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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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rungen worden, kann auch auf keine andere Weise als durch Blut erneuert
werden." Indem er jetzt von der Voraussetzung ausging, auch in den Wald-
cantonen sei das Volk für das Evangelium empfänglich und geneigt, wenn
es nur nicht von seinen Führern zurückgehalten würde, sah er es als ein
Recht an, mit Waffengewalt die Sache des Evangeliums nicht blos zu ver¬
theidigen, sondern auch auszubreiten. Andererseits waren freilich die Dinge
bereits soweit gediehen, daß an einen friedlichen Austrag kaum mehr zu
denken war. Im April 1529 hatten die fünf Orte ein förmliches Bündniß
mit König Ferdinand abgeschlossen, und auf dem Reichstag zu Speyer wurde
an einem allgemeinen Bündniß der katholischen Fürsten zur Unterdrückung
der neuen Lehre gearbeitet. Wenn aber der Krieg unvermeidlich war, so
wird man Zwingli nicht tadeln können, wenn er durch eine rasche Initiative
seiner Sache den Sieg zu sichern gedachte. Mit derselben ruhigen Ent¬
schlossenheit, mit der er das Kirchenwesen seines Landes umgewandelt, ent¬
warf er jetzt die Pläne des Feldzugs und stellte die Regeln zusammen, welche
Erfahrung und Klugheit dem Züricherischen Feldhauptmann an die Hand
geben konnten, und des eigenen Staates sicher wandte er sich jetzt mit be¬
redten Worten an die Bürger von Bern, standhaft zu sein und den Krieg
nicht zu fürchten. "Denn jener Frieden, auf den einige so sehr dringen, ist
kein Frieden, sondern Krieg. Und der Krieg, auf den wir bestehen, ist kein
Krieg, sondern Frieden. Das Ziel, auf welches wir losgehen, ist nicht grau¬
sam, sondern freundlich und väterlich. Wir wünschen Manche zu retten,
welche aus Unkenntniß verloren gehen. Wir verlangen, die Freiheit zu
retten." In Bern aber theilte man die Ansicht von der Nothwendig¬
keit des Krieges keineswegs. Das Zögern und Vermitteln dieses nächsten
Bundesgenossen verhinderte sür diesmal noch den Ausbruch. Sehr
gegen Zwingli's Willen wurde der erste Cappler Friede geschlossen, der
in der That kein Friede war, dessen streitige Auslegung vielmehr
der Anlaß zu dem zwei Jahre später wirklich ausbrechenden Kriege
wurde. Der unselige Abendmahlsstreit, der seit dem Jahre 1826 in einer
Reihe von Schriften und Gegenschriften wüthete, und der auf dem Marburger
Gespräch im October 1529, anstatt seine Beilegung, vielmehr seine definitive
Verfestigung fand, war zugleich die Ursache, daß die vielleicht letzte Gelegen¬
heit, die Schweizer Städte beim Reich zu halten, verloren ging. Unter dem
Eindruck des Reichstags von Speyer sollte eine Vereinigung sämmtlicher
evangelischer Fürsten, Städte und Länder hergestellt werden. Seit Marburg
bestand aber Luther darauf, daß vollkommene Einheit des Glaubens dazu
gehöre, wenn man sich gegenseitig vertheidigen wolle, und daß insbesondere
keine Differenz in Bezug auf das Abendmahl stattfinden dürfe. Aus diesem
Grunde verweigerten bei der Versammlung zu Schmalkalden Ende 1529 die


rungen worden, kann auch auf keine andere Weise als durch Blut erneuert
werden." Indem er jetzt von der Voraussetzung ausging, auch in den Wald-
cantonen sei das Volk für das Evangelium empfänglich und geneigt, wenn
es nur nicht von seinen Führern zurückgehalten würde, sah er es als ein
Recht an, mit Waffengewalt die Sache des Evangeliums nicht blos zu ver¬
theidigen, sondern auch auszubreiten. Andererseits waren freilich die Dinge
bereits soweit gediehen, daß an einen friedlichen Austrag kaum mehr zu
denken war. Im April 1529 hatten die fünf Orte ein förmliches Bündniß
mit König Ferdinand abgeschlossen, und auf dem Reichstag zu Speyer wurde
an einem allgemeinen Bündniß der katholischen Fürsten zur Unterdrückung
der neuen Lehre gearbeitet. Wenn aber der Krieg unvermeidlich war, so
wird man Zwingli nicht tadeln können, wenn er durch eine rasche Initiative
seiner Sache den Sieg zu sichern gedachte. Mit derselben ruhigen Ent¬
schlossenheit, mit der er das Kirchenwesen seines Landes umgewandelt, ent¬
warf er jetzt die Pläne des Feldzugs und stellte die Regeln zusammen, welche
Erfahrung und Klugheit dem Züricherischen Feldhauptmann an die Hand
geben konnten, und des eigenen Staates sicher wandte er sich jetzt mit be¬
redten Worten an die Bürger von Bern, standhaft zu sein und den Krieg
nicht zu fürchten. „Denn jener Frieden, auf den einige so sehr dringen, ist
kein Frieden, sondern Krieg. Und der Krieg, auf den wir bestehen, ist kein
Krieg, sondern Frieden. Das Ziel, auf welches wir losgehen, ist nicht grau¬
sam, sondern freundlich und väterlich. Wir wünschen Manche zu retten,
welche aus Unkenntniß verloren gehen. Wir verlangen, die Freiheit zu
retten." In Bern aber theilte man die Ansicht von der Nothwendig¬
keit des Krieges keineswegs. Das Zögern und Vermitteln dieses nächsten
Bundesgenossen verhinderte sür diesmal noch den Ausbruch. Sehr
gegen Zwingli's Willen wurde der erste Cappler Friede geschlossen, der
in der That kein Friede war, dessen streitige Auslegung vielmehr
der Anlaß zu dem zwei Jahre später wirklich ausbrechenden Kriege
wurde. Der unselige Abendmahlsstreit, der seit dem Jahre 1826 in einer
Reihe von Schriften und Gegenschriften wüthete, und der auf dem Marburger
Gespräch im October 1529, anstatt seine Beilegung, vielmehr seine definitive
Verfestigung fand, war zugleich die Ursache, daß die vielleicht letzte Gelegen¬
heit, die Schweizer Städte beim Reich zu halten, verloren ging. Unter dem
Eindruck des Reichstags von Speyer sollte eine Vereinigung sämmtlicher
evangelischer Fürsten, Städte und Länder hergestellt werden. Seit Marburg
bestand aber Luther darauf, daß vollkommene Einheit des Glaubens dazu
gehöre, wenn man sich gegenseitig vertheidigen wolle, und daß insbesondere
keine Differenz in Bezug auf das Abendmahl stattfinden dürfe. Aus diesem
Grunde verweigerten bei der Versammlung zu Schmalkalden Ende 1529 die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/260>, abgerufen am 16.06.2024.