Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gefunden würde. Mag man sich das Zustandekommen und die Motive des
Beschlusses erklären, wie man will: die Hauptsache ist, daß der Beschluß ge¬
faßt ist und daß die Gegner des Bundes in beiden Häusern des preußischen
Landtages eine entschiedene Niederlage erlitten haben. Diese Thatsache liefert
den unwiderleglicher Beweis, daß in Preußen ein Widerspruch zwischen dem
Bunde und der Landesvertretung nicht besteht und daß diejenigen, die einen
solchen Widerspruch zu provociren wünschen, nicht die Macht und nicht die
Kraft haben, mit ihren Plänen durchzuringen.

Je größer der Muth ist, den wir aus dieser Thatsache schöpfen und je
mehr wir uns freuen, die Uebereinstimmung der Regierung und der gesammten
liberalen Partei bei dieser Gelegenheit zu constatiren, desto mehr müssen wir
den peinlichen Eindruck bedauern, den die Verhandlungen über die Celler
Denkmalsangelegenheit aufs Neue hervorgerufen haben. Schon die Beant-'
wortung der ersten Jnterpellation war sehr unbefriedigend ausgefallen. Auch
die diesmaligen Erklärungen des Kriegsministers konnten in keiner Weise
genügen, da sie weder ein offenes Zugeständniß des vorliegenden Rechtsbruchs
enthielten, noch die unerläßliche Sühnung desselben in Aussicht stellten. Sie
ließen jedoch wenigstens das Bestreben erkennen, einer milderen Auffassung
Eingang zu verschaffen und das Vorgefallene durch allerhand Nebenumstände
und durch den guten Glauben der dabei betheiligten Militärbehörden zu
entschuldigen. Der Justizminister dagegen machte die Sache nur noch
schlimmer, indem er sich auf den im Grunde ganz unwesentlichen provi¬
sorischen Charakter der richterlichen " Verfügung" berief und an deren
Mißachtung so wenig Anstoß nahm, daß ihm die Zahlung der ver¬
wirkten Geldstrafe als die einzig mögliche und erforderliche Buße erschien.
Die Art endlich, in der der Minister des Innern seine Billigung des
beobachteten Verfahrens aussprach, war vollends geeignet den Unmuth
des Hauses zu erwecken, und die büreaukratische Willkür zu illustriren, in der
sich die ihrer Allmacht bewußte Verwaltung so gern gefällt. Es tritt leider
noch immer zu häufig bei uns zu Tage, wie sehr uns der Militär- und
Polizeistaat in den Gliedern steckt, und wie wenig die Spitzen unseres Be¬
amtentums im Stande sind, sich in den Begriff des Rechtsstaates hinein¬
zudenken. Man kann sich nicht losreißen von den alten Traditionen und
Gewohnheiten des Absolutismus, und diese Reminiscenzen Pflegen gerade
dann stets mit besonderer Stärke zu erwachen, wenn die Militärbehörden in
irgend einer Weise dabei engagirt sind. Unbegreiflich bleibt uns nur, daß
die Regierung sich ihrer Verantwortung dabei so wenig bewußt ist und daß
sie es sich garnicht zu vergegenwärtigen scheint, wie seyr durch ein solches
Verfahren ihre eigenen Interessen geschädigt werden. Denn es ist klar, daß
nicht blos in Hannover die Bevölkerung dadurch erbittert wird. Das


gefunden würde. Mag man sich das Zustandekommen und die Motive des
Beschlusses erklären, wie man will: die Hauptsache ist, daß der Beschluß ge¬
faßt ist und daß die Gegner des Bundes in beiden Häusern des preußischen
Landtages eine entschiedene Niederlage erlitten haben. Diese Thatsache liefert
den unwiderleglicher Beweis, daß in Preußen ein Widerspruch zwischen dem
Bunde und der Landesvertretung nicht besteht und daß diejenigen, die einen
solchen Widerspruch zu provociren wünschen, nicht die Macht und nicht die
Kraft haben, mit ihren Plänen durchzuringen.

