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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Ernst einer tragischen Handlung angepaßt werden, und es ist überaus anziehend, zu be¬
obachten, wie der Künstler verfährt. Die erschütternde Einfachheit der Motive -- die
bis zum Heroismus gesteigerte Aufopferung eines edlen Weibes, das den Gatten vom
Untergange rettet, der Einklang und die Sehnsucht reiner Seelen im Gegensatz zu Haß
und Tyrannei, Kerkerschaucr und Alltagsgesinnung -- sind dem Maler wie dem Ton¬
dichter in gleicher Weise ausgibig. Die Kunst aber, die sich des Stoffes zuerst bemächtigt,
vollends wenn es wie hier mit der höchsten Meisterschaft geschehen, schreibt jeder andern
auch die Gesetze der Behandlung vor. Schwind ist desshalb der Verlockung, frei nach¬
zudichten, nicht gefolgt, sondern hält sich genau an die Scenen des musikalischen Drama's.
Seine Wahl überzeugt völlig: er gibt in den 4 Bildern erstens die Exposition (Auf¬
treten Fidelio's vor dem großen Kanon im I. Act), dann aus dem II. Act den Höhe¬
punkt der Spannung (Florestan im Kerker von Leonore erkannt), die Katastrophe
(Rettung des Gatten) und zuletzt den Hymnus der Erlösung (Schluß-Ensemble.) --
Die Hauptfigur ist herrlich gelungen: in den Phasen ihrer Affekte steht die holde
Gestalt mit dem ganzen poetischen Zauber vor uns, der über die Leonore Beethovens
ausgegossen ist. Wir haben in ihr, künstlerisch genommen, die Schwester der Heldin
des Märchens von den sieben Naben, dieses aus Wehmuth und sinnlicher Gesundheit so
rührend gemischte Frauenbild, gleich liebenswürdig und verehrungswerth in der ge¬
heuchelter Unbefangenheit des ersten Erscheinens als Knabe, wie in dem Schmelz des fast
übergroßen Wehs der Erkennungsscene, in dem energischen Schwung der entscheidenden
That und endlich im still-frommen Entzücken erfüllter Sehnsucht. Mit sinniger Ab¬
wägung läßt der Künstler den Wellenschlug der Seele je nach den verschiedenen Stim¬
mungen auch in den Linien der Gestalt hier maurischer, dort weiblicher sich wieder¬
spielen, und nie verlieren wir die Empfindung, daß die Sprache dieses Gemüthes Musik
ist. An den übrigen Gestalten mag man hier und da Anstoß finden; die Scene im
Kerker erscheint vielleicht zu drastisch, das Schlußbild ein wenig geziert in Gruppirung
und Geberden; aber auch hierin liegt bestimmte und zwar echt künstlerische Absicht zu
Grunde, die nur nicht überall ganz erreicht ist. Es kommt dem Künstler darauf an,
uns durch die Wiedergabe der Scene empfinden zu lassen, daß es sich nicht
um eigentliche, sondern um poetische Wirklichkeit handelt. Während es seiner
Zeit bei Einführung des Fidelio auf der Bühne den Bearbeitern nöthig schien,
die Fabel ausdrücklich als auf einem historischen Factum beruhend darzustellen, damit
sie dem Publikum -- wie sonst wol den Kindern -- Interesse abgewänne, sucht der
Maler hier vielmehr das Seinige zu thun, um uns durch das Bewußtsein der Er¬
findung die Seele zu befreien. So erklärt sich die stellenweise etwas groteske Charak¬
teristik der Nebenfiguren, wie des Jaquino oder des Gouverneurs, welche mit den
Busfi des altitalienischcn Theaters noch ähnliche Verwandtschaft haben, wie ihre Rollen
in den musikalischen Bearbeitungen der Leonore vor Beethoven; und wenn dieselben
sonach der Intention des großen Meisters nicht ganz entsprechen, so entspricht ihm nichts
destoweniger die Grundidee des Künstlers: durchweg den eigenthümlichen Boden der
Bühne und zwar der Opernbühne fühlbar zu machen.

Das Porträt Beethovens, welches wir beigefügt finden ist ein wackerer Versuch
der Ueberarbeitung der besten früheren Vorlagen unter besonderer Rücksicht auf die be¬
kannte nach dem Leben genommene Gesichtsmaske. Die technische Behandlung verdient
hier wie auch bei den Compositionen Schwinds warmes Lob, -- Merz und Gonzenbach
haben sich besonders durch die künstlerische Hingabe an Genelli's Werke schon dauern¬
den Namen gemacht. Sehr dankenswert!) ist ein zweites porträtartiges Dokument
Beethovens, welches wir mit bekommen: das Facsimile eines Stückes der Originalparti¬
tur (ein Theil des Adagio aus der Arie Florestan's), welche sich in der berliner Biblio¬
thek befindet. Das Vorwort berichtet in geziemender Kürze über Plan und Anordnung
der Ausgabe, über Beethovens Lebensgang und über die Schicksale der Oper, die be¬
kanntlich erst seit der dritten Cinstudirung (1814) wirklich durchdrang. Letzt herrscht


Ernst einer tragischen Handlung angepaßt werden, und es ist überaus anziehend, zu be¬
obachten, wie der Künstler verfährt. Die erschütternde Einfachheit der Motive — die
bis zum Heroismus gesteigerte Aufopferung eines edlen Weibes, das den Gatten vom
Untergange rettet, der Einklang und die Sehnsucht reiner Seelen im Gegensatz zu Haß
und Tyrannei, Kerkerschaucr und Alltagsgesinnung — sind dem Maler wie dem Ton¬
dichter in gleicher Weise ausgibig. Die Kunst aber, die sich des Stoffes zuerst bemächtigt,
vollends wenn es wie hier mit der höchsten Meisterschaft geschehen, schreibt jeder andern
auch die Gesetze der Behandlung vor. Schwind ist desshalb der Verlockung, frei nach¬
zudichten, nicht gefolgt, sondern hält sich genau an die Scenen des musikalischen Drama's.
