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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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naeit mit der Uniform und dem Bartsystem, -- welche Zustände in diesen
Blättern schon anderweitig behandelt worden sind. -- Ein anderes Capitel:
"Zwei kleinstaatliche Hof- und Staatshandbücher; aus Hessen-Darmstadt und
Nassau", gibt uns gleichsam die statistischen Resultate der kleinstaatlichen Hof-
und Staatsprincipien und zeigt insbesondere auch, was man in diesen deut¬
schen Ferrara's, die "durch ihre Fürsten groß" wurden, unter der Pflege
von Kunst und Wissenschaft versteht. -- In einem Beitrag zur geheimen
Geschichte des Zollvereins wird berichtet, wie sich das Ausland -- und zwar
'nicht blos Oestreich -- des Kleinfürstenthums gegen die Hebung der deut¬
schen Nationalmacht bediente. Nach einem fast rührenden "Idyll aus den
Amtsacten", Namens "Heimathlos", welches eine vortreffliche Illustration
zu den vor-Königgrätzigen Heimathsgesetzgebungen liefert und deren betrüg-
liche Umgehung durch büreaukratische Fälschung erzählt, wirft uns der erste
Band so recht in die Mitte der 1866er Bewegung; er schildert die Zustände
und Gedankenrichtungen während des Krieges in dem Lager der Besiegten
und namentlich den schnöden Terrorismus, mit dem die ohnmächtige Wuth
der dynastischen Parteien an unbewaffneten und unschuldigen Bürgern ihr
Müthchen kühlte.

Im zweiten Bande ist die Schlacht geschlagen, der Sieg ist gesichert und
die Grundlagen der Einheit werden gelegt, -- natürlich im Sinne der
nationalliberalen Partei. Er beginnt damit, wie der deutsche Vereinstag zu
Braunschweig am 4. August 1866 die ersten Grundlinien für ein staatliches
Bundessteuersystem zog und so der Volkswirthschaft und namentlich der frei¬
händlerischen Doctrin die Ehre der Mitwirkung an der Begründung des
deutschen Bundesstaats sicherte. Bald darauf stehen wir mitten im Zoll¬
parlament und das mit frischester Laune ausgeführte "Berliner Tagebuch
eines süddeutschen Zollparlamentsgliedes" enthält das naturgetreue Pendant
zu Prof. Schäffle's berühmten Berichten in der Cotta'schen Vierteljahrsschrift. --
Nach einigen Rückblicken auf die verkehrte Verkehrspolitik früherer Tage,
welche die Segnungen des Reichstages erst in das rechte Licht setzen, führt
uns Braun in das Lager der Depossedirten und schildert im Welfenquartier,
wie in Mentler- und Ratzeburg, oder in Altbayern, die staatliche Engherzig¬
keit verrotteter Richtungen und die Unsittlichkeit der Allianz zwischen den
extremen Parteien. Den positiven Gegensatz dazu deutet der Verfasser er¬
gänzend an in der "Physiologie der Parteien im Groß- und Kleinstaate",
welche Abhandlung an die früher in seinen "Vier Briefen an Johann
Jacoby" entwickelten Ansichten anknüpft. -- Möge der fleißige Verfasser auf
dieser Bahn, wo noch so Vieles zu thun ist, nicht ermüden; seine Bruchstücke
schließen sich von selbst als ein Ganzes zusammen.


H. B. O.


naeit mit der Uniform und dem Bartsystem, — welche Zustände in diesen
Blättern schon anderweitig behandelt worden sind. — Ein anderes Capitel:
„Zwei kleinstaatliche Hof- und Staatshandbücher; aus Hessen-Darmstadt und
Nassau", gibt uns gleichsam die statistischen Resultate der kleinstaatlichen Hof-
und Staatsprincipien und zeigt insbesondere auch, was man in diesen deut¬
schen Ferrara's, die „durch ihre Fürsten groß" wurden, unter der Pflege
von Kunst und Wissenschaft versteht. — In einem Beitrag zur geheimen
Geschichte des Zollvereins wird berichtet, wie sich das Ausland — und zwar
'nicht blos Oestreich — des Kleinfürstenthums gegen die Hebung der deut¬
schen Nationalmacht bediente. Nach einem fast rührenden „Idyll aus den
Amtsacten", Namens „Heimathlos", welches eine vortreffliche Illustration
zu den vor-Königgrätzigen Heimathsgesetzgebungen liefert und deren betrüg-
liche Umgehung durch büreaukratische Fälschung erzählt, wirft uns der erste
Band so recht in die Mitte der 1866er Bewegung; er schildert die Zustände
und Gedankenrichtungen während des Krieges in dem Lager der Besiegten
und namentlich den schnöden Terrorismus, mit dem die ohnmächtige Wuth
der dynastischen Parteien an unbewaffneten und unschuldigen Bürgern ihr
Müthchen kühlte.

Im zweiten Bande ist die Schlacht geschlagen, der Sieg ist gesichert und
die Grundlagen der Einheit werden gelegt, — natürlich im Sinne der
nationalliberalen Partei. Er beginnt damit, wie der deutsche Vereinstag zu
Braunschweig am 4. August 1866 die ersten Grundlinien für ein staatliches
Bundessteuersystem zog und so der Volkswirthschaft und namentlich der frei¬
händlerischen Doctrin die Ehre der Mitwirkung an der Begründung des
deutschen Bundesstaats sicherte. Bald darauf stehen wir mitten im Zoll¬
parlament und das mit frischester Laune ausgeführte „Berliner Tagebuch
eines süddeutschen Zollparlamentsgliedes" enthält das naturgetreue Pendant
zu Prof. Schäffle's berühmten Berichten in der Cotta'schen Vierteljahrsschrift. —
Nach einigen Rückblicken auf die verkehrte Verkehrspolitik früherer Tage,
welche die Segnungen des Reichstages erst in das rechte Licht setzen, führt
uns Braun in das Lager der Depossedirten und schildert im Welfenquartier,
wie in Mentler- und Ratzeburg, oder in Altbayern, die staatliche Engherzig¬
keit verrotteter Richtungen und die Unsittlichkeit der Allianz zwischen den
extremen Parteien. Den positiven Gegensatz dazu deutet der Verfasser er¬
gänzend an in der „Physiologie der Parteien im Groß- und Kleinstaate",
welche Abhandlung an die früher in seinen „Vier Briefen an Johann
Jacoby" entwickelten Ansichten anknüpft. — Möge der fleißige Verfasser auf
dieser Bahn, wo noch so Vieles zu thun ist, nicht ermüden; seine Bruchstücke
schließen sich von selbst als ein Ganzes zusammen.


H. B. O.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/349>, abgerufen am 14.05.2024.