Je größer der Muth ist, den wir aus dieser Thatsache schöpfen und je
mehr wir uns freuen, die Uebereinstimmung der Regierung und der gesammten
liberalen Partei bei dieser Gelegenheit zu constatiren, desto mehr müssen wir
den peinlichen Eindruck bedauern, den die Verhandlungen über die Celler
Denkmalsangelegenheit aufs Neue hervorgerufen haben. Schon die Beant-'
wortung der ersten Jnterpellation war sehr unbefriedigend ausgefallen. Auch
die diesmaligen Erklärungen des Kriegsministers konnten in keiner Weise
genügen, da sie weder ein offenes Zugeständniß des vorliegenden Rechtsbruchs
enthielten, noch die unerläßliche Sühnung desselben in Aussicht stellten. Sie
ließen jedoch wenigstens das Bestreben erkennen, einer milderen Auffassung
Eingang zu verschaffen und das Vorgefallene durch allerhand Nebenumstände
und durch den guten Glauben der dabei betheiligten Militärbehörden zu
entschuldigen. Der Justizminister dagegen machte die Sache nur noch
schlimmer, indem er sich auf den im Grunde ganz unwesentlichen provi¬
sorischen Charakter der richterlichen „ Verfügung" berief und an deren
Mißachtung so wenig Anstoß nahm, daß ihm die Zahlung der ver¬
wirkten Geldstrafe als die einzig mögliche und erforderliche Buße erschien.
Die Art endlich, in der der Minister des Innern seine Billigung des
beobachteten Verfahrens aussprach, war vollends geeignet den Unmuth
des Hauses zu erwecken, und die büreaukratische Willkür zu illustriren, in der
sich die ihrer Allmacht bewußte Verwaltung so gern gefällt. Es tritt leider
noch immer zu häufig bei uns zu Tage, wie sehr uns der Militär- und
Polizeistaat in den Gliedern steckt, und wie wenig die Spitzen unseres Be¬
amtentums im Stande sind, sich in den Begriff des Rechtsstaates hinein¬
zudenken. Man kann sich nicht losreißen von den alten Traditionen und
Gewohnheiten des Absolutismus, und diese Reminiscenzen Pflegen gerade
dann stets mit besonderer Stärke zu erwachen, wenn die Militärbehörden in
irgend einer Weise dabei engagirt sind. Unbegreiflich bleibt uns nur, daß
die Regierung sich ihrer Verantwortung dabei so wenig bewußt ist und daß
sie es sich garnicht zu vergegenwärtigen scheint, wie seyr durch ein solches
Verfahren ihre eigenen Interessen geschädigt werden. Denn es ist klar, daß
nicht blos in Hannover die Bevölkerung dadurch erbittert wird. Das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122160"/>
          <p xml:id="ID_1121" prev="#ID_1120"> gefunden würde. Mag man sich das Zustandekommen und die Motive des<lb/>
Beschlusses erklären, wie man will: die Hauptsache ist, daß der Beschluß ge¬<lb/>
faßt ist und daß die Gegner des Bundes in beiden Häusern des preußischen<lb/>
Landtages eine entschiedene Niederlage erlitten haben. Diese Thatsache liefert<lb/>
den unwiderleglicher Beweis, daß in Preußen ein Widerspruch zwischen dem<lb/>
Bunde und der Landesvertretung nicht besteht und daß diejenigen, die einen<lb/>
solchen Widerspruch zu provociren wünschen, nicht die Macht und nicht die<lb/>
Kraft haben, mit ihren Plänen durchzuringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1122" next="#ID_1123"> Je größer der Muth ist, den wir aus dieser Thatsache schöpfen und je<lb/>
mehr wir uns freuen, die Uebereinstimmung der Regierung und der gesammten<lb/>
liberalen Partei bei dieser Gelegenheit zu constatiren, desto mehr müssen wir<lb/>
den peinlichen Eindruck bedauern, den die Verhandlungen über die Celler<lb/>
Denkmalsangelegenheit aufs Neue hervorgerufen haben. Schon die Beant-'<lb/>
wortung der ersten Jnterpellation war sehr unbefriedigend ausgefallen. Auch<lb/>
die diesmaligen Erklärungen des Kriegsministers konnten in keiner Weise<lb/>
genügen, da sie weder ein offenes Zugeständniß des vorliegenden Rechtsbruchs<lb/>
enthielten, noch die unerläßliche Sühnung desselben in Aussicht stellten. Sie<lb/>
ließen jedoch wenigstens das Bestreben erkennen, einer milderen Auffassung<lb/>
Eingang zu verschaffen und das Vorgefallene durch allerhand Nebenumstände<lb/>
und durch den guten Glauben der dabei betheiligten Militärbehörden zu<lb/>
entschuldigen. Der Justizminister dagegen machte die Sache nur noch<lb/>
schlimmer, indem er sich auf den im Grunde ganz unwesentlichen provi¬<lb/>
sorischen Charakter der richterlichen &#x201E; Verfügung" berief und an deren<lb/>
Mißachtung so wenig Anstoß nahm, daß ihm die Zahlung der ver¬<lb/>
