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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Die württembergische Regierung ist zur Nachgiebigkeit bis an die äußerste
Grenze entschlossen. Nicht das ist die Signatur unserer Lage, daß Herr
v. Succow, dieser energische und preußisch gesinnte Mann, die Führung des
Kriegsdepartements übernommen habe, sondern dies ist das Charakteristische,
daß selbst Herr v. Succow zu Zugeständnissen sich genöthigt steht, die er
noch vor zwei Jahren für undenkbar gehalten hätte. Noch hat der Minister
seinen neuen Budgetentwurf nicht dem ständischen Ausschuß vorgelegt und
die Einzelheiten desselben sind noch nicht bekannt. Nur so viel scheint gewiß,
daß die Ersparnisse, deren Verwirklichung er übernehmen mußte, nur möglich
sind durch eine rückläufige Bewegung innerhalb unseres eben noch im Auf-
schwung begriffenen Militärwesens; zum nicht geringen Verdruß unserer
Offiziere, von welchen die Einrichtungen freudig begrüßt worden waren, die
das Heer auf dieselbe Stufe mit dem norddeutschen zu heben bestimmt waren.
Der Trost hilft wenig, daß jene Zugeständnisse unvermeidlich seien, um wenig¬
stens das Wesentliche der Neugestaltung zu retten. Unleugbar sind wir weit
zurückgekommen seit der süddeutschen Militärconferenz im Februar 1867 und
seit den Debatten der württembergischen Abgeordnetenkammer, die im
Jahr 1868 das neue Kriegsdienstgesetz genehmigte. Auf jener Stuttgarter
Conferenz hatten sich die süddeutschen Staaten bekanntlich zur Einführung
einer den Principien der preußischen nachgebildeten Wehrverfassung geeinigt.
Die dreijährige Präsenzpflicht war anerkannt. Die Procentsätze des Forma-
tionsstandes der preußischen Armee (2 Proc. Kriegsstärke, 1 Proc. Friedens¬
stärke) sollten möglichst angestrebt, keineswegs aber sollte unter ein Mini¬
mum von 1-7, Proc. für die Kriegspräsenz, von "/" Proc. für die Friedens-
Präsenz herabgegangen werden. Dazu kamen noch Bestimmungen über die
taktischen Einheiten, die gleichfalls den preußischen entsprechen sollten. Die
Fassung dieser gemeinsam geltenden Vorschriften war weit genug, aber noch
weiter das Gewissen, mit dem in Württemberg und Bayern diese Vorschriften
befolgt wurden. In der Dauer der faktischen Präsenzzeit, in dem Procent'
sah des stehenden Heeres wie in der Composition der taktischen Einheiten
blieb man um ein ziemliches unter den als normativ anerkannten Leistungen
Norddeutschlands zurück. Mehr hatte damals die Kargheit der Stände nicht
erlaubt. Die Folge des jetzigen Sparsystems ist, daß man selbst unter das
damals noch ermöglichte Maß der Leistungen heruntergeht.

Man schreibt dem General v. Succow die Absicht zu. die jetzt durch,
schnittlich zweijährige Präsenzzeit für die Infanterie auf 17 Monate herab¬
zusetzen, die Zahl der Auszuhebenden zu vermindern und durch taktische Verände¬
rungen, durch Aufhebung eines Jägerbataillons, durch Verminderung der
reitenden Artillerie -- beiläufig bemerkt, diejenige Truppe, welche sich bei den
vorjährigen Uebungen am besten bewährt hat -- die vorgezeichnete Höhe der


Die württembergische Regierung ist zur Nachgiebigkeit bis an die äußerste
Grenze entschlossen. Nicht das ist die Signatur unserer Lage, daß Herr
v. Succow, dieser energische und preußisch gesinnte Mann, die Führung des
Kriegsdepartements übernommen habe, sondern dies ist das Charakteristische,
daß selbst Herr v. Succow zu Zugeständnissen sich genöthigt steht, die er
noch vor zwei Jahren für undenkbar gehalten hätte. Noch hat der Minister
seinen neuen Budgetentwurf nicht dem ständischen Ausschuß vorgelegt und
die Einzelheiten desselben sind noch nicht bekannt. Nur so viel scheint gewiß,
daß die Ersparnisse, deren Verwirklichung er übernehmen mußte, nur möglich
sind durch eine rückläufige Bewegung innerhalb unseres eben noch im Auf-
schwung begriffenen Militärwesens; zum nicht geringen Verdruß unserer
Offiziere, von welchen die Einrichtungen freudig begrüßt worden waren, die
das Heer auf dieselbe Stufe mit dem norddeutschen zu heben bestimmt waren.
Der Trost hilft wenig, daß jene Zugeständnisse unvermeidlich seien, um wenig¬
stens das Wesentliche der Neugestaltung zu retten. Unleugbar sind wir weit
zurückgekommen seit der süddeutschen Militärconferenz im Februar 1867 und
seit den Debatten der württembergischen Abgeordnetenkammer, die im
Jahr 1868 das neue Kriegsdienstgesetz genehmigte. Auf jener Stuttgarter
Conferenz hatten sich die süddeutschen Staaten bekanntlich zur Einführung
einer den Principien der preußischen nachgebildeten Wehrverfassung geeinigt.
Die dreijährige Präsenzpflicht war anerkannt. Die Procentsätze des Forma-
tionsstandes der preußischen Armee (2 Proc. Kriegsstärke, 1 Proc. Friedens¬
stärke) sollten möglichst angestrebt, keineswegs aber sollte unter ein Mini¬
mum von 1-7, Proc. für die Kriegspräsenz, von »/» Proc. für die Friedens-
Präsenz herabgegangen werden. Dazu kamen noch Bestimmungen über die
taktischen Einheiten, die gleichfalls den preußischen entsprechen sollten. Die
Fassung dieser gemeinsam geltenden Vorschriften war weit genug, aber noch
weiter das Gewissen, mit dem in Württemberg und Bayern diese Vorschriften
befolgt wurden. In der Dauer der faktischen Präsenzzeit, in dem Procent'
sah des stehenden Heeres wie in der Composition der taktischen Einheiten
blieb man um ein ziemliches unter den als normativ anerkannten Leistungen
Norddeutschlands zurück. Mehr hatte damals die Kargheit der Stände nicht
erlaubt. Die Folge des jetzigen Sparsystems ist, daß man selbst unter das
damals noch ermöglichte Maß der Leistungen heruntergeht.