Seine Wahl überzeugt völlig: er gibt in den 4 Bildern erstens die Exposition (Auf¬
treten Fidelio's vor dem großen Kanon im I. Act), dann aus dem II. Act den Höhe¬
punkt der Spannung (Florestan im Kerker von Leonore erkannt), die Katastrophe
(Rettung des Gatten) und zuletzt den Hymnus der Erlösung (Schluß-Ensemble.) —
Die Hauptfigur ist herrlich gelungen: in den Phasen ihrer Affekte steht die holde
Gestalt mit dem ganzen poetischen Zauber vor uns, der über die Leonore Beethovens
ausgegossen ist. Wir haben in ihr, künstlerisch genommen, die Schwester der Heldin
des Märchens von den sieben Naben, dieses aus Wehmuth und sinnlicher Gesundheit so
rührend gemischte Frauenbild, gleich liebenswürdig und verehrungswerth in der ge¬
heuchelter Unbefangenheit des ersten Erscheinens als Knabe, wie in dem Schmelz des fast
übergroßen Wehs der Erkennungsscene, in dem energischen Schwung der entscheidenden
That und endlich im still-frommen Entzücken erfüllter Sehnsucht. Mit sinniger Ab¬
wägung läßt der Künstler den Wellenschlug der Seele je nach den verschiedenen Stim¬
mungen auch in den Linien der Gestalt hier maurischer, dort weiblicher sich wieder¬
spielen, und nie verlieren wir die Empfindung, daß die Sprache dieses Gemüthes Musik
ist. An den übrigen Gestalten mag man hier und da Anstoß finden; die Scene im
Kerker erscheint vielleicht zu drastisch, das Schlußbild ein wenig geziert in Gruppirung
und Geberden; aber auch hierin liegt bestimmte und zwar echt künstlerische Absicht zu
Grunde, die nur nicht überall ganz erreicht ist. Es kommt dem Künstler darauf an,
uns durch die Wiedergabe der Scene empfinden zu lassen, daß es sich nicht
um eigentliche, sondern um poetische Wirklichkeit handelt. Während es seiner
Zeit bei Einführung des Fidelio auf der Bühne den Bearbeitern nöthig schien,
die Fabel ausdrücklich als auf einem historischen Factum beruhend darzustellen, damit
sie dem Publikum — wie sonst wol den Kindern — Interesse abgewänne, sucht der
Maler hier vielmehr das Seinige zu thun, um uns durch das Bewußtsein der Er¬
findung die Seele zu befreien. So erklärt sich die stellenweise etwas groteske Charak¬
teristik der Nebenfiguren, wie des Jaquino oder des Gouverneurs, welche mit den
Busfi des altitalienischcn Theaters noch ähnliche Verwandtschaft haben, wie ihre Rollen
in den musikalischen Bearbeitungen der Leonore vor Beethoven; und wenn dieselben
sonach der Intention des großen Meisters nicht ganz entsprechen, so entspricht ihm nichts
destoweniger die Grundidee des Künstlers: durchweg den eigenthümlichen Boden der
Bühne und zwar der Opernbühne fühlbar zu machen.

