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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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auch schon mit Uebungen in der Technik verknüpft sein mag, die sich über¬
haupt mehr als Unterweisung wie als gründliche Durchbildung darstellt,
weniger fundamental, weniger wissenschaftlich zu Werke zu gehen braucht und
zu Werke gehen kann.

Wer ein kleines Bauerngut zu verwalten haben wird, thut gewiß gut,
sich nicht mit der allgemein elementaren Bildung, welche die Volksschule dar¬
bietet, zu begnügen. Aber er wird selten die Zeit oder die Mittel haben,
sich für seinen Beruf streng wissenschaftlich auszubilden, und sein künftiger
Berufskreis würde ihm schwerlich Raum gewähren zur Verwerthung eines in
vielleicht achtjähriger Arbeit aufgespeicherten Schatzes von Kenntnissen. Für
ihn wird die Ackerbauschule der richtige Platz sein, wo zwar keineswegs nur
Recepte geboren zu werden brauchen, der Lehrer aber auch mit seinen Schü¬
lern nicht in die Tiefen der Grundwissenschaften hinabsteigen kann, sondern
sich mit Darbietung des nothwendigsten auf dem Gebiete der angewandten
Wissenschaft begnügen, und der handwerksmäßigen Uebung, der instructiven
Anschauung neben dem eigentlich theoretischen Unterricht ihr Recht lassen muß.

Ganz anders, wer sür den Großbetrieb der Landwirthschaft erzogen
werden soll, und wem die Mittel zu einem längeren Studium zur Verfügung
stehen. Für ihn ist der normale Bildungsgang der von der Elementar- zur
Mittelschule, von da zur Universität, wo dem Studium der Grundwissen¬
schaften erst spät das der Fachwissenschaften folgt und wo jede Uebung in der
Technik ausgeschlossen bleibt. Erst nach dem Universitätsstudium mag dann
die sogenannte Praxis folgen -- ein Bildungsstadium, welches indeß hier
auch einen anderen Charakter haben, reicheren Wechsel der Anschauung bieten,
zur Sammlung vielseitigerer Erfahrungen Gelegenheit gewähren muß, als
wo es sich um die Ausbildung für den Kleinbetrieb handelt.

Ich brauche den obigen Grundsatz nicht in ähnlicher Weise durch Bei¬
spiele aus dem Gebiete der gewerblichen und der mercantilen Vorbildung zu
illustriren. Auch hier muß die sachliche Erziehung ganz anders eingerichtet
sein, wo der Beruf des Handwerkers, als der des Großindustriellen, wo der
Beruf des Krämers, als wo der des Großhändlers in Sicht steht.

3) Die Erziehung für die Gewerbe der gewöhnlichen persönlichen
Dienstleistungen ist im Wesentlichen analog derjenigen für den Klein¬
betrieb der Gewerbe der Gütererzeugung und des Handels einzurichten.

4) Für die Fälle, wo die Berufsverrichtungen so einfach sind, daß eine
eigentlich schulmäßige Erziehung dasür nicht erforderlich sein würde, oder wo
die Verhältnisse den Aufwand an Zeit und Mitteln, welchen solche Erziehung
erheischt, nicht gestatten, muß doch, damit die Bildungskeime, welche die
Elementarschule gelegt hat, nicht verkümmern, für leicht zugängliche, un-


auch schon mit Uebungen in der Technik verknüpft sein mag, die sich über¬
haupt mehr als Unterweisung wie als gründliche Durchbildung darstellt,
weniger fundamental, weniger wissenschaftlich zu Werke zu gehen braucht und
zu Werke gehen kann.

Wer ein kleines Bauerngut zu verwalten haben wird, thut gewiß gut,
sich nicht mit der allgemein elementaren Bildung, welche die Volksschule dar¬
bietet, zu begnügen. Aber er wird selten die Zeit oder die Mittel haben,
sich für seinen Beruf streng wissenschaftlich auszubilden, und sein künftiger
Berufskreis würde ihm schwerlich Raum gewähren zur Verwerthung eines in
vielleicht achtjähriger Arbeit aufgespeicherten Schatzes von Kenntnissen. Für
ihn wird die Ackerbauschule der richtige Platz sein, wo zwar keineswegs nur
Recepte geboren zu werden brauchen, der Lehrer aber auch mit seinen Schü¬
lern nicht in die Tiefen der Grundwissenschaften hinabsteigen kann, sondern
sich mit Darbietung des nothwendigsten auf dem Gebiete der angewandten
Wissenschaft begnügen, und der handwerksmäßigen Uebung, der instructiven
Anschauung neben dem eigentlich theoretischen Unterricht ihr Recht lassen muß.

