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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Somit hat sich Duruy's Schöpfung an sich lebensfähig erwiesen, selbst
auch gegen bösen Willen und Widerstand; daß sie mit solchem zu kämpfen
haben würde, war allerdings vorauszusehen. Namentlich ist es die Universi¬
tät, welche, von der einmal gefaßten Ansicht ausgehend, daß die Leolv ass K.
6wäös ihr Concurrenz machen sollte, dieselbe mit scheelem Blicke emporkommen
und wachsen sah. Es war die Absicht gewesen, einen der Facultäts-Pro-
fessoren zum Director einer der philologischen Abtheilungen der neuen Schule
zu ernennen, um somit wenigstens persönlichen Fragen und MißHelligkeiten
aus dem Wege zu gehen; aber derselbe -- nvimng, sunt oäiosa -- trat mit
dem Ausspruche auf, die Facultät habe ein Recht auf die Leitung der 6eoIe;
-- das konnte unmöglich zugegeben werden,- denn dann fiel man gerade den
Freunden des alten Schlendrians und der todten Routine wieder in die
Hände. Da also die Reform bei der*) Universität keine Unterstützung fand,
sondern nur Widerstand und mitleidige Verhöhnung, so mußte sie sich trotz
und außerhalb derselben vollziehen. Und so geschah es.

Unserer Ansicht nach kann aber damit nicht das letzte Wort gesprochen
sein: der jetzige Zustand ist unmöglich etwas anders als ein Provisorium.
Es kann nicht mehr lange dauern, bis endlich allgemein anerkannt wird, daß
die Universität innerlich todt und erstarrt ist, daß ihre hohlen Formen eitel
trügerischer Schein sind, und daß dieser große noch mit Prachtgewändern be¬
kleidete Leichnam den aufstrebenden Lebenskräften nur den Weg sperrt. Es
muß durchaus dahin kommen, daß die Levis ach Kautsg 6tuäes, einmal selbst
erstarkt und vervollständigt, alles mit ihrem Geiste, wie mit einem treibenden
Gährungsstoff belebt; so wird es möglich sein, daß die enge Form der Uni¬
versität gesprengt und erweitert, mit neuem Inhalt gefüllt werde. Freilich
wird vorher noch manche Besserung getroffen, noch mancher harte Kampf ge¬
kämpft werden müssen; auch ist es nothwendig, daß in die juristische Facul¬
tät der zündende Funken geworfen und sie in die Bewegung mit gezogen
werde, wenn' sie nicht eine Drillanstalt für Advokaten und Beamte bleiben
soll. Der historische Sinn, wie immer bei großen politischen, namentlich frei¬
heitlichen Bewegungen, erwacht jetzt wieder in Frankreich, und auch hier wird
er seine allbelebende Wirkung zu üben haben. Wir glauben zuversichtlich,
daß der neue Aufschwung nicht unfruchtbar sein wird. Wenn auch das so
sehr ersehnte Absterben und die noch erwünschtere Neugeburt der französischen
Universität vielleicht in weiterer Ferne liegt als wir es hoffen, so kann sich
diese Anstalt einer durchgreifenden Reform nicht entziehen, wenn sie überhaupt
noch eine Stelle im wissenschaftlichen Leben unserer Zeit einnehmen will.



Dies gilt nur von der ?aoult<z nes lettres, nicht von der naturwissenschaftlichen
Facultät, welche vielmehr die Wichtigkeit der IZeolo Ses d. ö. erkannte und sie als eine er¬
wünschte Bereicherung sofort willkommen hieß.

Somit hat sich Duruy's Schöpfung an sich lebensfähig erwiesen, selbst
auch gegen bösen Willen und Widerstand; daß sie mit solchem zu kämpfen
haben würde, war allerdings vorauszusehen. Namentlich ist es die Universi¬
tät, welche, von der einmal gefaßten Ansicht ausgehend, daß die Leolv ass K.
6wäös ihr Concurrenz machen sollte, dieselbe mit scheelem Blicke emporkommen
und wachsen sah. Es war die Absicht gewesen, einen der Facultäts-Pro-
fessoren zum Director einer der philologischen Abtheilungen der neuen Schule
zu ernennen, um somit wenigstens persönlichen Fragen und MißHelligkeiten
aus dem Wege zu gehen; aber derselbe — nvimng, sunt oäiosa — trat mit
dem Ausspruche auf, die Facultät habe ein Recht auf die Leitung der 6eoIe;
— das konnte unmöglich zugegeben werden,- denn dann fiel man gerade den
Freunden des alten Schlendrians und der todten Routine wieder in die
Hände. Da also die Reform bei der*) Universität keine Unterstützung fand,
sondern nur Widerstand und mitleidige Verhöhnung, so mußte sie sich trotz
und außerhalb derselben vollziehen. Und so geschah es.

Unserer Ansicht nach kann aber damit nicht das letzte Wort gesprochen
sein: der jetzige Zustand ist unmöglich etwas anders als ein Provisorium.
Es kann nicht mehr lange dauern, bis endlich allgemein anerkannt wird, daß
die Universität innerlich todt und erstarrt ist, daß ihre hohlen Formen eitel
trügerischer Schein sind, und daß dieser große noch mit Prachtgewändern be¬
kleidete Leichnam den aufstrebenden Lebenskräften nur den Weg sperrt. Es
muß durchaus dahin kommen, daß die Levis ach Kautsg 6tuäes, einmal selbst
erstarkt und vervollständigt, alles mit ihrem Geiste, wie mit einem treibenden
Gährungsstoff belebt; so wird es möglich sein, daß die enge Form der Uni¬
versität gesprengt und erweitert, mit neuem Inhalt gefüllt werde. Freilich
wird vorher noch manche Besserung getroffen, noch mancher harte Kampf ge¬
kämpft werden müssen; auch ist es nothwendig, daß in die juristische Facul¬
tät der zündende Funken geworfen und sie in die Bewegung mit gezogen
werde, wenn' sie nicht eine Drillanstalt für Advokaten und Beamte bleiben
soll. Der historische Sinn, wie immer bei großen politischen, namentlich frei¬
heitlichen Bewegungen, erwacht jetzt wieder in Frankreich, und auch hier wird
er seine allbelebende Wirkung zu üben haben. Wir glauben zuversichtlich,
daß der neue Aufschwung nicht unfruchtbar sein wird. Wenn auch das so
sehr ersehnte Absterben und die noch erwünschtere Neugeburt der französischen
Universität vielleicht in weiterer Ferne liegt als wir es hoffen, so kann sich
diese Anstalt einer durchgreifenden Reform nicht entziehen, wenn sie überhaupt
noch eine Stelle im wissenschaftlichen Leben unserer Zeit einnehmen will.



Dies gilt nur von der ?aoult<z nes lettres, nicht von der naturwissenschaftlichen
Facultät, welche vielmehr die Wichtigkeit der IZeolo Ses d. ö. erkannte und sie als eine er¬
wünschte Bereicherung sofort willkommen hieß.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/34>, abgerufen am 16.06.2024.