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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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tung als unhaltbar; die Stellung des Arztes ist ohne Zweifel nie schärfer,
nie gerechter, nie nachdrücklicher zum Vortheil des Publicums präcisirr wor¬
den, als eben in dem neuen Gesetz. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint
es zwar den Anforderungen der Humanität zu widersprechen, wenn der Arzt
als Gewerbtreibender betrachtet wird, der das Product seiner Thätigkeit
gleichwie jedes andere todte Erzeugniß zum Markt bringe. Der Umstand,
daß der Arzt der Güter höchstes, das Leben seiner Mitmenschen wahre, ver¬
leiht seiner Stellung eben ein ganz eigenthümliches Gepräge, das in der
Auffassung als Gewerbe einen nur gezwungenen Ausdruck findet. Indeß in
Anbetracht, daß das Vertrauen des Einzelnen sich streng an die Persönlich"
keit des Arztes bindet, in Berücksichtigung der großen Schwierigkeiten und
Anstrengungen, welche namentlich der Arzt auf dem Lande in der Ausübung
seines Berufes findet und insbesondere bei den ganz verschiedenen Anforde¬
rungen, welche das Publicum an die Leistungen der Aerzte knüpft, erheischt
gerade der ärztliche Beruf eine freie Concurrenz, der nur durch die Ausübung
der Praxis als Gewerbe entsprochen werden kann. Diesen Rücksichten hat
die neue Gewerbeordnung sehr zweckmäßig Rechnung getragen.

Zunächst wird es dem Kranken durchaus nicht schwer werden, die ge¬
prüften Aerzte von etwaigen Afterärzten und Pfuschern zu unterscheiden,
denn die Namen der Approbirten werden amtlich veröffentlicht und die be¬
stehenden Strafbedingungen schließen selbst die Befürchtung aus, daß Leute
welche die Prüfung nicht bestanden oder ihre Studien nicht vollendet haben,
als qualifictrte Aerzte betrachtet werden könnten. Für den aufgeklärteren
Theil des Publicums ist eine solche Täuschung nicht denkbar und die leicht¬
gläubige Menge wird sich nach wie vor mit Vorliebe Pfuschern in die Hände
werfen, gegen deren Treiben Strafbestimmungen gänzlich unwirksam sind.
Gerade die seither bestehenden Strafen in Betreff der Medicasterei sind
häufig der Grund zu einer größeren Ausbreitung des Uebels gewesen. Jetzt,
wo dem Pfuscher der Nimbus des Märtyrerthums fehlt, wird ihm eine
Hauptangel seines Wunderglaubens zu nichte gemacht werden. Auf der
andern Seite erschienen die früheren gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der
Medicasterei oftmals von ganz besonderer Härte. War es nicht beklagens-
Werth und drückend für den Richter, wenn er in einem Fall gegen einen
Laien wegen der Behandlung und vielleicht rasch erfolgten Heilung eines
Kranken, der schon Aerzte ohne Erfolg consultirt hatte, auf Grund des Ge¬
setzes eine empfindliche Strafe aussprechen mußte? Man lasse dem Kranken
die Berechtigung, da Hilfe zu suchen, wohin ihn das Vertrauen führt und
^rgesse nicht, daß der Glaube einen wichtigen Factor für die Heilung man¬
cher Krankheiten bildet.

Auch die Hilfsbedürftigen werden nicht Noth leiden durch jenen Beschluß


tung als unhaltbar; die Stellung des Arztes ist ohne Zweifel nie schärfer,
nie gerechter, nie nachdrücklicher zum Vortheil des Publicums präcisirr wor¬
den, als eben in dem neuen Gesetz. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint
es zwar den Anforderungen der Humanität zu widersprechen, wenn der Arzt
als Gewerbtreibender betrachtet wird, der das Product seiner Thätigkeit
gleichwie jedes andere todte Erzeugniß zum Markt bringe. Der Umstand,
daß der Arzt der Güter höchstes, das Leben seiner Mitmenschen wahre, ver¬
leiht seiner Stellung eben ein ganz eigenthümliches Gepräge, das in der
Auffassung als Gewerbe einen nur gezwungenen Ausdruck findet. Indeß in
Anbetracht, daß das Vertrauen des Einzelnen sich streng an die Persönlich«
keit des Arztes bindet, in Berücksichtigung der großen Schwierigkeiten und
Anstrengungen, welche namentlich der Arzt auf dem Lande in der Ausübung
seines Berufes findet und insbesondere bei den ganz verschiedenen Anforde¬
rungen, welche das Publicum an die Leistungen der Aerzte knüpft, erheischt
gerade der ärztliche Beruf eine freie Concurrenz, der nur durch die Ausübung
der Praxis als Gewerbe entsprochen werden kann. Diesen Rücksichten hat
die neue Gewerbeordnung sehr zweckmäßig Rechnung getragen.

