Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn sie in ihrer hochmüthigen und geistlosen Absperrung verharrt, so wird
sie ohne Zweifel langsam eines unrühmlichen Todes sterben und nicht ein¬
mal das Mitleid beanspruchen können, das wir auch Selbstmördern
schenken, wenn sie um einer Idee willen ihrer eigenen Existenz ein Ende
gemacht haben.

Sollen wir aber die bereits vorliegenden Ergebnisse von Duruy's Devis
ach luwtes ötuäss kurz zusammenfassen, so können wir sie dahin Präcisiren:
Es gibt jetzt in Frankreich eine Anstalt, die, den Wünschen einer strebsamen,
tern- und forschungseifrigen Minorität Rechnung tragend, Pflege und Aus¬
bildung der reinen Wissenschaft um ihrer selbst willen sich zum Ziele gesetzt
hat. Sodann: es ist überhaupt in Frankreich wieder möglich geworden,
Philologie zu studiren.




Die Verfassung des Mrstenthums Aatzelmrg.

Die wiederholt dem Reichstage des norddeutschen Bundes vorgetragenen
Beschwerden der Ratzeburger über den verfassungslosen Zustand ihres Länd¬
chens hatten bekanntlich den Erfolg, daß der Bundesrath gegen die großherzog¬
lich mecklenburg-strelitzsche Negierung die Erwartung aussprach, dieselbe werde
jenen Beschwerden in geeigneter Weise abhelfen. Ueber das Wie? und Wann?
war nichts gesagt und der Regierung also in dieser Beziehung völlig freie
Hand gelassen. Nachdem vor längerer Zeit der strelitzer Staatsminister
Freiherr von Hammerstein das Fürstenthum bereist hatte, um sich mit den
Verhältnissen desselben vertrauter zu machen, vielleicht auch hier und da Er¬
kundigungen über die auf die Verfassungsform bezüglichen Wünsche der Be¬
völkerung einzuziehen, verlautete lange Zeit nichts über- die Förderung dieser
Angelegenheit und, wie auch Ihre letzte schwenner Correspondenz bezeugt,
fehlte es nicht an Zweiflern, welche die Erledigung derselben aä ealenäaZ
Oraecas vertagt glaubten. Und doch muß die Ratzeburger Verfassung schon
so gut wie fertig gewesen sein, als der Großherzog von Strelitz im October
unser Fürstenthum bereiste, ohne die Bevölkerung durch eine bezügliche An¬
deutung zu erfreuen. Vermuthlich wollte Se. Hoheit sich erst überzeugen, ob
die Ratzeburger auch ohne Aussicht auf baldige Gewährung ihres lebhaftesten
Wunsches den Landesherrn mit schuldigen Respect und Jubel empfangen
würden, und da dies in befriedigendster Weise geschah, wurde am 6. No-


Wenn sie in ihrer hochmüthigen und geistlosen Absperrung verharrt, so wird
sie ohne Zweifel langsam eines unrühmlichen Todes sterben und nicht ein¬
mal das Mitleid beanspruchen können, das wir auch Selbstmördern
schenken, wenn sie um einer Idee willen ihrer eigenen Existenz ein Ende
gemacht haben.

Sollen wir aber die bereits vorliegenden Ergebnisse von Duruy's Devis
ach luwtes ötuäss kurz zusammenfassen, so können wir sie dahin Präcisiren:
Es gibt jetzt in Frankreich eine Anstalt, die, den Wünschen einer strebsamen,
tern- und forschungseifrigen Minorität Rechnung tragend, Pflege und Aus¬
bildung der reinen Wissenschaft um ihrer selbst willen sich zum Ziele gesetzt
hat. Sodann: es ist überhaupt in Frankreich wieder möglich geworden,
Philologie zu studiren.




Die Verfassung des Mrstenthums Aatzelmrg.