Ganz anders, wer sür den Großbetrieb der Landwirthschaft erzogen
werden soll, und wem die Mittel zu einem längeren Studium zur Verfügung
stehen. Für ihn ist der normale Bildungsgang der von der Elementar- zur
Mittelschule, von da zur Universität, wo dem Studium der Grundwissen¬
schaften erst spät das der Fachwissenschaften folgt und wo jede Uebung in der
Technik ausgeschlossen bleibt. Erst nach dem Universitätsstudium mag dann
die sogenannte Praxis folgen — ein Bildungsstadium, welches indeß hier
auch einen anderen Charakter haben, reicheren Wechsel der Anschauung bieten,
zur Sammlung vielseitigerer Erfahrungen Gelegenheit gewähren muß, als
wo es sich um die Ausbildung für den Kleinbetrieb handelt.

Ich brauche den obigen Grundsatz nicht in ähnlicher Weise durch Bei¬
spiele aus dem Gebiete der gewerblichen und der mercantilen Vorbildung zu
illustriren. Auch hier muß die sachliche Erziehung ganz anders eingerichtet
sein, wo der Beruf des Handwerkers, als der des Großindustriellen, wo der
Beruf des Krämers, als wo der des Großhändlers in Sicht steht.

3) Die Erziehung für die Gewerbe der gewöhnlichen persönlichen
Dienstleistungen ist im Wesentlichen analog derjenigen für den Klein¬
betrieb der Gewerbe der Gütererzeugung und des Handels einzurichten.

4) Für die Fälle, wo die Berufsverrichtungen so einfach sind, daß eine
eigentlich schulmäßige Erziehung dasür nicht erforderlich sein würde, oder wo
die Verhältnisse den Aufwand an Zeit und Mitteln, welchen solche Erziehung
erheischt, nicht gestatten, muß doch, damit die Bildungskeime, welche die
Elementarschule gelegt hat, nicht verkümmern, für leicht zugängliche, un-


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[0223] auch schon mit Uebungen in der Technik verknüpft sein mag, die sich über¬ haupt mehr als Unterweisung wie als gründliche Durchbildung darstellt, weniger fundamental, weniger wissenschaftlich zu Werke zu gehen braucht und zu Werke gehen kann. Wer ein kleines Bauerngut zu verwalten haben wird, thut gewiß gut, sich nicht mit der allgemein elementaren Bildung, welche die Volksschule dar¬ bietet, zu begnügen. Aber er wird selten die Zeit oder die Mittel haben, sich für seinen Beruf streng wissenschaftlich auszubilden, und sein künftiger Berufskreis würde ihm schwerlich Raum gewähren zur Verwerthung eines in vielleicht achtjähriger Arbeit aufgespeicherten Schatzes von Kenntnissen. Für ihn wird die Ackerbauschule der richtige Platz sein, wo zwar keineswegs nur Recepte geboren zu werden brauchen, der Lehrer aber auch mit seinen Schü¬ lern nicht in die Tiefen der Grundwissenschaften hinabsteigen kann, sondern sich mit Darbietung des nothwendigsten auf dem Gebiete der angewandten Wissenschaft begnügen, und der handwerksmäßigen Uebung, der instructiven Anschauung neben dem eigentlich theoretischen Unterricht ihr Recht lassen muß. Ganz anders, wer sür den Großbetrieb der Landwirthschaft erzogen werden soll, und wem die Mittel zu einem längeren Studium zur Verfügung stehen. Für ihn ist der normale Bildungsgang der von der Elementar- zur Mittelschule, von da zur Universität, wo dem Studium der Grundwissen¬ schaften erst spät das der Fachwissenschaften folgt und wo jede Uebung in der Technik ausgeschlossen bleibt. Erst nach dem Universitätsstudium mag dann die sogenannte Praxis folgen — ein Bildungsstadium, welches indeß hier auch einen anderen Charakter haben, reicheren Wechsel der Anschauung bieten, zur Sammlung vielseitigerer Erfahrungen Gelegenheit gewähren muß, als wo es sich um die Ausbildung für den Kleinbetrieb handelt. Ich brauche den obigen Grundsatz nicht in ähnlicher Weise durch Bei¬ spiele aus dem Gebiete der gewerblichen und der mercantilen Vorbildung zu illustriren. Auch hier muß die sachliche Erziehung ganz anders eingerichtet sein, wo der Beruf des Handwerkers, als der des Großindustriellen, wo der Beruf des Krämers, als wo der des Großhändlers in Sicht steht. 3) Die Erziehung für die Gewerbe der gewöhnlichen persönlichen Dienstleistungen ist im Wesentlichen analog derjenigen für den Klein¬ betrieb der Gewerbe der Gütererzeugung und des Handels einzurichten. 4) Für die Fälle, wo die Berufsverrichtungen so einfach sind, daß eine eigentlich schulmäßige Erziehung dasür nicht erforderlich sein würde, oder wo die Verhältnisse den Aufwand an Zeit und Mitteln, welchen solche Erziehung erheischt, nicht gestatten, muß doch, damit die Bildungskeime, welche die Elementarschule gelegt hat, nicht verkümmern, für leicht zugängliche, un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/223>, abgerufen am 23.05.2024.