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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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und die der künstlerischen Dienstleistung) theils der Mitwirkung der Frauen¬
kräfte nicht entrathen können, theils ihr keineswegs widerstreben.

Innerhalb dieser großen Gruppen freilich gibt es Geschäfte und inner¬
halb der einzelnen Geschäfte gibt es Functionen, die aus natürlichen Grün¬
den für alle Zeit den Männern überlassen bleiben müssen. Es gibt anderer¬
seits solche Geschäfte und Functionen, welche, ebenfalls aus natürlichen
Gründen, sich besser für die Frauen, als für die Männer eignen. Wo die
Organisation des Wirthschaftslebens sich frei von künstlichem Zwang und
unbehelligt von dem Drucke des Vorurtheils, also gesund und naturgemäß,
entwickelt, werden sich beide Geschlechter je nach der individuellen Kraft und
Befähigung in die Arbeiten des Erwerbslebens theilen, wird weder dem einen
noch dem anderen eine der großen Gewerbsgruppen, wird aber innerhalb
dieser dem einen dieses, dem anderen jenes Geschäft und innerhalb der
Geschäfte dem einen diese, dem anderen jene Function verschlossen sein.

Da wir diesem Zustande zustreben, sehe ich keinen Grund, bei der
Ordnung der gewerblichen Fachbildung der Frauen von anderen Grund¬
lagen auszugehen, als von denen man ausgehen muß und thatsächlich viel¬
fach bei der Einrichtung der gewerblichen Erziehung des männlichen Ge¬
schlechtes ausgegangen ist. Im Gegentheil: es wird von den nämlichen Grund¬
lagen auszugehen sein und es liegt in dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit,
daß, wenn auf diesen Grundlagen consequent weitergebaut wird, man bei der
Ordnung der Fachbildung des weiblichen Geschlechtes zu Resultaten gelangt,
die zu Reformen der männlichen Erziehung Wohl verwerthet werden können.

Für die letztere scheinen mir vor Allem folgende Grundsätze maßgebend
zu sein:

1) Jedem Fach-Unterricht muß ein allgemeiner vorausgehen, der es
nur auf die harmonische Entwickelung aller geistigen Kräfte
des Schülers absieht, und bei der Wahl des Bildungsstoffes nur dieses
Ziel, nicht aber schon irgend einen bestimmten Berufskreis, in welchen der
Schüler möglicher Weise künstig eintreten wird, ins Auge fassen darf.

2) Die Anstalten zum Zweck der Erziehung für die gütererzeu-
gen Gewerbeund den Handel müssen andere, und auch die Unterrichts¬
methode, der Bildungsgang muß anders eingerichtet sein, wo es sich um die
Heranbildung künftiger Großunternehmer, als wo es sich um die Heran¬
bildung künftiger Kleinunternehmer handelt. Dort muß der allgemeinen
Vorbildung mehr Zeit gewidmet., muß die eigentliche Fachbildung wissen¬
schaftlicher, fundamentaler eingerichtet, kann die technische Uebung, die Bil¬
dung der Fertigkeit, soweit diese sich überhaupt schulmäßig betreiben läßt,
stark eingeschränkt und auf die letzten Stadien verschoben sein. Hier dagegen
mag dem Elementarunterricht alsbald die specielle Fachbildung folgen, die


und die der künstlerischen Dienstleistung) theils der Mitwirkung der Frauen¬
kräfte nicht entrathen können, theils ihr keineswegs widerstreben.

Innerhalb dieser großen Gruppen freilich gibt es Geschäfte und inner¬
halb der einzelnen Geschäfte gibt es Functionen, die aus natürlichen Grün¬
den für alle Zeit den Männern überlassen bleiben müssen. Es gibt anderer¬
seits solche Geschäfte und Functionen, welche, ebenfalls aus natürlichen
Gründen, sich besser für die Frauen, als für die Männer eignen. Wo die
Organisation des Wirthschaftslebens sich frei von künstlichem Zwang und
unbehelligt von dem Drucke des Vorurtheils, also gesund und naturgemäß,
entwickelt, werden sich beide Geschlechter je nach der individuellen Kraft und
Befähigung in die Arbeiten des Erwerbslebens theilen, wird weder dem einen
noch dem anderen eine der großen Gewerbsgruppen, wird aber innerhalb
dieser dem einen dieses, dem anderen jenes Geschäft und innerhalb der
Geschäfte dem einen diese, dem anderen jene Function verschlossen sein.

Da wir diesem Zustande zustreben, sehe ich keinen Grund, bei der
Ordnung der gewerblichen Fachbildung der Frauen von anderen Grund¬
lagen auszugehen, als von denen man ausgehen muß und thatsächlich viel¬
fach bei der Einrichtung der gewerblichen Erziehung des männlichen Ge¬
schlechtes ausgegangen ist. Im Gegentheil: es wird von den nämlichen Grund¬
lagen auszugehen sein und es liegt in dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit,
daß, wenn auf diesen Grundlagen consequent weitergebaut wird, man bei der
Ordnung der Fachbildung des weiblichen Geschlechtes zu Resultaten gelangt,
die zu Reformen der männlichen Erziehung Wohl verwerthet werden können.

