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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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zu Zwingli neigenden oberländischen Städte die Unterzeichnung. Doch kam
in Folge der Bemühungen namentlich Bucer's während des Reichstags zu
Augsburg der Entwurf eines Vergleichs mit den oberländischen und schwei¬
zerischen Städten zu Stande, und die Straßburgzr thaten das Mögliche, um
die Schweizer zu gewinnen. Ebenso betrieb der Landgraf von Hessen nach
dem bedrohlichen Ausgang dieses Reichstags nach Kräften den gemeinsamen
bewaffneten Bund. Durch Constanz sollten die Schweizer zu dem schmal-
kaldischen Bündniß eingeladen werden, und Zürich nennt in seiner Antwort
an Constanz diesen Vorschlag eine herrliche, ganz tröstliche und wichtige Sache
und forderte sofort Bern zum Beitritt auf. Allein da die Lutheraner den
Vergleich in ihrem Sinn interpretirten. so besorgte jetzt Zwingli, daß durch
die Ausgleichsormel "die Wahrheit möchte vermuslet werden." Vergebens
erinnerte Capito daran, daß der Ausgleich zwar weder Zwingli noch die
streng lutherische Meinung befriedigen könne, da aber im schmalkaldischen
Bündniß kein Glaubensartikel vorkomme, so habe man die volle Freiheit
nach seiner Ueberzeugung zu denken und zu glauben. Vergebens wies der
Landgraf von Hessen Zwingli auf das Beispiel des Apostels Paulus, der
auch "dick gewichen." Das Ende der Verhandlungen war, daß die oberländischen
Städte sich soweit der lutherischen Meinung bequemten, daß sie im Frühjahr
1331 in den schmalkaldischen Bund aufgenommen wurden. Die Schweizer
aber blieben getreu. Zwingli ischrieb zur Rechtfertigung an Bucer: "Ihr
geht offenbar darauf aus, daß eine falsche Concordie zu Stande komme, welche
täglich neuen Zwist erregt, während ihr nur darauf ausgehen solltet, daß
der Sachse und die übrigen Fürsten und Völker auf dem Bündniß beständen,
obgleich die Gelehrten in dieser Sache auseinander gehen."

Die von Zwingli unterdessen fortgesetzten Bemühungen, eine Vereinigung
wenigstens mitdensüddeutschen Reichsstädten anzubahnen, mußten unterdiefenUm-
ständen erfolglosbleiben. Nur Straßburgtrat Ende 1629 dem schweizerischen Burg¬
recht bei. Ein Bündniß, das Zürich im December 1S30 mit dem Landgrafen
von Hessen abschloß, wurde wenigstens niemals praktisch. Fruchtlos waren
auch die Verhandlungen Zürichs mit Venedig und Frankreich. Nirgend
War Aussicht auf Hilfe, als im Jahre 1531 in der Schweiz der ernsthafte
Conflict näher und näher sich zusammenzog, und da auch die befreundeten
Cantone keineswegs den kriegerischen Eifer theilten, von welchem Zwingli
beseelt war, Bern insbesondere mit Vermitteln gar nicht fertig werden konnte,
so stand Zürich, das in diesen Vermittlungsversuchen die beste Zeit verlor,
schließlich ganz allein in dem Kampf gegen die übermächtigen fünf Orte.
Letztere hatten übrigens gleichfalls vergebens auf Hilfe aus dem Ausland,
gehofft; nur der Papst hatte ihnen einige hundert italienische Streiter geschickt.

Wie radical die Gedanken Zwingli's über die Umgestaltung der Eid-


zu Zwingli neigenden oberländischen Städte die Unterzeichnung. Doch kam
in Folge der Bemühungen namentlich Bucer's während des Reichstags zu
Augsburg der Entwurf eines Vergleichs mit den oberländischen und schwei¬
zerischen Städten zu Stande, und die Straßburgzr thaten das Mögliche, um
die Schweizer zu gewinnen. Ebenso betrieb der Landgraf von Hessen nach
dem bedrohlichen Ausgang dieses Reichstags nach Kräften den gemeinsamen
bewaffneten Bund. Durch Constanz sollten die Schweizer zu dem schmal-
kaldischen Bündniß eingeladen werden, und Zürich nennt in seiner Antwort
an Constanz diesen Vorschlag eine herrliche, ganz tröstliche und wichtige Sache
und forderte sofort Bern zum Beitritt auf. Allein da die Lutheraner den
Vergleich in ihrem Sinn interpretirten. so besorgte jetzt Zwingli, daß durch
die Ausgleichsormel „die Wahrheit möchte vermuslet werden." Vergebens
erinnerte Capito daran, daß der Ausgleich zwar weder Zwingli noch die
streng lutherische Meinung befriedigen könne, da aber im schmalkaldischen
Bündniß kein Glaubensartikel vorkomme, so habe man die volle Freiheit
nach seiner Ueberzeugung zu denken und zu glauben. Vergebens wies der
Landgraf von Hessen Zwingli auf das Beispiel des Apostels Paulus, der
auch „dick gewichen." Das Ende der Verhandlungen war, daß die oberländischen
Städte sich soweit der lutherischen Meinung bequemten, daß sie im Frühjahr
1331 in den schmalkaldischen Bund aufgenommen wurden. Die Schweizer
aber blieben getreu. Zwingli ischrieb zur Rechtfertigung an Bucer: „Ihr
geht offenbar darauf aus, daß eine falsche Concordie zu Stande komme, welche
täglich neuen Zwist erregt, während ihr nur darauf ausgehen solltet, daß
der Sachse und die übrigen Fürsten und Völker auf dem Bündniß beständen,
obgleich die Gelehrten in dieser Sache auseinander gehen."

