Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tismus aufkommen und gestattet ihm auch Gerechtigkeit, sogar billige Beur-
theilung für den Gegner. Braun, der zum großen Theil aus eigener An¬
schauung berichtet und bei vielen herzoglich-nassauischen Peripetien wohl das
Virgilische Huoruin xg.rs maZna nur aus Bescheidenheit verschweigt, verbreitet
sich nach einer gewissen geordneten Reihenfolge in concentrischen Kreisen
immer weiter und zieht zunächst namentlich das Hessen-Darmstädtische unter
sein Mikroskop, wie er ja früher auch in seinem "Frankfurter Schmerzens-
schrei" seinen lieben Nachbaren in der alten Bundeshauptstadt einen Spiegel
vorgehalten hatte, der zu getreu war, um nicht kränkend zu wirken.

"Ganze Arbeit" konnte das Jahr 1866 bekanntlich nicht machen, und so
entstand in dem darmhessischen "Mittelreiche" eine staatsrechtliche Curiosität,
die den kunterbuntesten Wirrkram des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation, wie es der ehrliche alte Johann Jacob Moser in seinen ISO Quart¬
bänden beschrieben, beschämen kann. Darum würdigt es auch Braun, nächst
seinem wein- und wasserreichen Stammländchen, einer besonderen Aufmerk¬
samkeit. Unter Anderem zählt er die fünf Gattungen darmhessischer Unter¬
thanen auf, wie folgt:

Es gibt:

^) ein Oberhessen, welches unbestritten zum norddeutschen Bunde
gehört und worin

g.) Preußen
as.) die Eisenbahnen,
bb) die Post.
ce) den Telegraphen regiert, während
b) die Bundesgewalt
sg,) die militärische.
bb) die diplomatische,
ce) die handelspolitische

L) ein Starkenburg, das nicht zum norddeutschen Bunde gehört,
worin aber Preußen die Befugnisse unter aa, bb, ce hat.

L) ein Rheinhessen von dreierlei Art, nämlich

1) ein solches, das gestellt ist wie Starkenburg,
2) ein solches, worin Preußen noch außerdem die vormals dem
Bundestag zustehende Staatsservitut der Festung (Mainz) hat,
3) ein solches, das als cismönanisch zum norddeutschen Bunde ge¬
zählt wird (die Ortschaften Castel und Kostheim Mainz gegen¬
über). --

Nachdem Braun so dem Princip der Mannigfaltigkeit in dem darm¬
hessischen Staatsrecht Genüge geleistet, läßt er auch dem Princip der Einheit
darin Gerechtigkeit widerfahren. Dieses culminirt in der Staatsdiener-Prag-


tismus aufkommen und gestattet ihm auch Gerechtigkeit, sogar billige Beur-
theilung für den Gegner. Braun, der zum großen Theil aus eigener An¬
schauung berichtet und bei vielen herzoglich-nassauischen Peripetien wohl das
Virgilische Huoruin xg.rs maZna nur aus Bescheidenheit verschweigt, verbreitet
sich nach einer gewissen geordneten Reihenfolge in concentrischen Kreisen
immer weiter und zieht zunächst namentlich das Hessen-Darmstädtische unter
sein Mikroskop, wie er ja früher auch in seinem „Frankfurter Schmerzens-
schrei" seinen lieben Nachbaren in der alten Bundeshauptstadt einen Spiegel
vorgehalten hatte, der zu getreu war, um nicht kränkend zu wirken.

„Ganze Arbeit" konnte das Jahr 1866 bekanntlich nicht machen, und so
entstand in dem darmhessischen „Mittelreiche" eine staatsrechtliche Curiosität,
die den kunterbuntesten Wirrkram des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation, wie es der ehrliche alte Johann Jacob Moser in seinen ISO Quart¬
bänden beschrieben, beschämen kann. Darum würdigt es auch Braun, nächst
seinem wein- und wasserreichen Stammländchen, einer besonderen Aufmerk¬
samkeit. Unter Anderem zählt er die fünf Gattungen darmhessischer Unter¬
thanen auf, wie folgt:

Es gibt:

^) ein Oberhessen, welches unbestritten zum norddeutschen Bunde
gehört und worin

g.) Preußen
as.) die Eisenbahnen,
bb) die Post.
ce) den Telegraphen regiert, während
b) die Bundesgewalt
sg,) die militärische.
bb) die diplomatische,
ce) die handelspolitische

L) ein Starkenburg, das nicht zum norddeutschen Bunde gehört,
worin aber Preußen die Befugnisse unter aa, bb, ce hat.

L) ein Rheinhessen von dreierlei Art, nämlich

1) ein solches, das gestellt ist wie Starkenburg,
2) ein solches, worin Preußen noch außerdem die vormals dem
Bundestag zustehende Staatsservitut der Festung (Mainz) hat,
3) ein solches, das als cismönanisch zum norddeutschen Bunde ge¬
zählt wird (die Ortschaften Castel und Kostheim Mainz gegen¬
über). —