Die wiederholt dem Reichstage des norddeutschen Bundes vorgetragenen
Beschwerden der Ratzeburger über den verfassungslosen Zustand ihres Länd¬
chens hatten bekanntlich den Erfolg, daß der Bundesrath gegen die großherzog¬
lich mecklenburg-strelitzsche Negierung die Erwartung aussprach, dieselbe werde
jenen Beschwerden in geeigneter Weise abhelfen. Ueber das Wie? und Wann?
war nichts gesagt und der Regierung also in dieser Beziehung völlig freie
Hand gelassen. Nachdem vor längerer Zeit der strelitzer Staatsminister
Freiherr von Hammerstein das Fürstenthum bereist hatte, um sich mit den
Verhältnissen desselben vertrauter zu machen, vielleicht auch hier und da Er¬
kundigungen über die auf die Verfassungsform bezüglichen Wünsche der Be¬
völkerung einzuziehen, verlautete lange Zeit nichts über- die Förderung dieser
Angelegenheit und, wie auch Ihre letzte schwenner Correspondenz bezeugt,
fehlte es nicht an Zweiflern, welche die Erledigung derselben aä ealenäaZ
Oraecas vertagt glaubten. Und doch muß die Ratzeburger Verfassung schon
so gut wie fertig gewesen sein, als der Großherzog von Strelitz im October
unser Fürstenthum bereiste, ohne die Bevölkerung durch eine bezügliche An¬
deutung zu erfreuen. Vermuthlich wollte Se. Hoheit sich erst überzeugen, ob
die Ratzeburger auch ohne Aussicht auf baldige Gewährung ihres lebhaftesten
Wunsches den Landesherrn mit schuldigen Respect und Jubel empfangen
würden, und da dies in befriedigendster Weise geschah, wurde am 6. No-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123123"/>
          <p xml:id="ID_81" prev="#ID_80"> Wenn sie in ihrer hochmüthigen und geistlosen Absperrung verharrt, so wird<lb/>
sie ohne Zweifel langsam eines unrühmlichen Todes sterben und nicht ein¬<lb/>
mal das Mitleid beanspruchen können, das wir auch Selbstmördern<lb/>
schenken, wenn sie um einer Idee willen ihrer eigenen Existenz ein Ende<lb/>
gemacht haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_82"> Sollen wir aber die bereits vorliegenden Ergebnisse von Duruy's Devis<lb/>
ach luwtes ötuäss kurz zusammenfassen, so können wir sie dahin Präcisiren:<lb/>
Es gibt jetzt in Frankreich eine Anstalt, die, den Wünschen einer strebsamen,<lb/>
tern- und forschungseifrigen Minorität Rechnung tragend, Pflege und Aus¬<lb/>
bildung der reinen Wissenschaft um ihrer selbst willen sich zum Ziele gesetzt<lb/>
hat. Sodann: es ist überhaupt in Frankreich wieder möglich geworden,<lb/>
Philologie zu studiren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Verfassung des Mrstenthums Aatzelmrg.<lb/></head><lb/>
          <p xml:id="ID_83" next="#ID_84"> Die wiederholt dem Reichstage des norddeutschen Bundes vorgetragenen<lb/>
Beschwerden der Ratzeburger über den verfassungslosen Zustand ihres Länd¬<lb/>
chens hatten bekanntlich den Erfolg, daß der Bundesrath gegen die großherzog¬<lb/>
lich mecklenburg-strelitzsche Negierung die Erwartung aussprach, dieselbe werde<lb/>
jenen Beschwerden in geeigneter Weise abhelfen. Ueber das Wie? und Wann?<lb/>
war nichts gesagt und der Regierung also in dieser Beziehung völlig freie<lb/>
Hand gelassen. Nachdem vor längerer Zeit der strelitzer Staatsminister<lb/>
Freiherr von Hammerstein das Fürstenthum bereist hatte, um sich mit den<lb/>
Verhältnissen desselben vertrauter zu machen, vielleicht auch hier und da Er¬<lb/>