Das Porträt Beethovens, welches wir beigefügt finden ist ein wackerer Versuch
der Ueberarbeitung der besten früheren Vorlagen unter besonderer Rücksicht auf die be¬
kannte nach dem Leben genommene Gesichtsmaske. Die technische Behandlung verdient
hier wie auch bei den Compositionen Schwinds warmes Lob, — Merz und Gonzenbach
haben sich besonders durch die künstlerische Hingabe an Genelli's Werke schon dauern¬
den Namen gemacht. Sehr dankenswert!) ist ein zweites porträtartiges Dokument
Beethovens, welches wir mit bekommen: das Facsimile eines Stückes der Originalparti¬
tur (ein Theil des Adagio aus der Arie Florestan's), welche sich in der berliner Biblio¬
thek befindet. Das Vorwort berichtet in geziemender Kürze über Plan und Anordnung
der Ausgabe, über Beethovens Lebensgang und über die Schicksale der Oper, die be¬
kanntlich erst seit der dritten Cinstudirung (1814) wirklich durchdrang. Letzt herrscht


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[0487] Ernst einer tragischen Handlung angepaßt werden, und es ist überaus anziehend, zu be¬ obachten, wie der Künstler verfährt. Die erschütternde Einfachheit der Motive — die bis zum Heroismus gesteigerte Aufopferung eines edlen Weibes, das den Gatten vom Untergange rettet, der Einklang und die Sehnsucht reiner Seelen im Gegensatz zu Haß und Tyrannei, Kerkerschaucr und Alltagsgesinnung — sind dem Maler wie dem Ton¬ dichter in gleicher Weise ausgibig. Die Kunst aber, die sich des Stoffes zuerst bemächtigt, vollends wenn es wie hier mit der höchsten Meisterschaft geschehen, schreibt jeder andern auch die Gesetze der Behandlung vor. Schwind ist desshalb der Verlockung, frei nach¬ zudichten, nicht gefolgt, sondern hält sich genau an die Scenen des musikalischen Drama's. Seine Wahl überzeugt völlig: er gibt in den 4 Bildern erstens die Exposition (Auf¬ treten Fidelio's vor dem großen Kanon im I. Act), dann aus dem II. Act den Höhe¬ punkt der Spannung (Florestan im Kerker von Leonore erkannt), die Katastrophe (Rettung des Gatten) und zuletzt den Hymnus der Erlösung (Schluß-Ensemble.) — Die Hauptfigur ist herrlich gelungen: in den Phasen ihrer Affekte steht die holde Gestalt mit dem ganzen poetischen Zauber vor uns, der über die Leonore Beethovens ausgegossen ist. Wir haben in ihr, künstlerisch genommen, die Schwester der Heldin des Märchens von den sieben Naben, dieses aus Wehmuth und sinnlicher Gesundheit so rührend gemischte Frauenbild, gleich liebenswürdig und verehrungswerth in der ge¬ heuchelter Unbefangenheit des ersten Erscheinens als Knabe, wie in dem Schmelz des fast übergroßen Wehs der Erkennungsscene, in dem energischen Schwung der entscheidenden That und endlich im still-frommen Entzücken erfüllter Sehnsucht. Mit sinniger Ab¬ wägung läßt der Künstler den Wellenschlug der Seele je nach den verschiedenen Stim¬ mungen auch in den Linien der Gestalt hier maurischer, dort weiblicher sich wieder¬ spielen, und nie verlieren wir die Empfindung, daß die Sprache dieses Gemüthes Musik ist. An den übrigen Gestalten mag man hier und da Anstoß finden; die Scene im Kerker erscheint vielleicht zu drastisch, das Schlußbild ein wenig geziert in Gruppirung und Geberden; aber auch hierin liegt bestimmte und zwar echt künstlerische Absicht zu Grunde, die nur nicht überall ganz erreicht ist. Es kommt dem Künstler darauf an, uns durch die Wiedergabe der Scene empfinden zu lassen, daß es sich nicht um eigentliche, sondern um poetische Wirklichkeit handelt. Während es seiner Zeit bei Einführung des Fidelio auf der Bühne den Bearbeitern nöthig schien, die Fabel ausdrücklich als auf einem historischen Factum beruhend darzustellen, damit sie dem Publikum — wie sonst wol den Kindern — Interesse abgewänne, sucht der Maler hier vielmehr das Seinige zu thun, um uns durch das Bewußtsein der Er¬ findung die Seele zu befreien. So erklärt sich die stellenweise etwas groteske Charak¬ teristik der Nebenfiguren, wie des Jaquino oder des Gouverneurs, welche mit den Busfi des altitalienischcn Theaters noch ähnliche Verwandtschaft haben, wie ihre Rollen in den musikalischen Bearbeitungen der Leonore vor Beethoven; und wenn dieselben sonach der Intention des großen Meisters nicht ganz entsprechen, so entspricht ihm nichts destoweniger die Grundidee des Künstlers: durchweg den eigenthümlichen Boden der Bühne und zwar der Opernbühne fühlbar zu machen. Das Porträt Beethovens, welches wir beigefügt finden ist ein wackerer Versuch der Ueberarbeitung der besten früheren Vorlagen unter besonderer Rücksicht auf die be¬ kannte nach dem Leben genommene Gesichtsmaske. Die technische Behandlung verdient hier wie auch bei den Compositionen Schwinds warmes Lob, — Merz und Gonzenbach haben sich besonders durch die künstlerische Hingabe an Genelli's Werke schon dauern¬ den Namen gemacht. Sehr dankenswert!) ist ein zweites porträtartiges Dokument Beethovens, welches wir mit bekommen: das Facsimile eines Stückes der Originalparti¬ tur (ein Theil des Adagio aus der Arie Florestan's), welche sich in der berliner Biblio¬ thek befindet. Das Vorwort berichtet in geziemender Kürze über Plan und Anordnung der Ausgabe, über Beethovens Lebensgang und über die Schicksale der Oper, die be¬ kanntlich erst seit der dritten Cinstudirung (1814) wirklich durchdrang. Letzt herrscht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/487>, abgerufen am 13.05.2024.