Zunächst wird es dem Kranken durchaus nicht schwer werden, die ge¬
prüften Aerzte von etwaigen Afterärzten und Pfuschern zu unterscheiden,
denn die Namen der Approbirten werden amtlich veröffentlicht und die be¬
stehenden Strafbedingungen schließen selbst die Befürchtung aus, daß Leute
welche die Prüfung nicht bestanden oder ihre Studien nicht vollendet haben,
als qualifictrte Aerzte betrachtet werden könnten. Für den aufgeklärteren
Theil des Publicums ist eine solche Täuschung nicht denkbar und die leicht¬
gläubige Menge wird sich nach wie vor mit Vorliebe Pfuschern in die Hände
werfen, gegen deren Treiben Strafbestimmungen gänzlich unwirksam sind.
Gerade die seither bestehenden Strafen in Betreff der Medicasterei sind
häufig der Grund zu einer größeren Ausbreitung des Uebels gewesen. Jetzt,
wo dem Pfuscher der Nimbus des Märtyrerthums fehlt, wird ihm eine
Hauptangel seines Wunderglaubens zu nichte gemacht werden. Auf der
andern Seite erschienen die früheren gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der
Medicasterei oftmals von ganz besonderer Härte. War es nicht beklagens-
Werth und drückend für den Richter, wenn er in einem Fall gegen einen
Laien wegen der Behandlung und vielleicht rasch erfolgten Heilung eines
Kranken, der schon Aerzte ohne Erfolg consultirt hatte, auf Grund des Ge¬
setzes eine empfindliche Strafe aussprechen mußte? Man lasse dem Kranken
die Berechtigung, da Hilfe zu suchen, wohin ihn das Vertrauen führt und
^rgesse nicht, daß der Glaube einen wichtigen Factor für die Heilung man¬
cher Krankheiten bildet.

Auch die Hilfsbedürftigen werden nicht Noth leiden durch jenen Beschluß


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[0397] tung als unhaltbar; die Stellung des Arztes ist ohne Zweifel nie schärfer, nie gerechter, nie nachdrücklicher zum Vortheil des Publicums präcisirr wor¬ den, als eben in dem neuen Gesetz. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es zwar den Anforderungen der Humanität zu widersprechen, wenn der Arzt als Gewerbtreibender betrachtet wird, der das Product seiner Thätigkeit gleichwie jedes andere todte Erzeugniß zum Markt bringe. Der Umstand, daß der Arzt der Güter höchstes, das Leben seiner Mitmenschen wahre, ver¬ leiht seiner Stellung eben ein ganz eigenthümliches Gepräge, das in der Auffassung als Gewerbe einen nur gezwungenen Ausdruck findet. Indeß in Anbetracht, daß das Vertrauen des Einzelnen sich streng an die Persönlich« keit des Arztes bindet, in Berücksichtigung der großen Schwierigkeiten und Anstrengungen, welche namentlich der Arzt auf dem Lande in der Ausübung seines Berufes findet und insbesondere bei den ganz verschiedenen Anforde¬ rungen, welche das Publicum an die Leistungen der Aerzte knüpft, erheischt gerade der ärztliche Beruf eine freie Concurrenz, der nur durch die Ausübung der Praxis als Gewerbe entsprochen werden kann. Diesen Rücksichten hat die neue Gewerbeordnung sehr zweckmäßig Rechnung getragen. Zunächst wird es dem Kranken durchaus nicht schwer werden, die ge¬ prüften Aerzte von etwaigen Afterärzten und Pfuschern zu unterscheiden, denn die Namen der Approbirten werden amtlich veröffentlicht und die be¬ stehenden Strafbedingungen schließen selbst die Befürchtung aus, daß Leute welche die Prüfung nicht bestanden oder ihre Studien nicht vollendet haben, als qualifictrte Aerzte betrachtet werden könnten. Für den aufgeklärteren Theil des Publicums ist eine solche Täuschung nicht denkbar und die leicht¬ gläubige Menge wird sich nach wie vor mit Vorliebe Pfuschern in die Hände werfen, gegen deren Treiben Strafbestimmungen gänzlich unwirksam sind. Gerade die seither bestehenden Strafen in Betreff der Medicasterei sind häufig der Grund zu einer größeren Ausbreitung des Uebels gewesen. Jetzt, wo dem Pfuscher der Nimbus des Märtyrerthums fehlt, wird ihm eine Hauptangel seines Wunderglaubens zu nichte gemacht werden. Auf der andern Seite erschienen die früheren gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Medicasterei oftmals von ganz besonderer Härte. War es nicht beklagens- Werth und drückend für den Richter, wenn er in einem Fall gegen einen Laien wegen der Behandlung und vielleicht rasch erfolgten Heilung eines Kranken, der schon Aerzte ohne Erfolg consultirt hatte, auf Grund des Ge¬ setzes eine empfindliche Strafe aussprechen mußte? Man lasse dem Kranken die Berechtigung, da Hilfe zu suchen, wohin ihn das Vertrauen führt und ^rgesse nicht, daß der Glaube einen wichtigen Factor für die Heilung man¬ cher Krankheiten bildet. Auch die Hilfsbedürftigen werden nicht Noth leiden durch jenen Beschluß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/397>, abgerufen am 13.05.2024.