Für die letztere scheinen mir vor Allem folgende Grundsätze maßgebend
zu sein:

1) Jedem Fach-Unterricht muß ein allgemeiner vorausgehen, der es
nur auf die harmonische Entwickelung aller geistigen Kräfte
des Schülers absieht, und bei der Wahl des Bildungsstoffes nur dieses
Ziel, nicht aber schon irgend einen bestimmten Berufskreis, in welchen der
Schüler möglicher Weise künstig eintreten wird, ins Auge fassen darf.

2) Die Anstalten zum Zweck der Erziehung für die gütererzeu-
gen Gewerbeund den Handel müssen andere, und auch die Unterrichts¬
methode, der Bildungsgang muß anders eingerichtet sein, wo es sich um die
Heranbildung künftiger Großunternehmer, als wo es sich um die Heran¬
bildung künftiger Kleinunternehmer handelt. Dort muß der allgemeinen
Vorbildung mehr Zeit gewidmet., muß die eigentliche Fachbildung wissen¬
schaftlicher, fundamentaler eingerichtet, kann die technische Uebung, die Bil¬
dung der Fertigkeit, soweit diese sich überhaupt schulmäßig betreiben läßt,
stark eingeschränkt und auf die letzten Stadien verschoben sein. Hier dagegen
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[0222] und die der künstlerischen Dienstleistung) theils der Mitwirkung der Frauen¬ kräfte nicht entrathen können, theils ihr keineswegs widerstreben. Innerhalb dieser großen Gruppen freilich gibt es Geschäfte und inner¬ halb der einzelnen Geschäfte gibt es Functionen, die aus natürlichen Grün¬ den für alle Zeit den Männern überlassen bleiben müssen. Es gibt anderer¬ seits solche Geschäfte und Functionen, welche, ebenfalls aus natürlichen Gründen, sich besser für die Frauen, als für die Männer eignen. Wo die Organisation des Wirthschaftslebens sich frei von künstlichem Zwang und unbehelligt von dem Drucke des Vorurtheils, also gesund und naturgemäß, entwickelt, werden sich beide Geschlechter je nach der individuellen Kraft und Befähigung in die Arbeiten des Erwerbslebens theilen, wird weder dem einen noch dem anderen eine der großen Gewerbsgruppen, wird aber innerhalb dieser dem einen dieses, dem anderen jenes Geschäft und innerhalb der Geschäfte dem einen diese, dem anderen jene Function verschlossen sein. Da wir diesem Zustande zustreben, sehe ich keinen Grund, bei der Ordnung der gewerblichen Fachbildung der Frauen von anderen Grund¬ lagen auszugehen, als von denen man ausgehen muß und thatsächlich viel¬ fach bei der Einrichtung der gewerblichen Erziehung des männlichen Ge¬ schlechtes ausgegangen ist. Im Gegentheil: es wird von den nämlichen Grund¬ lagen auszugehen sein und es liegt in dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit, daß, wenn auf diesen Grundlagen consequent weitergebaut wird, man bei der Ordnung der Fachbildung des weiblichen Geschlechtes zu Resultaten gelangt, die zu Reformen der männlichen Erziehung Wohl verwerthet werden können. Für die letztere scheinen mir vor Allem folgende Grundsätze maßgebend zu sein: 1) Jedem Fach-Unterricht muß ein allgemeiner vorausgehen, der es nur auf die harmonische Entwickelung aller geistigen Kräfte des Schülers absieht, und bei der Wahl des Bildungsstoffes nur dieses Ziel, nicht aber schon irgend einen bestimmten Berufskreis, in welchen der Schüler möglicher Weise künstig eintreten wird, ins Auge fassen darf. 2) Die Anstalten zum Zweck der Erziehung für die gütererzeu- gen Gewerbeund den Handel müssen andere, und auch die Unterrichts¬ methode, der Bildungsgang muß anders eingerichtet sein, wo es sich um die Heranbildung künftiger Großunternehmer, als wo es sich um die Heran¬ bildung künftiger Kleinunternehmer handelt. Dort muß der allgemeinen Vorbildung mehr Zeit gewidmet., muß die eigentliche Fachbildung wissen¬ schaftlicher, fundamentaler eingerichtet, kann die technische Uebung, die Bil¬ dung der Fertigkeit, soweit diese sich überhaupt schulmäßig betreiben läßt, stark eingeschränkt und auf die letzten Stadien verschoben sein. Hier dagegen mag dem Elementarunterricht alsbald die specielle Fachbildung folgen, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/222>, abgerufen am 12.05.2024.