleid oder zur Liebe zeigt sich, wie
ihn das moderne Gefühl bei der Feindschaft beider Geschlechter sich gerne
ausgemalt hat und auch das Alterthum wenigstens in dem Schlüsse der
schönen Sage von Achill und Penthesilea zum Ausdrucke bringt. Gleichwohl
ist hier die Kampfeswuth in den Gesichtern gemäßigt ausgesprochen, wie auch
die Bewegungen bei aller Lebendigkeit doch nicht jenes Maß und jene Hal¬
tung verlieren, welche so wesentliche Eigenschaften der antiken Idealität bil¬
den. Die Zeichnung ist von großartigem Stile, dabei ungemein gewandt
und fast überall auch rein; demjenigen auf den griechischen Basen dürfte sie
kaum nachstehen. Die Wirkung der Farben erscheint sehr harmonisch und
doch ist die Malerei außerordentlich einfach. Wie wir einer Aufzeichnung
unseres bereits oben erwähnten Freundes, des Malers O. Donner, ent¬
nehmen, hat man nur zwei Schattirungen in den verschiedenen Farben be¬
nutzt, den lichten und einen mittleren Ton, doch sind auch beide gemischt, und
für die Modellirung wurden dunklere Striche auf den mittleren Ton gelegt.
Auch ist keineswegs von einer eigentlich malerischen Composition zu reden,
wir glauben vielmehr das Ganze am kürzesten als colorirte Zeichnung im
Reliefstil bezeichnen zu können.

Und doch beruht auf den Farben der größte Theil des Interesses,
welches der neue Fund einflößt. Den bisher giltigen Dogmen der Archäo¬
logie sowohl wie der Aesthetik gegenüber ist es gewissermaßen unerhört, daß
ein Monument aus Marmor in dieser Weise mit Malerei verziert erscheint;
und freilich konnte es bis jetzt als große Seltenheit angesehen werden, wenn
auf Werken aus jenem Stoffe einfache farbige Ornamente oder einige Fi¬
guren in Umrißzeichnung zu sehen waren. Hier aber haben wir eine reiche
Composition, ein lebhaftes wechselndes Zusammenspiel von Farben, bei


ziertes Gewand hält die Mitte zwischen dem kurzen Chiton der Männer und
dem zum Boden hinabreichenden Kleide der Griechinnen. Nur zwei von ihnen,
welche besiegt sind, hat man nackt gemalt, offenbar um anzudeuten, daß sie
Alles dessen, was ihnen Schutz verleiht, beraubt wurden. Die noch Kämpfen¬
den sind, wie Homer sie nennt, „männergleich" und schwingen ihre Waffen,
das Schwert oder die bekannten, ihnen eigenthümlichen Aexte und Schilde
mit Kraft und Erfolg. Eine kämpft von der Quadriga herab mit Pfeil
und Bogen, eine Kampfweise, welche am besten die Schwierigkeit löst,
die Gegner trotz des sie trennenden, mit sichtlicher Freude vom Künst¬
ler breit hingemalten Viergespannes zu einander in Beziehung zu
setzen. Wunden und Blut sind nur sparsam angedeutet und, wie
mir schien, nur an den Pferdeleibern. Aber der Kampf ist sehr ernst ge¬
meint und nimmt die Empfindungen der Betheiligten ausschließlich in An¬
spruch. Kein Umschlag vom Haß zum Mitleid oder zur Liebe zeigt sich, wie
ihn das moderne Gefühl bei der Feindschaft beider Geschlechter sich gerne
ausgemalt hat und auch das Alterthum wenigstens in dem Schlüsse der
schönen Sage von Achill und Penthesilea zum Ausdrucke bringt. Gleichwohl
ist hier die Kampfeswuth in den Gesichtern gemäßigt ausgesprochen, wie auch
die Bewegungen bei aller Lebendigkeit doch nicht jenes Maß und jene Hal¬
tung verlieren, welche so wesentliche Eigenschaften der antiken Idealität bil¬
den. Die Zeichnung ist von großartigem Stile, dabei ungemein gewandt
und fast überall auch rein; demjenigen auf den griechischen Basen dürfte sie
kaum nachstehen. Die Wirkung der Farben erscheint sehr harmonisch und
doch ist die Malerei außerordentlich einfach. Wie wir einer Aufzeichnung
unseres bereits oben erwähnten Freundes, des Malers O. Donner, ent¬
nehmen, hat man nur zwei Schattirungen in den verschiedenen Farben be¬
nutzt, den lichten und einen mittleren Ton, doch sind auch beide gemischt, und
für die Modellirung wurden dunklere Striche auf den mittleren Ton gelegt.
Auch ist keineswegs von einer eigentlich malerischen Composition zu reden,
wir glauben vielmehr das Ganze am kürzesten als colorirte Zeichnung im
Reliefstil bezeichnen zu können.

Und doch beruht auf den Farben der größte Theil des Interesses,
welches der neue Fund einflößt. Den bisher giltigen Dogmen der Archäo¬
logie sowohl wie der Aesthetik gegenüber ist es gewissermaßen unerhört, daß
ein Monument aus Marmor in dieser Weise mit Malerei verziert erscheint;
und freilich konnte es bis jetzt als große Seltenheit angesehen werden, wenn
auf Werken aus jenem Stoffe einfache farbige Ornamente oder einige Fi¬
guren in Umrißzeichnung zu sehen waren. Hier aber haben wir eine reiche
Composition, ein lebhaftes wechselndes Zusammenspiel von Farben, bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/178>, abgerufen am 27.05.2024.