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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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doxer Eifer, beide sind wenig geeignet, den römischen Ansprüchen irgend
Welchen Widerstand entgegenzustellen. Und es wäre erheiternd, wenn es
nicht für preußischen Stolz gar zu demüthigend wäre, sich den armen Herrn
von Muster nebst seinen Räthen im Streit mit jesuitischen Prälaten und in
unehrerbietigem Gebahren gegen den Bischof von Rom zu denken. Es ist
sehr möglich, daß der Kampf zwischen Preußen und Oestreich noch einmal
auf diesem, bisher nicht beachteten Gebiete durchgekämpft werden muß. Für
gute Erfolge Preußens sind andere Männer nöthig, als die jetzt um Papst
und Kirche zu sorgen haben.

Zufällig trafen in der vergangenen Woche widerwärtige Botschaften von
Brigantenfreveln zusammen. In Griechenland haben die Räuber die gefangenen
Touristen getödtet, wir wissen nicht, ob auf Rath ihrer politischen Freunde
und Rechtsconsulenten in Athen, oder nur aus Grimm darüber, daß das
griechische Ministerium ihnen die 30,000 Pf. Se. Lösegeld wieder abzujagen
und den Mund auf landesübliche Weise zu schließen Miene machte. In
Italien aber haben zusammengeballte Brigantenhaufen wieder einmal die
Cocarde der Sanfedisten aufgesteckt, sie sind im Vertrauen auf den Frieden,
welchen ihre Gönnerin, die Kirche, ihnen auf päpstlichen Gebiet sichert, über
die italienische Grenze gebrochen, vorläufig durch Freiwillige, unter denen der Sohn
Garivaldi's war, in das'Patrimonium Petri zurückgejagt worden. Und in Si-
eilien erwartet man jeden Tag den Ausbruch einer neuen Briganteninsurrection.
Es ist doch eine wunderliche Geschichte, daß die scheußliche Räuberwirthschast
gerade in den Halbinseln des Mittelmeers, den Ländern glorreicher alter
Cultur, den ruhmvollen Stätten, wo der Liebesglaube des Gekreuzigten zuerst
durch kirchliches System und priesterliches Fürstenthum eine politische Macht
wurde, so unzerstörbar wuchert. Papst Pius hat gegen seine Forderung in
Glaubenssachen für unfehlbar zu gelten, in seiner nächsten Nähe einen Gegner
großgezogen, der vor aller Welt weit erfolgreicher gegen ihn argumen-
tire, als alle gekränkten Bischöfe. Und dieser Gegner ist die eigenthümliche
Moral des päpstlichen Regiments. Räuber und Mörder zu hegen, weil sie
als politische Helfer dienen können, gilt jetzt in Europa, Rom und Griechen¬
land ausgenommen, für ein wirklich recht veraltetes Mittel, sich seiner Feinde
ZU erwehren; und wenn der verstorbene König von Sardinien, Karl Albert,
ßch bitter beklagte, er stehe zwischen den Dolchen der Carbonari und der
Chocolade der Jesuiten, so war auch die Kochkunst, welche in seiner Zeit den
Vätern von der Gesellschaft Jesu zugeschrieben wurde, keine Waffe,
Welche die Hochachtung vor dem Stuhl Petri in Italien fester gegründet
hat. Die römische Prälatur vermag nicht" die Entschuldigungen der Griechen
für sich anzuführen. Die Griechen freilich sagen, wenn unsere Politiker noch
ein wenig mit den Schwächen der Räuberei, des Meuchelmordes und der


doxer Eifer, beide sind wenig geeignet, den römischen Ansprüchen irgend
Welchen Widerstand entgegenzustellen. Und es wäre erheiternd, wenn es
nicht für preußischen Stolz gar zu demüthigend wäre, sich den armen Herrn
von Muster nebst seinen Räthen im Streit mit jesuitischen Prälaten und in
unehrerbietigem Gebahren gegen den Bischof von Rom zu denken. Es ist
sehr möglich, daß der Kampf zwischen Preußen und Oestreich noch einmal
auf diesem, bisher nicht beachteten Gebiete durchgekämpft werden muß. Für
gute Erfolge Preußens sind andere Männer nöthig, als die jetzt um Papst
und Kirche zu sorgen haben.

Zufällig trafen in der vergangenen Woche widerwärtige Botschaften von
Brigantenfreveln zusammen. In Griechenland haben die Räuber die gefangenen
Touristen getödtet, wir wissen nicht, ob auf Rath ihrer politischen Freunde
und Rechtsconsulenten in Athen, oder nur aus Grimm darüber, daß das
griechische Ministerium ihnen die 30,000 Pf. Se. Lösegeld wieder abzujagen
und den Mund auf landesübliche Weise zu schließen Miene machte. In
Italien aber haben zusammengeballte Brigantenhaufen wieder einmal die
Cocarde der Sanfedisten aufgesteckt, sie sind im Vertrauen auf den Frieden,
welchen ihre Gönnerin, die Kirche, ihnen auf päpstlichen Gebiet sichert, über
die italienische Grenze gebrochen, vorläufig durch Freiwillige, unter denen der Sohn
Garivaldi's war, in das'Patrimonium Petri zurückgejagt worden. Und in Si-
eilien erwartet man jeden Tag den Ausbruch einer neuen Briganteninsurrection.
Es ist doch eine wunderliche Geschichte, daß die scheußliche Räuberwirthschast
gerade in den Halbinseln des Mittelmeers, den Ländern glorreicher alter
Cultur, den ruhmvollen Stätten, wo der Liebesglaube des Gekreuzigten zuerst
durch kirchliches System und priesterliches Fürstenthum eine politische Macht
wurde, so unzerstörbar wuchert. Papst Pius hat gegen seine Forderung in
Glaubenssachen für unfehlbar zu gelten, in seiner nächsten Nähe einen Gegner
großgezogen, der vor aller Welt weit erfolgreicher gegen ihn argumen-
tire, als alle gekränkten Bischöfe. Und dieser Gegner ist die eigenthümliche
Moral des päpstlichen Regiments. Räuber und Mörder zu hegen, weil sie
als politische Helfer dienen können, gilt jetzt in Europa, Rom und Griechen¬
land ausgenommen, für ein wirklich recht veraltetes Mittel, sich seiner Feinde
ZU erwehren; und wenn der verstorbene König von Sardinien, Karl Albert,
ßch bitter beklagte, er stehe zwischen den Dolchen der Carbonari und der
Chocolade der Jesuiten, so war auch die Kochkunst, welche in seiner Zeit den
Vätern von der Gesellschaft Jesu zugeschrieben wurde, keine Waffe,
Welche die Hochachtung vor dem Stuhl Petri in Italien fester gegründet
hat. Die römische Prälatur vermag nicht» die Entschuldigungen der Griechen
für sich anzuführen. Die Griechen freilich sagen, wenn unsere Politiker noch
ein wenig mit den Schwächen der Räuberei, des Meuchelmordes und der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/285>, abgerufen am 15.06.2024.