Man schreibt dem General v. Succow die Absicht zu. die jetzt durch,
schnittlich zweijährige Präsenzzeit für die Infanterie auf 17 Monate herab¬
zusetzen, die Zahl der Auszuhebenden zu vermindern und durch taktische Verände¬
rungen, durch Aufhebung eines Jägerbataillons, durch Verminderung der
reitenden Artillerie — beiläufig bemerkt, diejenige Truppe, welche sich bei den
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[0037] Die württembergische Regierung ist zur Nachgiebigkeit bis an die äußerste Grenze entschlossen. Nicht das ist die Signatur unserer Lage, daß Herr v. Succow, dieser energische und preußisch gesinnte Mann, die Führung des Kriegsdepartements übernommen habe, sondern dies ist das Charakteristische, daß selbst Herr v. Succow zu Zugeständnissen sich genöthigt steht, die er noch vor zwei Jahren für undenkbar gehalten hätte. Noch hat der Minister seinen neuen Budgetentwurf nicht dem ständischen Ausschuß vorgelegt und die Einzelheiten desselben sind noch nicht bekannt. Nur so viel scheint gewiß, daß die Ersparnisse, deren Verwirklichung er übernehmen mußte, nur möglich sind durch eine rückläufige Bewegung innerhalb unseres eben noch im Auf- schwung begriffenen Militärwesens; zum nicht geringen Verdruß unserer Offiziere, von welchen die Einrichtungen freudig begrüßt worden waren, die das Heer auf dieselbe Stufe mit dem norddeutschen zu heben bestimmt waren. Der Trost hilft wenig, daß jene Zugeständnisse unvermeidlich seien, um wenig¬ stens das Wesentliche der Neugestaltung zu retten. Unleugbar sind wir weit zurückgekommen seit der süddeutschen Militärconferenz im Februar 1867 und seit den Debatten der württembergischen Abgeordnetenkammer, die im Jahr 1868 das neue Kriegsdienstgesetz genehmigte. Auf jener Stuttgarter Conferenz hatten sich die süddeutschen Staaten bekanntlich zur Einführung einer den Principien der preußischen nachgebildeten Wehrverfassung geeinigt. Die dreijährige Präsenzpflicht war anerkannt. Die Procentsätze des Forma- tionsstandes der preußischen Armee (2 Proc. Kriegsstärke, 1 Proc. Friedens¬ stärke) sollten möglichst angestrebt, keineswegs aber sollte unter ein Mini¬ mum von 1-7, Proc. für die Kriegspräsenz, von »/» Proc. für die Friedens- Präsenz herabgegangen werden. Dazu kamen noch Bestimmungen über die taktischen Einheiten, die gleichfalls den preußischen entsprechen sollten. Die Fassung dieser gemeinsam geltenden Vorschriften war weit genug, aber noch weiter das Gewissen, mit dem in Württemberg und Bayern diese Vorschriften befolgt wurden. In der Dauer der faktischen Präsenzzeit, in dem Procent' sah des stehenden Heeres wie in der Composition der taktischen Einheiten blieb man um ein ziemliches unter den als normativ anerkannten Leistungen Norddeutschlands zurück. Mehr hatte damals die Kargheit der Stände nicht erlaubt. Die Folge des jetzigen Sparsystems ist, daß man selbst unter das damals noch ermöglichte Maß der Leistungen heruntergeht. Man schreibt dem General v. Succow die Absicht zu. die jetzt durch, schnittlich zweijährige Präsenzzeit für die Infanterie auf 17 Monate herab¬ zusetzen, die Zahl der Auszuhebenden zu vermindern und durch taktische Verände¬ rungen, durch Aufhebung eines Jägerbataillons, durch Verminderung der reitenden Artillerie — beiläufig bemerkt, diejenige Truppe, welche sich bei den vorjährigen Uebungen am besten bewährt hat — die vorgezeichnete Höhe der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/37>, abgerufen am 26.05.2024.