Nachdem Braun so dem Princip der Mannigfaltigkeit in dem darm¬
hessischen Staatsrecht Genüge geleistet, läßt er auch dem Princip der Einheit
darin Gerechtigkeit widerfahren. Dieses culminirt in der Staatsdiener-Prag-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122103"/>
          <p xml:id="ID_962" prev="#ID_961"> tismus aufkommen und gestattet ihm auch Gerechtigkeit, sogar billige Beur-<lb/>
theilung für den Gegner. Braun, der zum großen Theil aus eigener An¬<lb/>
schauung berichtet und bei vielen herzoglich-nassauischen Peripetien wohl das<lb/>
Virgilische Huoruin xg.rs maZna nur aus Bescheidenheit verschweigt, verbreitet<lb/>
sich nach einer gewissen geordneten Reihenfolge in concentrischen Kreisen<lb/>
immer weiter und zieht zunächst namentlich das Hessen-Darmstädtische unter<lb/>
sein Mikroskop, wie er ja früher auch in seinem &#x201E;Frankfurter Schmerzens-<lb/>
schrei" seinen lieben Nachbaren in der alten Bundeshauptstadt einen Spiegel<lb/>
vorgehalten hatte, der zu getreu war, um nicht kränkend zu wirken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_963"> &#x201E;Ganze Arbeit" konnte das Jahr 1866 bekanntlich nicht machen, und so<lb/>
entstand in dem darmhessischen &#x201E;Mittelreiche" eine staatsrechtliche Curiosität,<lb/>
die den kunterbuntesten Wirrkram des heiligen römischen Reiches deutscher<lb/>
Nation, wie es der ehrliche alte Johann Jacob Moser in seinen ISO Quart¬<lb/>
bänden beschrieben, beschämen kann. Darum würdigt es auch Braun, nächst<lb/>
seinem wein- und wasserreichen Stammländchen, einer besonderen Aufmerk¬<lb/>
samkeit. Unter Anderem zählt er die fünf Gattungen darmhessischer Unter¬<lb/>
thanen auf, wie folgt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_964"> Es gibt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_965"> ^) ein Oberhessen, welches unbestritten zum norddeutschen Bunde<lb/>
gehört und worin</p><lb/>
          <list>
            <item> g.) Preußen</item>
            <item> as.) die Eisenbahnen,</item>
            <item> bb) die Post.</item>
            <item> ce) den Telegraphen regiert, während</item>
            <item> b) die Bundesgewalt</item>
            <item> sg,) die militärische.</item>
            <item/>
            <item> bb) die diplomatische,</item>
            <item> ce) die handelspolitische</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_966"> L) ein Starkenburg, das nicht zum norddeutschen Bunde gehört,<lb/>
worin aber Preußen die Befugnisse unter aa, bb, ce hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_967"> L) ein Rheinhessen von dreierlei Art, nämlich</p><lb/>
          <list>
            <item> 1) ein solches, das gestellt ist wie Starkenburg,</item>
            <item> 2) ein solches, worin Preußen noch außerdem die vormals dem<lb/>
Bundestag zustehende Staatsservitut der Festung (Mainz) hat,</item>
            <item> 3) ein solches, das als cismönanisch zum norddeutschen Bunde ge¬<lb/>
zählt wird (die Ortschaften Castel und Kostheim Mainz gegen¬<lb/>
über). &#x2014;</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> Nachdem Braun so dem Princip der Mannigfaltigkeit in dem darm¬<lb/>
hessischen Staatsrecht Genüge geleistet, läßt er auch dem Princip der Einheit<lb/>
darin Gerechtigkeit widerfahren. Dieses culminirt in der Staatsdiener-Prag-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0348] tismus aufkommen und gestattet ihm auch Gerechtigkeit, sogar billige Beur- theilung für den Gegner. Braun, der zum großen Theil aus eigener An¬ schauung berichtet und bei vielen herzoglich-nassauischen Peripetien wohl das Virgilische Huoruin xg.rs maZna nur aus Bescheidenheit verschweigt, verbreitet sich nach einer gewissen geordneten Reihenfolge in concentrischen Kreisen immer weiter und zieht zunächst namentlich das Hessen-Darmstädtische unter sein Mikroskop, wie er ja früher auch in seinem „Frankfurter Schmerzens- schrei" seinen lieben Nachbaren in der alten Bundeshauptstadt einen Spiegel vorgehalten hatte, der zu getreu war, um nicht kränkend zu wirken. „Ganze Arbeit" konnte das Jahr 1866 bekanntlich nicht machen, und so entstand in dem darmhessischen „Mittelreiche" eine staatsrechtliche Curiosität, die den kunterbuntesten Wirrkram des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, wie es der ehrliche alte Johann Jacob Moser in seinen ISO Quart¬ bänden beschrieben, beschämen kann. Darum würdigt es auch Braun, nächst seinem wein- und wasserreichen Stammländchen, einer besonderen Aufmerk¬ samkeit. Unter Anderem zählt er die fünf Gattungen darmhessischer Unter¬ thanen auf, wie folgt: Es gibt: ^) ein Oberhessen, welches unbestritten zum norddeutschen Bunde gehört und worin g.) Preußen as.) die Eisenbahnen, bb) die Post. ce) den Telegraphen regiert, während b) die Bundesgewalt sg,) die militärische. bb) die diplomatische, ce) die handelspolitische L) ein Starkenburg, das nicht zum norddeutschen Bunde gehört, worin aber Preußen die Befugnisse unter aa, bb, ce hat. L) ein Rheinhessen von dreierlei Art, nämlich 1) ein solches, das gestellt ist wie Starkenburg, 2) ein solches, worin Preußen noch außerdem die vormals dem Bundestag zustehende Staatsservitut der Festung (Mainz) hat, 3) ein solches, das als cismönanisch zum norddeutschen Bunde ge¬ zählt wird (die Ortschaften Castel und Kostheim Mainz gegen¬ über). — Nachdem Braun so dem Princip der Mannigfaltigkeit in dem darm¬ hessischen Staatsrecht Genüge geleistet, läßt er auch dem Princip der Einheit darin Gerechtigkeit widerfahren. Dieses culminirt in der Staatsdiener-Prag-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/348
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/348>, abgerufen am 28.05.2024.