kundigungen über die auf die Verfassungsform bezüglichen Wünsche der Be¬<lb/>
völkerung einzuziehen, verlautete lange Zeit nichts über- die Förderung dieser<lb/>
Angelegenheit und, wie auch Ihre letzte schwenner Correspondenz bezeugt,<lb/>
fehlte es nicht an Zweiflern, welche die Erledigung derselben aä ealenäaZ<lb/>
Oraecas vertagt glaubten. Und doch muß die Ratzeburger Verfassung schon<lb/>
so gut wie fertig gewesen sein, als der Großherzog von Strelitz im October<lb/>
unser Fürstenthum bereiste, ohne die Bevölkerung durch eine bezügliche An¬<lb/>
deutung zu erfreuen. Vermuthlich wollte Se. Hoheit sich erst überzeugen, ob<lb/>
die Ratzeburger auch ohne Aussicht auf baldige Gewährung ihres lebhaftesten<lb/>
Wunsches den Landesherrn mit schuldigen Respect und Jubel empfangen<lb/>
würden, und da dies in befriedigendster Weise geschah, wurde am 6. No-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] Wenn sie in ihrer hochmüthigen und geistlosen Absperrung verharrt, so wird sie ohne Zweifel langsam eines unrühmlichen Todes sterben und nicht ein¬ mal das Mitleid beanspruchen können, das wir auch Selbstmördern schenken, wenn sie um einer Idee willen ihrer eigenen Existenz ein Ende gemacht haben. Sollen wir aber die bereits vorliegenden Ergebnisse von Duruy's Devis ach luwtes ötuäss kurz zusammenfassen, so können wir sie dahin Präcisiren: Es gibt jetzt in Frankreich eine Anstalt, die, den Wünschen einer strebsamen, tern- und forschungseifrigen Minorität Rechnung tragend, Pflege und Aus¬ bildung der reinen Wissenschaft um ihrer selbst willen sich zum Ziele gesetzt hat. Sodann: es ist überhaupt in Frankreich wieder möglich geworden, Philologie zu studiren. Die Verfassung des Mrstenthums Aatzelmrg. Die wiederholt dem Reichstage des norddeutschen Bundes vorgetragenen Beschwerden der Ratzeburger über den verfassungslosen Zustand ihres Länd¬ chens hatten bekanntlich den Erfolg, daß der Bundesrath gegen die großherzog¬ lich mecklenburg-strelitzsche Negierung die Erwartung aussprach, dieselbe werde jenen Beschwerden in geeigneter Weise abhelfen. Ueber das Wie? und Wann? war nichts gesagt und der Regierung also in dieser Beziehung völlig freie Hand gelassen. Nachdem vor längerer Zeit der strelitzer Staatsminister Freiherr von Hammerstein das Fürstenthum bereist hatte, um sich mit den Verhältnissen desselben vertrauter zu machen, vielleicht auch hier und da Er¬ kundigungen über die auf die Verfassungsform bezüglichen Wünsche der Be¬ völkerung einzuziehen, verlautete lange Zeit nichts über- die Förderung dieser Angelegenheit und, wie auch Ihre letzte schwenner Correspondenz bezeugt, fehlte es nicht an Zweiflern, welche die Erledigung derselben aä ealenäaZ Oraecas vertagt glaubten. Und doch muß die Ratzeburger Verfassung schon so gut wie fertig gewesen sein, als der Großherzog von Strelitz im October unser Fürstenthum bereiste, ohne die Bevölkerung durch eine bezügliche An¬ deutung zu erfreuen. Vermuthlich wollte Se. Hoheit sich erst überzeugen, ob die Ratzeburger auch ohne Aussicht auf baldige Gewährung ihres lebhaftesten Wunsches den Landesherrn mit schuldigen Respect und Jubel empfangen würden, und da dies in befriedigendster Weise geschah, wurde am 6. No-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/35>, abgerufen am 16.06.2024.