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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Die dreijährige Dauer der Bündnißverträge, welche Herr v. d. Pfordten
nach dem Prager Frieden abschließen mußte, hat dem zurechnungsfähigen
Theil des bayrischen Volks längst die Ueberzeugung gegeben, daß die Gefahr
der Verpreußung am leichtesten und bequemsten durch ein erträgliches Ver¬
hältniß zum norddeutschen Bunde abgewendet wird und daß Bayern an der
militärischen Sicherheit Deutschlands im Grunde dasselbe lebhafte Interesse
hat als Preußen. Ebenso drängen die materiellen Verhältnisse auf Aufrecht¬
haltung des Zollvertrags und Graf Bismarck hat zu wiederholt und zu deut¬
lich gesagt, daß beide Verträge in seinen Augen solidarisch verbunden seien,
als daß man wagen dürfte. Bayern's Wehrkraft, wenn auch nur zeitweise
östreichischen oder französischen Velleitäten zur Verfügung zu stellen. Von
den Verträgen kann Bayern nicht mehr los, ohne seine Existenz aufs Spiel
zu setzen, und wenn diese Verträge dem Lande nicht nur neue Kosten, sondern
auch Nutzen bringen sollen, so ist nothwendig, daß sie unter der Aufsicht des
Fürsten Hohenlohe bleiben und nicht in die Hände von Männern gelegt
werden, welche nach Wien, Rom oder Paris schielen. Bei der entschiedenen
Position, die Baden genommen hat, und der Unsicherheit des verlogenen wür-
tembergischen Systems ist die Festhaltung der bisherigen Politik für Bayerns
süddeutsche Stellung eine Nothwendigkeit. Freilich wird der Stand, welchen
Fürst Hohenlohe der Kammer gegenüber haben wird, ein außerordentlich
schwieriger sein und im Interesse des constitutionellen Princips wäre der
Bankerott eines clericalen Cabinets der künstlichen Erhaltung des gegen¬
wärtigen Systems vorzuziehen gewesen.

Müssen wir uns zufrieden geben, wenn die Dinge südlich vom Main in
ihrer bisherigen Schwebe bleiben und wenn derZeit eine Wandlung überlassen
wird, welche sie allein doch nicht fertig bringen kann, so haben wir im nord¬
deutschen Bunde eine wenn auch nur relative Wendung zum Bessern zu con-
statiren. Nicht als ob in der deutschen Frage auch nur ein Finger gerührt
worden wäre; wir müssen uns bescheiden, daß die Entwickelung der nord¬
deutschen Dinge die Consolidation des neuen Bundes wenigstens nicht
erschwert.

Das Camphausen'sche Ftnanzproject, die Debatte über den Etat des
Cultusministeriums, die Ausdehnung des Miquöl-Laster'schen Antrags auf
Erweiterung der Bundescompetenz und die leidige Denkmalangelegenheit von
Celle sind die Hauptgegenstände der Verhandlungen im Berliner Abgeordneten¬
hause gewesen. Die Behandlung des Eulenburg'schen Entwurfs einer neuen
Kreisordnung hat so langsame Fortschritte gemacht und so zahlreiche Unter¬
brechungen erfahren, daß von ihr kaum etwas zu sagen ist; genug, daß die
ministerielle Vorlage bis jetzt nicht gescheitert ist und daß der Minister


Die dreijährige Dauer der Bündnißverträge, welche Herr v. d. Pfordten
nach dem Prager Frieden abschließen mußte, hat dem zurechnungsfähigen
Theil des bayrischen Volks längst die Ueberzeugung gegeben, daß die Gefahr
der Verpreußung am leichtesten und bequemsten durch ein erträgliches Ver¬
hältniß zum norddeutschen Bunde abgewendet wird und daß Bayern an der
militärischen Sicherheit Deutschlands im Grunde dasselbe lebhafte Interesse
hat als Preußen. Ebenso drängen die materiellen Verhältnisse auf Aufrecht¬
haltung des Zollvertrags und Graf Bismarck hat zu wiederholt und zu deut¬
lich gesagt, daß beide Verträge in seinen Augen solidarisch verbunden seien,
als daß man wagen dürfte. Bayern's Wehrkraft, wenn auch nur zeitweise
östreichischen oder französischen Velleitäten zur Verfügung zu stellen. Von
den Verträgen kann Bayern nicht mehr los, ohne seine Existenz aufs Spiel
zu setzen, und wenn diese Verträge dem Lande nicht nur neue Kosten, sondern
auch Nutzen bringen sollen, so ist nothwendig, daß sie unter der Aufsicht des
Fürsten Hohenlohe bleiben und nicht in die Hände von Männern gelegt
werden, welche nach Wien, Rom oder Paris schielen. Bei der entschiedenen
Position, die Baden genommen hat, und der Unsicherheit des verlogenen wür-
tembergischen Systems ist die Festhaltung der bisherigen Politik für Bayerns
süddeutsche Stellung eine Nothwendigkeit. Freilich wird der Stand, welchen
Fürst Hohenlohe der Kammer gegenüber haben wird, ein außerordentlich
schwieriger sein und im Interesse des constitutionellen Princips wäre der
Bankerott eines clericalen Cabinets der künstlichen Erhaltung des gegen¬
wärtigen Systems vorzuziehen gewesen.

