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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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verdeckt, die soliden in die Mauer eingelassenen Stein-Sculpturen werden
durch angeklebte Ornamente aus Gyps. die großartigen Portale durch ein¬
fache Thüren mit Spiegelscheiben ersetzt und das Ganze gleichmäßig hell
(also blendend) angestrichen. Alles was irgend transportabel ist. alte Bilder,
Porzellan, schöne Möbel und Geräthe aller Art, Gitter und Schmiedeeisen,
geschnitzte Friese und Figuren, Fensterstöcke. Thüren und Treppen, Zimmer¬
decken, ja ganze Zimmereinrichtungen und Hauffa^aber werden nach aus¬
wärts, besonders nach Polen, England und Frankreich hin verkauft, wo die
Liebhaber von Kunst und Alterthum große Summen dafür zahlen. Das
Zeughaus, welches sehr reich an alten Waffen war, wurde schon am Anfang
dieses Jahrhunders ausgeräumt. Danzig ist gleich Nom, Venedig und
Nürnberg schon lange eine der reichsten Fundgruben für Antiquitätenhänd¬
ler. Der größte Theil der bekannten Sammlung des Generals du Rosay,
welche im Jahre 1863 zu Dresden um hohen Preis verkauft wurde, war
in Danzig zusammengebracht. Mehrere Commissionäre vermitteln den Verkauf
alterthümlicher Gegenstände nach auswärts, schicken jährlich viele Kisten voll
der schönsten Dinge, ganze Eisenbahnwagen voll alter Möbel nach Berlin,
Warschau und England. Es gibt in England und Polen vollständige Haus¬
einrichtungen, die aus Danzig stammen. Trotz alledem bietet die Stadt noch
immer des Interessanten und Werthvollen genug. "Das Gepräge ehemali¬
gen Wohlstandes", sagt Johanna Schopenhauer mit vollem Recht, "und der
aus demselben entspringenden soliden Prachtliebe ist meiner Vaterstadt so
tief eingedrückt und dermaßen mit ihrem ganzen Wesen verzweigt und ver-
wachsen, daß es unmöglich wäre, sie zu modernisiren, ohne sie ganz zu zer¬
stören und ein neues Danzig auf der Stelle des alten zu erbauen."

Aber diese moderne Plünderung Danzigs vollzieht sich nicht
ohne den Widerspruch einer Anzahl besser Gesinnter, welche den Werth des
guten Alten zu schätzen, das Altmodische auch mit modernen Zwecken und
Bedürfnissen zu vereinigen wissen. Es gibt noch mehrere Männer, welche die
schönen Häuser ihres Besitzes nicht nur sorgfältig conserviren, sondern auch
unablässig bemüht sind, dieselben mit schönem, entweder wirklich altem, oder
dem alten genau nachgebildeten Hausrathe auszustatten. Von großem Reiz
sind in dieser Beziehung besonders die Wohnungen der Herren R. Käm¬
merer, Prediger A. Bertling, Rothländer und Garbe. Schöne
Möbel und Kunstgegenstände aller Art sammeln besonders Prof. I. C.
Schultz, Stadtrath I. C. Block, Herr Kupfers ahnete, auch Ober¬
bürgermeister v. Winter, General v. Borcke, Maler Striowski und
viele Andere.

Für die Erhaltung und würdige Herstellung der öffentlichen Gebäude
sorgen die Behörden und Corporationen. Von ältern Militärbauten sind


verdeckt, die soliden in die Mauer eingelassenen Stein-Sculpturen werden
durch angeklebte Ornamente aus Gyps. die großartigen Portale durch ein¬
fache Thüren mit Spiegelscheiben ersetzt und das Ganze gleichmäßig hell
(also blendend) angestrichen. Alles was irgend transportabel ist. alte Bilder,
Porzellan, schöne Möbel und Geräthe aller Art, Gitter und Schmiedeeisen,
geschnitzte Friese und Figuren, Fensterstöcke. Thüren und Treppen, Zimmer¬
decken, ja ganze Zimmereinrichtungen und Hauffa^aber werden nach aus¬
wärts, besonders nach Polen, England und Frankreich hin verkauft, wo die
Liebhaber von Kunst und Alterthum große Summen dafür zahlen. Das
Zeughaus, welches sehr reich an alten Waffen war, wurde schon am Anfang
dieses Jahrhunders ausgeräumt. Danzig ist gleich Nom, Venedig und
Nürnberg schon lange eine der reichsten Fundgruben für Antiquitätenhänd¬
ler. Der größte Theil der bekannten Sammlung des Generals du Rosay,
welche im Jahre 1863 zu Dresden um hohen Preis verkauft wurde, war
in Danzig zusammengebracht. Mehrere Commissionäre vermitteln den Verkauf
alterthümlicher Gegenstände nach auswärts, schicken jährlich viele Kisten voll
der schönsten Dinge, ganze Eisenbahnwagen voll alter Möbel nach Berlin,
Warschau und England. Es gibt in England und Polen vollständige Haus¬
einrichtungen, die aus Danzig stammen. Trotz alledem bietet die Stadt noch
immer des Interessanten und Werthvollen genug. „Das Gepräge ehemali¬
gen Wohlstandes", sagt Johanna Schopenhauer mit vollem Recht, „und der
aus demselben entspringenden soliden Prachtliebe ist meiner Vaterstadt so
tief eingedrückt und dermaßen mit ihrem ganzen Wesen verzweigt und ver-
wachsen, daß es unmöglich wäre, sie zu modernisiren, ohne sie ganz zu zer¬
stören und ein neues Danzig auf der Stelle des alten zu erbauen."

Aber diese moderne Plünderung Danzigs vollzieht sich nicht
ohne den Widerspruch einer Anzahl besser Gesinnter, welche den Werth des
guten Alten zu schätzen, das Altmodische auch mit modernen Zwecken und
Bedürfnissen zu vereinigen wissen. Es gibt noch mehrere Männer, welche die
schönen Häuser ihres Besitzes nicht nur sorgfältig conserviren, sondern auch
unablässig bemüht sind, dieselben mit schönem, entweder wirklich altem, oder
dem alten genau nachgebildeten Hausrathe auszustatten. Von großem Reiz
sind in dieser Beziehung besonders die Wohnungen der Herren R. Käm¬
merer, Prediger A. Bertling, Rothländer und Garbe. Schöne
Möbel und Kunstgegenstände aller Art sammeln besonders Prof. I. C.
Schultz, Stadtrath I. C. Block, Herr Kupfers ahnete, auch Ober¬
bürgermeister v. Winter, General v. Borcke, Maler Striowski und
viele Andere.

Für die Erhaltung und würdige Herstellung der öffentlichen Gebäude
sorgen die Behörden und Corporationen. Von ältern Militärbauten sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/186>, abgerufen am 17.06.2024.