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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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der bei eingeführter Gewerbefreiheit die Städte besonders schwer drückenden
Steuern beantragt. Der Bescheid ist vorläufig abschlägig ausgefallen, aber,
je nach der Stellung, welche die Landschaft auf dem diesjährigen Landtag
dem Reformproject gegenüber einnehmen werde, ist ein eventueller Nachlaß
der Steuern in Aussicht gestellt worden.

Der in der letzten Session in Malchin nicht zum Austrag gekommene
Kampf wird also Heuer in Sternberg auf's Neue entbrennen. Ein das Land
allseitig befriedigendes Ende kann derselbe aber erst finden, wenn die An¬
schauungen sich so weit geklärt haben werden, daß man die principielle Be¬
deutung der Steuerreform in ihrem ganzen Umfange erkennt. Durch eine
veränderte Form des Contributionsmodus kann wohl einzelnen Unzuträg¬
lichkeiten abgeholfen werden, soll die Steuerreform aber eine wahre durch¬
greifende Reform werden, so darf sie sich nicht auf den Contributionsmodus
beschränken, muß sie das Princip ergreisen. Und machen, wie oben an¬
gedeutet, die Ansprüche den Uebergang von dem bisherigen System zum
Princip der modernen Staatssteuern nothwendig, so muß man mit Noth¬
wendigkeit gleich einen Schritt weitergehen, und wie in Malchin nur erst
von einzelnen, aber mit Anerkennung sei es gesagt, selbst ritterschaftlichen
Stimmen, gefordert wurde, man muß das Wort "Budget" in das mecklen¬
burgische Staatswörterbuch aufnehmen. So lange die Stände dem Landes¬
herrn freiwillig Contributionen bewilligen -- und freiwillig bleibt diese Be¬
willigung im Princip selbst dann, wenn sie sich, wie in Mecklenburg, ver¬
tragsweise zur dauernden Bewilligung im Voraus verpflichtet haben --, so
lange können die Stände es der Regierung überlassen, mit den Erträgen der
Contribution nach eigenem freien Ermessen zu wirthschaften. Soll dagegen
die Verpflichtung zur Tragung der Regierungskosten von den Schultern des
Landesherrn auf das Land überwälzt werden, so muß cousequenter Weise
dem Lande auch das Recht zugestanden werden, die Bedürfnißfrage zu prüfen
und den Verbleib der Steuern zu controliren.

Diese Bedeutung der Steuerreform und ihrer Consequenzen ist es, die
die Stände mit einem gewissen Widerwillen an dieselbe herantreten, uns aber
hoffen läßt, daß das ständische Princip an derselben Schiffbruch leiden werde.
Daß der Landtag sich noch eine Weile an die letzten Trümmer unseres feu¬
dalen Wracks anklammern werde, wissen wir freilich, aber wir wissen auch,
daß die, Mecklenburg rings umbrandenden "Wogen des Constitutionalismus"
diese letzten Trümmer endlich verschlingen werden.

Wenn trotz der eminenten Wichtigkeit, welche die Steuerreform für
Mecklenburg hat, das Land den Verhandlungen des Landtags mit scheinbar
apathischer Ruhe entgegensieht, so erklärt sich diese Gleichgiltigkeit -- ab¬
gesehen von den Fesseln, in denen jede politische Bewegung in Mecklenburg


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der bei eingeführter Gewerbefreiheit die Städte besonders schwer drückenden
Steuern beantragt. Der Bescheid ist vorläufig abschlägig ausgefallen, aber,
je nach der Stellung, welche die Landschaft auf dem diesjährigen Landtag
dem Reformproject gegenüber einnehmen werde, ist ein eventueller Nachlaß
der Steuern in Aussicht gestellt worden.

Der in der letzten Session in Malchin nicht zum Austrag gekommene
Kampf wird also Heuer in Sternberg auf's Neue entbrennen. Ein das Land
allseitig befriedigendes Ende kann derselbe aber erst finden, wenn die An¬
schauungen sich so weit geklärt haben werden, daß man die principielle Be¬
deutung der Steuerreform in ihrem ganzen Umfange erkennt. Durch eine
veränderte Form des Contributionsmodus kann wohl einzelnen Unzuträg¬
lichkeiten abgeholfen werden, soll die Steuerreform aber eine wahre durch¬
greifende Reform werden, so darf sie sich nicht auf den Contributionsmodus
beschränken, muß sie das Princip ergreisen. Und machen, wie oben an¬
gedeutet, die Ansprüche den Uebergang von dem bisherigen System zum
Princip der modernen Staatssteuern nothwendig, so muß man mit Noth¬
wendigkeit gleich einen Schritt weitergehen, und wie in Malchin nur erst
von einzelnen, aber mit Anerkennung sei es gesagt, selbst ritterschaftlichen
Stimmen, gefordert wurde, man muß das Wort „Budget" in das mecklen¬
burgische Staatswörterbuch aufnehmen. So lange die Stände dem Landes¬
herrn freiwillig Contributionen bewilligen — und freiwillig bleibt diese Be¬
willigung im Princip selbst dann, wenn sie sich, wie in Mecklenburg, ver¬
tragsweise zur dauernden Bewilligung im Voraus verpflichtet haben —, so
lange können die Stände es der Regierung überlassen, mit den Erträgen der
Contribution nach eigenem freien Ermessen zu wirthschaften. Soll dagegen
die Verpflichtung zur Tragung der Regierungskosten von den Schultern des
Landesherrn auf das Land überwälzt werden, so muß cousequenter Weise
dem Lande auch das Recht zugestanden werden, die Bedürfnißfrage zu prüfen
und den Verbleib der Steuern zu controliren.