Müssen wir uns zufrieden geben, wenn die Dinge südlich vom Main in
ihrer bisherigen Schwebe bleiben und wenn derZeit eine Wandlung überlassen
wird, welche sie allein doch nicht fertig bringen kann, so haben wir im nord¬
deutschen Bunde eine wenn auch nur relative Wendung zum Bessern zu con-
statiren. Nicht als ob in der deutschen Frage auch nur ein Finger gerührt
worden wäre; wir müssen uns bescheiden, daß die Entwickelung der nord¬
deutschen Dinge die Consolidation des neuen Bundes wenigstens nicht
erschwert.

Das Camphausen'sche Ftnanzproject, die Debatte über den Etat des
Cultusministeriums, die Ausdehnung des Miquöl-Laster'schen Antrags auf
Erweiterung der Bundescompetenz und die leidige Denkmalangelegenheit von
Celle sind die Hauptgegenstände der Verhandlungen im Berliner Abgeordneten¬
hause gewesen. Die Behandlung des Eulenburg'schen Entwurfs einer neuen
Kreisordnung hat so langsame Fortschritte gemacht und so zahlreiche Unter¬
brechungen erfahren, daß von ihr kaum etwas zu sagen ist; genug, daß die
ministerielle Vorlage bis jetzt nicht gescheitert ist und daß der Minister


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[0445] Die dreijährige Dauer der Bündnißverträge, welche Herr v. d. Pfordten nach dem Prager Frieden abschließen mußte, hat dem zurechnungsfähigen Theil des bayrischen Volks längst die Ueberzeugung gegeben, daß die Gefahr der Verpreußung am leichtesten und bequemsten durch ein erträgliches Ver¬ hältniß zum norddeutschen Bunde abgewendet wird und daß Bayern an der militärischen Sicherheit Deutschlands im Grunde dasselbe lebhafte Interesse hat als Preußen. Ebenso drängen die materiellen Verhältnisse auf Aufrecht¬ haltung des Zollvertrags und Graf Bismarck hat zu wiederholt und zu deut¬ lich gesagt, daß beide Verträge in seinen Augen solidarisch verbunden seien, als daß man wagen dürfte. Bayern's Wehrkraft, wenn auch nur zeitweise östreichischen oder französischen Velleitäten zur Verfügung zu stellen. Von den Verträgen kann Bayern nicht mehr los, ohne seine Existenz aufs Spiel zu setzen, und wenn diese Verträge dem Lande nicht nur neue Kosten, sondern auch Nutzen bringen sollen, so ist nothwendig, daß sie unter der Aufsicht des Fürsten Hohenlohe bleiben und nicht in die Hände von Männern gelegt werden, welche nach Wien, Rom oder Paris schielen. Bei der entschiedenen Position, die Baden genommen hat, und der Unsicherheit des verlogenen wür- tembergischen Systems ist die Festhaltung der bisherigen Politik für Bayerns süddeutsche Stellung eine Nothwendigkeit. Freilich wird der Stand, welchen Fürst Hohenlohe der Kammer gegenüber haben wird, ein außerordentlich schwieriger sein und im Interesse des constitutionellen Princips wäre der Bankerott eines clericalen Cabinets der künstlichen Erhaltung des gegen¬ wärtigen Systems vorzuziehen gewesen. Müssen wir uns zufrieden geben, wenn die Dinge südlich vom Main in ihrer bisherigen Schwebe bleiben und wenn derZeit eine Wandlung überlassen wird, welche sie allein doch nicht fertig bringen kann, so haben wir im nord¬ deutschen Bunde eine wenn auch nur relative Wendung zum Bessern zu con- statiren. Nicht als ob in der deutschen Frage auch nur ein Finger gerührt worden wäre; wir müssen uns bescheiden, daß die Entwickelung der nord¬ deutschen Dinge die Consolidation des neuen Bundes wenigstens nicht erschwert. Das Camphausen'sche Ftnanzproject, die Debatte über den Etat des Cultusministeriums, die Ausdehnung des Miquöl-Laster'schen Antrags auf Erweiterung der Bundescompetenz und die leidige Denkmalangelegenheit von Celle sind die Hauptgegenstände der Verhandlungen im Berliner Abgeordneten¬ hause gewesen. Die Behandlung des Eulenburg'schen Entwurfs einer neuen Kreisordnung hat so langsame Fortschritte gemacht und so zahlreiche Unter¬ brechungen erfahren, daß von ihr kaum etwas zu sagen ist; genug, daß die ministerielle Vorlage bis jetzt nicht gescheitert ist und daß der Minister

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/445>, abgerufen am 05.06.2024.