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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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der Zahl dieser und einer vom Magistrat und den vier Bürgerrepräsentanten
aus dem Magistrat gewählt werde". Die bäuerlichen Wahlkreise schließen sich
der alten Eintheilung des Landes in vier große Vogteien, Schönberg, Ru-
pensdors, Schlagsdors und stove, und eine kleinere, Mannhagen, in der Weise
an, daß jede der ersteren in besonderen Abtheilungen zwei, die letzteren einen
Abgeordneten wählt; die Vertreter des geistlichen Standes werden von der
aus acht Predigern bestehenden Landessynode und die drei Domanialpächter
von ihren Genossen gewählt. Die Bewohner der Ratzeburger Domfreiheit
bleiben ohne Vertreter.

Diese Zusammensetzung der Vertretung entspricht durchaus den Verhält¬
nissen des Landes, und wäre derselben nur ein genügender Wirkungskreis
zugewiesen, so würde sich gegen die neue Verfassung wesentlich nur einwenden
lassen, daß es überhaupt wunderlich erscheint, in der zweiten Hälfte des neun¬
zehnten Jahrhunderts einen ständischen Staat zu organisiren. Wollte man
diesen Versuch aber auch der Strelitz-Ratzeburger Negierung zu Gute halten,
so kann doch das Maß der den Natzeburgern zugestandenen landständischen
Rechte auch mecklenburgische Ansprüche nicht befriedigen. Ihre Zustimmung
soll nur erforderlich sein, wenn es sich um Veränderung der bestehenden Ab¬
gaben handelt, in allen anderen Fällen der Gesetzgebung soll dagegen nur
das "rathsame Erachten" der Vertretung erforderlich sein, wie es die mecklen¬
burgischen Stände in den sogenannten "gleichgiltigen" Sachen abzugeben
haben. Daneben ist freilich der Ratzeburger Vertretung die Mitwirkung auf
einzelnen Verwaltungsgebieten in Aussicht gestellt, etwa wie durch die neue
preußische Kreisordnung den Kreistagen, vorläufig jedoch nur in so allge¬
meinen Umrissen, daß es bis zum Erlaß der angekündigten Ausführungs¬
verordnungen kaum möglich ist, sich ein Urtheil darüber zu bilden, inwiefern
in dieser Bestimmung etwa ein Keim zu weiterer Entwickelung der landständi¬
schen Rechte enthalten ist; genannt sind in dieser Beziehung das Armenwesen, das
Communications-, Militär-, Versicherungs- und das Schulwesen nach seiner äuße¬
ren Seite. Die geistlichen Angelegenheiten, zu denen in Ratzeburg wie in Mecklen¬
burg die innere Seite desselben gehört, find trotz des geistlichen Elements in der
Vertretung von der ständischen Sphäre ausgeschlossen. Bezüglich des Armen¬
wesensist die in der Verfassung vorbehaltene Ausführungsverordnung gleichzeitig
mit dieser publicirt und durch diese für gewisse schwerere Armenlasten aus
den bisherigen Armendistricten des Fürstenthums ein einziger Armenverband
gebildet worden. Die Bedürfnisse desselben sollen aus einem von der Ver¬
tretung und ihrem alljährlich zu wählenden ständigen Ausschuß (ein Schön-
berger, ein Bauer und ein Domanialpächter) zu verwaltenden Landessonds
bestritten werden, der auch für die übrigen, der ständischen Mitwirkung zu
unterstellenden Verwaltungsgegenstände, namentlich die Unterhaltung der


der Zahl dieser und einer vom Magistrat und den vier Bürgerrepräsentanten
aus dem Magistrat gewählt werde». Die bäuerlichen Wahlkreise schließen sich
der alten Eintheilung des Landes in vier große Vogteien, Schönberg, Ru-
pensdors, Schlagsdors und stove, und eine kleinere, Mannhagen, in der Weise
an, daß jede der ersteren in besonderen Abtheilungen zwei, die letzteren einen
Abgeordneten wählt; die Vertreter des geistlichen Standes werden von der
aus acht Predigern bestehenden Landessynode und die drei Domanialpächter
von ihren Genossen gewählt. Die Bewohner der Ratzeburger Domfreiheit
bleiben ohne Vertreter.

Diese Zusammensetzung der Vertretung entspricht durchaus den Verhält¬
nissen des Landes, und wäre derselben nur ein genügender Wirkungskreis
zugewiesen, so würde sich gegen die neue Verfassung wesentlich nur einwenden
lassen, daß es überhaupt wunderlich erscheint, in der zweiten Hälfte des neun¬
zehnten Jahrhunderts einen ständischen Staat zu organisiren. Wollte man
diesen Versuch aber auch der Strelitz-Ratzeburger Negierung zu Gute halten,
so kann doch das Maß der den Natzeburgern zugestandenen landständischen
Rechte auch mecklenburgische Ansprüche nicht befriedigen. Ihre Zustimmung
soll nur erforderlich sein, wenn es sich um Veränderung der bestehenden Ab¬
gaben handelt, in allen anderen Fällen der Gesetzgebung soll dagegen nur
das „rathsame Erachten" der Vertretung erforderlich sein, wie es die mecklen¬
burgischen Stände in den sogenannten „gleichgiltigen" Sachen abzugeben
haben. Daneben ist freilich der Ratzeburger Vertretung die Mitwirkung auf
einzelnen Verwaltungsgebieten in Aussicht gestellt, etwa wie durch die neue
preußische Kreisordnung den Kreistagen, vorläufig jedoch nur in so allge¬
meinen Umrissen, daß es bis zum Erlaß der angekündigten Ausführungs¬
verordnungen kaum möglich ist, sich ein Urtheil darüber zu bilden, inwiefern
in dieser Bestimmung etwa ein Keim zu weiterer Entwickelung der landständi¬
schen Rechte enthalten ist; genannt sind in dieser Beziehung das Armenwesen, das
Communications-, Militär-, Versicherungs- und das Schulwesen nach seiner äuße¬
ren Seite. Die geistlichen Angelegenheiten, zu denen in Ratzeburg wie in Mecklen¬
burg die innere Seite desselben gehört, find trotz des geistlichen Elements in der
Vertretung von der ständischen Sphäre ausgeschlossen. Bezüglich des Armen¬
wesensist die in der Verfassung vorbehaltene Ausführungsverordnung gleichzeitig
mit dieser publicirt und durch diese für gewisse schwerere Armenlasten aus
den bisherigen Armendistricten des Fürstenthums ein einziger Armenverband
gebildet worden. Die Bedürfnisse desselben sollen aus einem von der Ver¬
tretung und ihrem alljährlich zu wählenden ständigen Ausschuß (ein Schön-
berger, ein Bauer und ein Domanialpächter) zu verwaltenden Landessonds
bestritten werden, der auch für die übrigen, der ständischen Mitwirkung zu
unterstellenden Verwaltungsgegenstände, namentlich die Unterhaltung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/37>, abgerufen am 16.06.2024.