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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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mittelbar die rein menschliche Erziehung fördernde, mittelbar auch die Be¬
rufsthätigkeit steigernde Fortbildunsanstalten gesorgt sein.

5) Die Erziehung für die wissenschaftlichen und künstlerischen
Dienstleistungen ist hinsichtlich der Methode und des Bildungsganges
derjenigen sür den Großbetrieb der Gewerbe der Gütererzeugung und des
Handels analog einzurichten. Nur daß die künstlerische Erziehung früher
das Moment der technischen Uebung mit aufnehmen, diesem Momente wäh¬
rend der ganzen Periode der Vorbildung größere Beachtung widmen muß.

Diesen Grundsätzen entsprechend, sind unsere verschiedenen Bildungs¬
anstalten für das männliche Geschlecht im Wesentlichen eingerichtet. Wo sie
es noch nicht sind, besteht doch kein Zweifel, daß sie jenen Grundsätzen
entsprechend eingerichtet sein müßten.

Wir haben die Elementarschule für Alle. streitig ist es, ob diese
bei der Wahl ihrer Bildungsstoffe oder bei der Methode der Behandlung
dieser Stoffe auf den präsumtiven künftigen Beruf der meisten Zöglinge
Rücksicht nehmen soll oder nicht. Der Streit ist einfach dahin zu schlichten,
daß. wenn und soweit diese Rücksicht mit dem allgemeinen Bildungsziele
-- der harmonischen Entwickelung aller geistigen Kräfte -- sich verträgt, da¬
gegen nichts eingewendet werden kann. Der Dorfschullehrer wird Verstand
und Willen seiner Zöglinge so gut entwickeln können, wenn er seine Auf¬
gaben dem Leben in Hof, Scheuer, Wald und Feld, als wenn er sie dem
städtischen Leben entnimmt, der Stadtschullehrer so gut, wenn er seine
Rechen- und Aufsatz-Themata aus dem städtischen Gewerbsleben, als wenn
er sie aus dem Thun und Treiben der Landleute, der Jäger oder Fischer wählt.

Wir haben die Fortbildungsschule -- Lehrlingsschule, Abend-,
Sonntagsschule -- sür die, welche eine eigentliche schulmäßige Fachvorbildung
nicht nöthig haben, oder nicht bestreiten können.

Da sind ferner die Acker-bauschule, die Gewerbe- und die Han¬
delsschule als Fortsetzung der Elementarschule, aber mit (der Noth ge¬
horchend) verfrühter Unterweisung der Zöglinge in den wesentlichen Ver¬
richtungen des künstigen Berufes, für künftige Kleingewerbtreibende.

Dasind ferner die Realschule und das Gymnasium für Solche, die
eine solide Grundlage für die dann erst folgende sachliche Vorbildung für den
Großgewerbebtrieb oder einen wissenschaftlichen Beruf suchen. Beide An¬
stalten streiten nicht miteinander, oder sollten doch nicht streiten um den Vor¬
rang als Fachvorbereitungsanstalten. Ihre Scheidung ist hervorgegangen
aus der scholastischen Einseitigkeit und Verknöcherung, in welche die ältere
von ihnen verfallen war, und aus dem Streite über den pädagogischen
Werth gewisser Gruppen von Bildungsmitteln. Ich lasse es dahingestellt,
ob meine Annahme begründet ist, daß in diesem Streite Beide Recht


mittelbar die rein menschliche Erziehung fördernde, mittelbar auch die Be¬
rufsthätigkeit steigernde Fortbildunsanstalten gesorgt sein.

5) Die Erziehung für die wissenschaftlichen und künstlerischen
Dienstleistungen ist hinsichtlich der Methode und des Bildungsganges
derjenigen sür den Großbetrieb der Gewerbe der Gütererzeugung und des
Handels analog einzurichten. Nur daß die künstlerische Erziehung früher
das Moment der technischen Uebung mit aufnehmen, diesem Momente wäh¬
rend der ganzen Periode der Vorbildung größere Beachtung widmen muß.

Diesen Grundsätzen entsprechend, sind unsere verschiedenen Bildungs¬
anstalten für das männliche Geschlecht im Wesentlichen eingerichtet. Wo sie
es noch nicht sind, besteht doch kein Zweifel, daß sie jenen Grundsätzen
entsprechend eingerichtet sein müßten.

Wir haben die Elementarschule für Alle. streitig ist es, ob diese
bei der Wahl ihrer Bildungsstoffe oder bei der Methode der Behandlung
dieser Stoffe auf den präsumtiven künftigen Beruf der meisten Zöglinge
Rücksicht nehmen soll oder nicht. Der Streit ist einfach dahin zu schlichten,
daß. wenn und soweit diese Rücksicht mit dem allgemeinen Bildungsziele
— der harmonischen Entwickelung aller geistigen Kräfte — sich verträgt, da¬
gegen nichts eingewendet werden kann. Der Dorfschullehrer wird Verstand
und Willen seiner Zöglinge so gut entwickeln können, wenn er seine Auf¬
gaben dem Leben in Hof, Scheuer, Wald und Feld, als wenn er sie dem
städtischen Leben entnimmt, der Stadtschullehrer so gut, wenn er seine
Rechen- und Aufsatz-Themata aus dem städtischen Gewerbsleben, als wenn
er sie aus dem Thun und Treiben der Landleute, der Jäger oder Fischer wählt.