Die von Zwingli unterdessen fortgesetzten Bemühungen, eine Vereinigung
wenigstens mitdensüddeutschen Reichsstädten anzubahnen, mußten unterdiefenUm-
ständen erfolglosbleiben. Nur Straßburgtrat Ende 1629 dem schweizerischen Burg¬
recht bei. Ein Bündniß, das Zürich im December 1S30 mit dem Landgrafen
von Hessen abschloß, wurde wenigstens niemals praktisch. Fruchtlos waren
auch die Verhandlungen Zürichs mit Venedig und Frankreich. Nirgend
War Aussicht auf Hilfe, als im Jahre 1531 in der Schweiz der ernsthafte
Conflict näher und näher sich zusammenzog, und da auch die befreundeten
Cantone keineswegs den kriegerischen Eifer theilten, von welchem Zwingli
beseelt war, Bern insbesondere mit Vermitteln gar nicht fertig werden konnte,
so stand Zürich, das in diesen Vermittlungsversuchen die beste Zeit verlor,
schließlich ganz allein in dem Kampf gegen die übermächtigen fünf Orte.
Letztere hatten übrigens gleichfalls vergebens auf Hilfe aus dem Ausland,
gehofft; nur der Papst hatte ihnen einige hundert italienische Streiter geschickt.

Wie radical die Gedanken Zwingli's über die Umgestaltung der Eid-


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[0261] zu Zwingli neigenden oberländischen Städte die Unterzeichnung. Doch kam in Folge der Bemühungen namentlich Bucer's während des Reichstags zu Augsburg der Entwurf eines Vergleichs mit den oberländischen und schwei¬ zerischen Städten zu Stande, und die Straßburgzr thaten das Mögliche, um die Schweizer zu gewinnen. Ebenso betrieb der Landgraf von Hessen nach dem bedrohlichen Ausgang dieses Reichstags nach Kräften den gemeinsamen bewaffneten Bund. Durch Constanz sollten die Schweizer zu dem schmal- kaldischen Bündniß eingeladen werden, und Zürich nennt in seiner Antwort an Constanz diesen Vorschlag eine herrliche, ganz tröstliche und wichtige Sache und forderte sofort Bern zum Beitritt auf. Allein da die Lutheraner den Vergleich in ihrem Sinn interpretirten. so besorgte jetzt Zwingli, daß durch die Ausgleichsormel „die Wahrheit möchte vermuslet werden." Vergebens erinnerte Capito daran, daß der Ausgleich zwar weder Zwingli noch die streng lutherische Meinung befriedigen könne, da aber im schmalkaldischen Bündniß kein Glaubensartikel vorkomme, so habe man die volle Freiheit nach seiner Ueberzeugung zu denken und zu glauben. Vergebens wies der Landgraf von Hessen Zwingli auf das Beispiel des Apostels Paulus, der auch „dick gewichen." Das Ende der Verhandlungen war, daß die oberländischen Städte sich soweit der lutherischen Meinung bequemten, daß sie im Frühjahr 1331 in den schmalkaldischen Bund aufgenommen wurden. Die Schweizer aber blieben getreu. Zwingli ischrieb zur Rechtfertigung an Bucer: „Ihr geht offenbar darauf aus, daß eine falsche Concordie zu Stande komme, welche täglich neuen Zwist erregt, während ihr nur darauf ausgehen solltet, daß der Sachse und die übrigen Fürsten und Völker auf dem Bündniß beständen, obgleich die Gelehrten in dieser Sache auseinander gehen." Die von Zwingli unterdessen fortgesetzten Bemühungen, eine Vereinigung wenigstens mitdensüddeutschen Reichsstädten anzubahnen, mußten unterdiefenUm- ständen erfolglosbleiben. Nur Straßburgtrat Ende 1629 dem schweizerischen Burg¬ recht bei. Ein Bündniß, das Zürich im December 1S30 mit dem Landgrafen von Hessen abschloß, wurde wenigstens niemals praktisch. Fruchtlos waren auch die Verhandlungen Zürichs mit Venedig und Frankreich. Nirgend War Aussicht auf Hilfe, als im Jahre 1531 in der Schweiz der ernsthafte Conflict näher und näher sich zusammenzog, und da auch die befreundeten Cantone keineswegs den kriegerischen Eifer theilten, von welchem Zwingli beseelt war, Bern insbesondere mit Vermitteln gar nicht fertig werden konnte, so stand Zürich, das in diesen Vermittlungsversuchen die beste Zeit verlor, schließlich ganz allein in dem Kampf gegen die übermächtigen fünf Orte. Letztere hatten übrigens gleichfalls vergebens auf Hilfe aus dem Ausland, gehofft; nur der Papst hatte ihnen einige hundert italienische Streiter geschickt. Wie radical die Gedanken Zwingli's über die Umgestaltung der Eid-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/261>, abgerufen am 23.05.2024.