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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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stimmt sind, in deutscher Sprache veröffentlicht. Denjenigen, welche Steuern
und Abgaben jeder Art eingezahlt haben, sollen Quittungen und Talons von
Quittungen, den örtlichen Einwohnern Zeugnisse und Billete zum Handel
und Gewerbe auf Wunsch in deutscher Sprache verabfolgt werden.

(Schluß folgt.)




Aus Schwaben.

Welchen Ausgang unser Militärconfltkt nehmen wird, mögen die --
Bayern wissen! Vorausgesetzt allerdings, daß diese -- woran billig zu zwei¬
feln ist -- selber wissen, wohin sie steuern. Für jetzt sind wir aufmerksame
Zuschauer der verwunderlichen Experimente unserer Nachbarn, und da vor
dem Herbst an den Zusammentritt unserer Kammer nicht zu denken ist, haben
wir alle Muße, um die verwandte Krisis, welche die Staatsmänner und Pa¬
trioten an der Jsar beschäftigt, beschaulich zu verfolgen. Unsere Volkspartei
empfindet es mit einer an Neid grenzenden Bewunderung, daß der bayrische
Milizgreis im Bund mit seinen ultramontanen Gefährten so tapfer ins Zeug
gegangen ist und selbst jene diplomatische Mäßigung verschmäht hat, der die
diesseitigen Patrioten sich bequemen zu müssen glaubten. Eine achtmonat¬
liche Präsenz ist mehr, oder vielmehr weniger, als man am Nesenbach bis
jetzt in officieller Weise zu verlangen gewagt hat. Hier hat man die Sache
bis jetzt fast mehr im Scherze behandelt, drüben aber verspricht sie sich zum
bittern Ernst zu gestalten, und so ist die Freude groß, daß der Finanz¬
ausschuß der bajuvarischen Volksvertretung sich an die Spitze der civilisatori-
schen Bewegung des Jahrhunderts gestellt und mit geistlichen und weltlichen
Waffen entschlossen die Bresche in die Burg des Militarismus eröffnet hat.
Der weitere Gang der Dinge dürfte dann wohl geeignet sein, wieder etwas
abkühlend zu wirken. Nach dem ganzen seitherigen Verlauf ist nicht arm-
.nehmen, daß der vorhandene Conflikt rasch und rein gelöst werden werde.
Wer überhaupt noch einiges Interesse an den inneren Dingen in Süddeutsch¬
land sich gerettet hat, der möge sich mit Geduld waffnen. Ohne Zweifel
wäre den Regierungen irgend eine Entscheidung, gleichviel welche, erwünscht,
und die Exaltirten andererseits sähen nichts lieber als eine effektvolle Theater-
katastrophe. Allein solche Gunst wird aller Voraussicht nach den süddeutschen
Staaten nicht zu Theil werden. Ein schleichender Hader, durch mühsam er¬
neute Compromisse nicht beglichen, sondern nur von Station zu Station
fortgeschleppt, wird das künftige Loos dieser Staaten sein, empfindlicher an
ihrem Mark und ihrer Lebenskraft zehrend als irgend ein Entweder -- Oder.


stimmt sind, in deutscher Sprache veröffentlicht. Denjenigen, welche Steuern
und Abgaben jeder Art eingezahlt haben, sollen Quittungen und Talons von
Quittungen, den örtlichen Einwohnern Zeugnisse und Billete zum Handel
und Gewerbe auf Wunsch in deutscher Sprache verabfolgt werden.

(Schluß folgt.)




Aus Schwaben.

Welchen Ausgang unser Militärconfltkt nehmen wird, mögen die —
Bayern wissen! Vorausgesetzt allerdings, daß diese — woran billig zu zwei¬
feln ist — selber wissen, wohin sie steuern. Für jetzt sind wir aufmerksame
Zuschauer der verwunderlichen Experimente unserer Nachbarn, und da vor
dem Herbst an den Zusammentritt unserer Kammer nicht zu denken ist, haben
wir alle Muße, um die verwandte Krisis, welche die Staatsmänner und Pa¬
trioten an der Jsar beschäftigt, beschaulich zu verfolgen. Unsere Volkspartei
empfindet es mit einer an Neid grenzenden Bewunderung, daß der bayrische
Milizgreis im Bund mit seinen ultramontanen Gefährten so tapfer ins Zeug
gegangen ist und selbst jene diplomatische Mäßigung verschmäht hat, der die
diesseitigen Patrioten sich bequemen zu müssen glaubten. Eine achtmonat¬
liche Präsenz ist mehr, oder vielmehr weniger, als man am Nesenbach bis
jetzt in officieller Weise zu verlangen gewagt hat. Hier hat man die Sache
bis jetzt fast mehr im Scherze behandelt, drüben aber verspricht sie sich zum
bittern Ernst zu gestalten, und so ist die Freude groß, daß der Finanz¬
ausschuß der bajuvarischen Volksvertretung sich an die Spitze der civilisatori-
schen Bewegung des Jahrhunderts gestellt und mit geistlichen und weltlichen
Waffen entschlossen die Bresche in die Burg des Militarismus eröffnet hat.
Der weitere Gang der Dinge dürfte dann wohl geeignet sein, wieder etwas
abkühlend zu wirken. Nach dem ganzen seitherigen Verlauf ist nicht arm-
.nehmen, daß der vorhandene Conflikt rasch und rein gelöst werden werde.
Wer überhaupt noch einiges Interesse an den inneren Dingen in Süddeutsch¬
land sich gerettet hat, der möge sich mit Geduld waffnen. Ohne Zweifel
wäre den Regierungen irgend eine Entscheidung, gleichviel welche, erwünscht,
und die Exaltirten andererseits sähen nichts lieber als eine effektvolle Theater-
katastrophe. Allein solche Gunst wird aller Voraussicht nach den süddeutschen
Staaten nicht zu Theil werden. Ein schleichender Hader, durch mühsam er¬
neute Compromisse nicht beglichen, sondern nur von Station zu Station
fortgeschleppt, wird das künftige Loos dieser Staaten sein, empfindlicher an
ihrem Mark und ihrer Lebenskraft zehrend als irgend ein Entweder — Oder.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/36>, abgerufen am 19.05.2024.