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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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durch die bestehende Gesetzgebung gehalten wird -- zunächst aus der Er¬
fahrung, daß alle auf das Steuerwesen bezüglichen Reformen in Mecklenburg
nicht auf einen oder zwei Landtagen erledigt zu werden Pflegen, sondern
daß Jahre darüber hingehen und daß man also von den Verhand¬
lungen des Sternberger Landtages schwerlich schon ein positives Re¬
sultat erwarten darf. Die Steuer- und Zollreform z. B., die am 1. Oct.
1863 ins Leben trat, war das Product nahezu zwanzigjähriger Verhand¬
lungen: und doch war ihr eine kaum fünfjährige Dauer beschieden. Der
Eintritt Mecklenburgs in den Zollverein warf alle Combinationen über den
Haufen und machte die jetzt auf der Tagesordnung stehende neue Steuer¬
reform nöthig. Schneller als jene wird diese freilich erledigt werden müssen.
Die auf diese neue Steuerreform verwandte Arbeit wird aber der Arbeit des
Sisyphus gleichen, so lange man glaubt, die Bedürfnisse des modernen
Staats, die Mecklenburg als Glied des norddeutschen Bundes befriedigen
muß, durch die Mittel des mittelalterlich ständischen Staats bestreiten zu
können. Es ist auch in Mecklenburg ein vergebliches Bemühen, neuen Wein
in alte Schläuche zu füllen

Neben der wahrscheinlich vorläufigen Erfolglosigkeit der bevorstehenden
Landtagsverhandlungen, ist es die Schwierigkeit, den complicirten Organis¬
mus des mecklenburgischen Contributionssystems zu überblicken, welche das
Publicum gegen die Reorganisation desselben verhältnißmäßig gleichgiltig
erscheinen läßt; außer beiläufigen, auf die Veranlassung der Schlacht- und
Mahlsteuer bezüglichen Verhandlungen in Rostock und außer den Ver¬
handlungen des Güstrower Convents hat man sich bisher in officieller
Weise nur in Wismar mit der Frage beschäftigt. Dazu kommt, daß trotz
aller Mängel des bestehenden Conrributionsmodus die directen Steuern in
Mecklenburg weniger drückend empfunden werden, als in anderen, höher be¬
steuerten Ländern, und daß daher die bevorstehende Umwandlung derselben
weniger practische, als principielle Bedeutung hat. Die pracrische Bedeutung
derselben ist zunächst nur die Beseitigung der durch veränderte Verhältnisse
herbeigeführten Unzuträglichkeiten der jetzigen Steuervertheilung; die Höhe
der Steuern an und für sich dürfte im Verhältniß zur Steuerkraft selbst
von den jetzt am meisten belasteten Classen zu ertragen sein.

Sieht das Land den Verhandlungen des Landtages mit äußerstem Gleich¬
muth entgegen, so ist es wahrscheinlich, daß die politische Stille, die in
Mecklenburg herrscht, durch dieselben kaum unterbrochen werden wird, es sei
denn, daß die Stände die in Malchin behaupteten Positionen wider Erwarten
aufgeben. Desto lebhafter ist das Interesse, welches einzelne wirthschaftliche
Fragen in neuerer Zeit in Anspruch nahmen. Namentlich ist das mit der Eisen-


durch die bestehende Gesetzgebung gehalten wird — zunächst aus der Er¬
fahrung, daß alle auf das Steuerwesen bezüglichen Reformen in Mecklenburg
nicht auf einen oder zwei Landtagen erledigt zu werden Pflegen, sondern
daß Jahre darüber hingehen und daß man also von den Verhand¬
lungen des Sternberger Landtages schwerlich schon ein positives Re¬
sultat erwarten darf. Die Steuer- und Zollreform z. B., die am 1. Oct.
1863 ins Leben trat, war das Product nahezu zwanzigjähriger Verhand¬
lungen: und doch war ihr eine kaum fünfjährige Dauer beschieden. Der
Eintritt Mecklenburgs in den Zollverein warf alle Combinationen über den
Haufen und machte die jetzt auf der Tagesordnung stehende neue Steuer¬
reform nöthig. Schneller als jene wird diese freilich erledigt werden müssen.
Die auf diese neue Steuerreform verwandte Arbeit wird aber der Arbeit des
Sisyphus gleichen, so lange man glaubt, die Bedürfnisse des modernen
Staats, die Mecklenburg als Glied des norddeutschen Bundes befriedigen
muß, durch die Mittel des mittelalterlich ständischen Staats bestreiten zu
können. Es ist auch in Mecklenburg ein vergebliches Bemühen, neuen Wein
in alte Schläuche zu füllen

Neben der wahrscheinlich vorläufigen Erfolglosigkeit der bevorstehenden
Landtagsverhandlungen, ist es die Schwierigkeit, den complicirten Organis¬
mus des mecklenburgischen Contributionssystems zu überblicken, welche das
Publicum gegen die Reorganisation desselben verhältnißmäßig gleichgiltig
erscheinen läßt; außer beiläufigen, auf die Veranlassung der Schlacht- und
Mahlsteuer bezüglichen Verhandlungen in Rostock und außer den Ver¬
handlungen des Güstrower Convents hat man sich bisher in officieller
Weise nur in Wismar mit der Frage beschäftigt. Dazu kommt, daß trotz
aller Mängel des bestehenden Conrributionsmodus die directen Steuern in
Mecklenburg weniger drückend empfunden werden, als in anderen, höher be¬
steuerten Ländern, und daß daher die bevorstehende Umwandlung derselben
weniger practische, als principielle Bedeutung hat. Die pracrische Bedeutung
derselben ist zunächst nur die Beseitigung der durch veränderte Verhältnisse
herbeigeführten Unzuträglichkeiten der jetzigen Steuervertheilung; die Höhe
der Steuern an und für sich dürfte im Verhältniß zur Steuerkraft selbst
von den jetzt am meisten belasteten Classen zu ertragen sein.

Sieht das Land den Verhandlungen des Landtages mit äußerstem Gleich¬
muth entgegen, so ist es wahrscheinlich, daß die politische Stille, die in
Mecklenburg herrscht, durch dieselben kaum unterbrochen werden wird, es sei
denn, daß die Stände die in Malchin behaupteten Positionen wider Erwarten
aufgeben. Desto lebhafter ist das Interesse, welches einzelne wirthschaftliche
Fragen in neuerer Zeit in Anspruch nahmen. Namentlich ist das mit der Eisen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/284>, abgerufen am 12.05.2024.