Diese Bedeutung der Steuerreform und ihrer Consequenzen ist es, die
die Stände mit einem gewissen Widerwillen an dieselbe herantreten, uns aber
hoffen läßt, daß das ständische Princip an derselben Schiffbruch leiden werde.
Daß der Landtag sich noch eine Weile an die letzten Trümmer unseres feu¬
dalen Wracks anklammern werde, wissen wir freilich, aber wir wissen auch,
daß die, Mecklenburg rings umbrandenden „Wogen des Constitutionalismus"
diese letzten Trümmer endlich verschlingen werden.

Wenn trotz der eminenten Wichtigkeit, welche die Steuerreform für
Mecklenburg hat, das Land den Verhandlungen des Landtags mit scheinbar
apathischer Ruhe entgegensieht, so erklärt sich diese Gleichgiltigkeit — ab¬
gesehen von den Fesseln, in denen jede politische Bewegung in Mecklenburg


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[0283] der bei eingeführter Gewerbefreiheit die Städte besonders schwer drückenden Steuern beantragt. Der Bescheid ist vorläufig abschlägig ausgefallen, aber, je nach der Stellung, welche die Landschaft auf dem diesjährigen Landtag dem Reformproject gegenüber einnehmen werde, ist ein eventueller Nachlaß der Steuern in Aussicht gestellt worden. Der in der letzten Session in Malchin nicht zum Austrag gekommene Kampf wird also Heuer in Sternberg auf's Neue entbrennen. Ein das Land allseitig befriedigendes Ende kann derselbe aber erst finden, wenn die An¬ schauungen sich so weit geklärt haben werden, daß man die principielle Be¬ deutung der Steuerreform in ihrem ganzen Umfange erkennt. Durch eine veränderte Form des Contributionsmodus kann wohl einzelnen Unzuträg¬ lichkeiten abgeholfen werden, soll die Steuerreform aber eine wahre durch¬ greifende Reform werden, so darf sie sich nicht auf den Contributionsmodus beschränken, muß sie das Princip ergreisen. Und machen, wie oben an¬ gedeutet, die Ansprüche den Uebergang von dem bisherigen System zum Princip der modernen Staatssteuern nothwendig, so muß man mit Noth¬ wendigkeit gleich einen Schritt weitergehen, und wie in Malchin nur erst von einzelnen, aber mit Anerkennung sei es gesagt, selbst ritterschaftlichen Stimmen, gefordert wurde, man muß das Wort „Budget" in das mecklen¬ burgische Staatswörterbuch aufnehmen. So lange die Stände dem Landes¬ herrn freiwillig Contributionen bewilligen — und freiwillig bleibt diese Be¬ willigung im Princip selbst dann, wenn sie sich, wie in Mecklenburg, ver¬ tragsweise zur dauernden Bewilligung im Voraus verpflichtet haben —, so lange können die Stände es der Regierung überlassen, mit den Erträgen der Contribution nach eigenem freien Ermessen zu wirthschaften. Soll dagegen die Verpflichtung zur Tragung der Regierungskosten von den Schultern des Landesherrn auf das Land überwälzt werden, so muß cousequenter Weise dem Lande auch das Recht zugestanden werden, die Bedürfnißfrage zu prüfen und den Verbleib der Steuern zu controliren. Diese Bedeutung der Steuerreform und ihrer Consequenzen ist es, die die Stände mit einem gewissen Widerwillen an dieselbe herantreten, uns aber hoffen läßt, daß das ständische Princip an derselben Schiffbruch leiden werde. Daß der Landtag sich noch eine Weile an die letzten Trümmer unseres feu¬ dalen Wracks anklammern werde, wissen wir freilich, aber wir wissen auch, daß die, Mecklenburg rings umbrandenden „Wogen des Constitutionalismus" diese letzten Trümmer endlich verschlingen werden. Wenn trotz der eminenten Wichtigkeit, welche die Steuerreform für Mecklenburg hat, das Land den Verhandlungen des Landtags mit scheinbar apathischer Ruhe entgegensieht, so erklärt sich diese Gleichgiltigkeit — ab¬ gesehen von den Fesseln, in denen jede politische Bewegung in Mecklenburg 35*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/283>, abgerufen am 06.06.2024.