wirkten Geldstrafe als die einzig mögliche und erforderliche Buße erschien.<lb/>
Die Art endlich, in der der Minister des Innern seine Billigung des<lb/>
beobachteten Verfahrens aussprach, war vollends geeignet den Unmuth<lb/>
des Hauses zu erwecken, und die büreaukratische Willkür zu illustriren, in der<lb/>
sich die ihrer Allmacht bewußte Verwaltung so gern gefällt. Es tritt leider<lb/>
noch immer zu häufig bei uns zu Tage, wie sehr uns der Militär- und<lb/>
Polizeistaat in den Gliedern steckt, und wie wenig die Spitzen unseres Be¬<lb/>
amtentums im Stande sind, sich in den Begriff des Rechtsstaates hinein¬<lb/>
zudenken. Man kann sich nicht losreißen von den alten Traditionen und<lb/>
Gewohnheiten des Absolutismus, und diese Reminiscenzen Pflegen gerade<lb/>
dann stets mit besonderer Stärke zu erwachen, wenn die Militärbehörden in<lb/>
irgend einer Weise dabei engagirt sind. Unbegreiflich bleibt uns nur, daß<lb/>
die Regierung sich ihrer Verantwortung dabei so wenig bewußt ist und daß<lb/>
sie es sich garnicht zu vergegenwärtigen scheint, wie seyr durch ein solches<lb/>
Verfahren ihre eigenen Interessen geschädigt werden. Denn es ist klar, daß<lb/>
nicht blos in Hannover die Bevölkerung dadurch erbittert wird. Das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0405] gefunden würde. Mag man sich das Zustandekommen und die Motive des Beschlusses erklären, wie man will: die Hauptsache ist, daß der Beschluß ge¬ faßt ist und daß die Gegner des Bundes in beiden Häusern des preußischen Landtages eine entschiedene Niederlage erlitten haben. Diese Thatsache liefert den unwiderleglicher Beweis, daß in Preußen ein Widerspruch zwischen dem Bunde und der Landesvertretung nicht besteht und daß diejenigen, die einen solchen Widerspruch zu provociren wünschen, nicht die Macht und nicht die Kraft haben, mit ihren Plänen durchzuringen. Je größer der Muth ist, den wir aus dieser Thatsache schöpfen und je mehr wir uns freuen, die Uebereinstimmung der Regierung und der gesammten liberalen Partei bei dieser Gelegenheit zu constatiren, desto mehr müssen wir den peinlichen Eindruck bedauern, den die Verhandlungen über die Celler Denkmalsangelegenheit aufs Neue hervorgerufen haben. Schon die Beant-' wortung der ersten Jnterpellation war sehr unbefriedigend ausgefallen. Auch die diesmaligen Erklärungen des Kriegsministers konnten in keiner Weise genügen, da sie weder ein offenes Zugeständniß des vorliegenden Rechtsbruchs enthielten, noch die unerläßliche Sühnung desselben in Aussicht stellten. Sie ließen jedoch wenigstens das Bestreben erkennen, einer milderen Auffassung Eingang zu verschaffen und das Vorgefallene durch allerhand Nebenumstände und durch den guten Glauben der dabei betheiligten Militärbehörden zu entschuldigen. Der Justizminister dagegen machte die Sache nur noch schlimmer, indem er sich auf den im Grunde ganz unwesentlichen provi¬ sorischen Charakter der richterlichen „ Verfügung" berief und an deren Mißachtung so wenig Anstoß nahm, daß ihm die Zahlung der ver¬ wirkten Geldstrafe als die einzig mögliche und erforderliche Buße erschien. Die Art endlich, in der der Minister des Innern seine Billigung des beobachteten Verfahrens aussprach, war vollends geeignet den Unmuth des Hauses zu erwecken, und die büreaukratische Willkür zu illustriren, in der sich die ihrer Allmacht bewußte Verwaltung so gern gefällt. Es tritt leider noch immer zu häufig bei uns zu Tage, wie sehr uns der Militär- und Polizeistaat in den Gliedern steckt, und wie wenig die Spitzen unseres Be¬ amtentums im Stande sind, sich in den Begriff des Rechtsstaates hinein¬ zudenken. Man kann sich nicht losreißen von den alten Traditionen und Gewohnheiten des Absolutismus, und diese Reminiscenzen Pflegen gerade dann stets mit besonderer Stärke zu erwachen, wenn die Militärbehörden in irgend einer Weise dabei engagirt sind. Unbegreiflich bleibt uns nur, daß die Regierung sich ihrer Verantwortung dabei so wenig bewußt ist und daß sie es sich garnicht zu vergegenwärtigen scheint, wie seyr durch ein solches Verfahren ihre eigenen Interessen geschädigt werden. Denn es ist klar, daß nicht blos in Hannover die Bevölkerung dadurch erbittert wird. Das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/405
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/405>, abgerufen am 25.05.2024.