Wir haben die Fortbildungsschule — Lehrlingsschule, Abend-,
Sonntagsschule — sür die, welche eine eigentliche schulmäßige Fachvorbildung
nicht nöthig haben, oder nicht bestreiten können.

Da sind ferner die Acker-bauschule, die Gewerbe- und die Han¬
delsschule als Fortsetzung der Elementarschule, aber mit (der Noth ge¬
horchend) verfrühter Unterweisung der Zöglinge in den wesentlichen Ver¬
richtungen des künstigen Berufes, für künftige Kleingewerbtreibende.

Dasind ferner die Realschule und das Gymnasium für Solche, die
eine solide Grundlage für die dann erst folgende sachliche Vorbildung für den
Großgewerbebtrieb oder einen wissenschaftlichen Beruf suchen. Beide An¬
stalten streiten nicht miteinander, oder sollten doch nicht streiten um den Vor¬
rang als Fachvorbereitungsanstalten. Ihre Scheidung ist hervorgegangen
aus der scholastischen Einseitigkeit und Verknöcherung, in welche die ältere
von ihnen verfallen war, und aus dem Streite über den pädagogischen
Werth gewisser Gruppen von Bildungsmitteln. Ich lasse es dahingestellt,
ob meine Annahme begründet ist, daß in diesem Streite Beide Recht


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[0224] mittelbar die rein menschliche Erziehung fördernde, mittelbar auch die Be¬ rufsthätigkeit steigernde Fortbildunsanstalten gesorgt sein. 5) Die Erziehung für die wissenschaftlichen und künstlerischen Dienstleistungen ist hinsichtlich der Methode und des Bildungsganges derjenigen sür den Großbetrieb der Gewerbe der Gütererzeugung und des Handels analog einzurichten. Nur daß die künstlerische Erziehung früher das Moment der technischen Uebung mit aufnehmen, diesem Momente wäh¬ rend der ganzen Periode der Vorbildung größere Beachtung widmen muß. Diesen Grundsätzen entsprechend, sind unsere verschiedenen Bildungs¬ anstalten für das männliche Geschlecht im Wesentlichen eingerichtet. Wo sie es noch nicht sind, besteht doch kein Zweifel, daß sie jenen Grundsätzen entsprechend eingerichtet sein müßten. Wir haben die Elementarschule für Alle. streitig ist es, ob diese bei der Wahl ihrer Bildungsstoffe oder bei der Methode der Behandlung dieser Stoffe auf den präsumtiven künftigen Beruf der meisten Zöglinge Rücksicht nehmen soll oder nicht. Der Streit ist einfach dahin zu schlichten, daß. wenn und soweit diese Rücksicht mit dem allgemeinen Bildungsziele — der harmonischen Entwickelung aller geistigen Kräfte — sich verträgt, da¬ gegen nichts eingewendet werden kann. Der Dorfschullehrer wird Verstand und Willen seiner Zöglinge so gut entwickeln können, wenn er seine Auf¬ gaben dem Leben in Hof, Scheuer, Wald und Feld, als wenn er sie dem städtischen Leben entnimmt, der Stadtschullehrer so gut, wenn er seine Rechen- und Aufsatz-Themata aus dem städtischen Gewerbsleben, als wenn er sie aus dem Thun und Treiben der Landleute, der Jäger oder Fischer wählt. Wir haben die Fortbildungsschule — Lehrlingsschule, Abend-, Sonntagsschule — sür die, welche eine eigentliche schulmäßige Fachvorbildung nicht nöthig haben, oder nicht bestreiten können. Da sind ferner die Acker-bauschule, die Gewerbe- und die Han¬ delsschule als Fortsetzung der Elementarschule, aber mit (der Noth ge¬ horchend) verfrühter Unterweisung der Zöglinge in den wesentlichen Ver¬ richtungen des künstigen Berufes, für künftige Kleingewerbtreibende. Dasind ferner die Realschule und das Gymnasium für Solche, die eine solide Grundlage für die dann erst folgende sachliche Vorbildung für den Großgewerbebtrieb oder einen wissenschaftlichen Beruf suchen. Beide An¬ stalten streiten nicht miteinander, oder sollten doch nicht streiten um den Vor¬ rang als Fachvorbereitungsanstalten. Ihre Scheidung ist hervorgegangen aus der scholastischen Einseitigkeit und Verknöcherung, in welche die ältere von ihnen verfallen war, und aus dem Streite über den pädagogischen Werth gewisser Gruppen von Bildungsmitteln. Ich lasse es dahingestellt, ob meine Annahme begründet ist, daß in diesem Streite Beide Recht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/224>, abgerufen am 16.06.2024.