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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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wurden nun noch fünf solche Kanonen in Angriff genommen. Hierzu kom¬
men die Bestellungen von neuen Thurmmonitors in England, sowie man
auch in Rußland selbst den Bau von dergleichen nach einem neuen System
in Angriff genommen hat, die sich durch Schnelligkeit des Ganges und Ge¬
lenkigkeit auszeichnen sollen.

Ueberhaupt herrscht rege Thätigkeit in militärischen Vorbereitungen, und
in der Pruthebene sowie im Rayon der galizischen Grenze, in Wolhynien und
Podolien werden bedeutende Truppenmassen zusammengezogen. Ein Circular
des Kriegsministers machte im Februar bekannt, daß alle beurlaubten Offi¬
ziere bis zum 1. Mai bei ihren Truppentheilen eingetroffen sein müssen und
daß vorläufig BeuUaubungen über jenen Termin hinaus nicht ertheilt wer¬
den dürften, weil die neuen Einrichtungen beim Heere es nöthig machten,
daß alle Offiziere auf ihren Stellen seien. Die Offiziere, welche mit Geneh-
migung des Ministers bei dem Bauernregulirungswesen in Polen Provisorisch
eingetreten und auf unbestimmte Zeit dazu beurlaubt sind, haben Weisung
empfangen, binnen zwei Monaten zu erklären, ob sie bis zum 13. Mai in
ihre reservirten Stellen beim Heere wieder eintreten wollen oder dieselben
aufgeben. Im letzteren Falle dürfen sie in ihren Civilstellen bleiben, müssen
aber auf alle Ansprüche an den Staat um Pensionirung oder anderweite
Anstellung verzichten, wenn das Institut der Regulirungscommissarien nach
Beendigung der Geschäfte aufhört. Viele derselben werden im Civildienst
bleiben, da ihre Besoldungen ansehnlich find und meistens nicht unter 3000
Rubel jährlich betragen.

Nach dem Staatsbudget hat zwar das Deficit im Jahre 1866 60, im
Jahre 1867 30 und 1868 nur 20 Millionen Silberrubel betragen, was bei
der Steigerung der Ausgaben als sehr günstig gelten dürfte, wenn nicht fort¬
während zur Deckung Anleihen gemacht worden wären. Die in den Jahren
1864 bis 1866 contrahirten betragen nach der Moskaner Zeitung, außer den
zu gleicher Zeit emittirten Banknoten-Serien im Betrage von 12 Millionen
Silberrubel, zusammen 257 Millionen. Das Deficit wird auch in den Jah¬
ren 69 und 70 nicht viel geringer sein. Dazu kommen bedeutende Abgaben¬
rückstände, welche in 63 Gouvernements im Ganzen fast 27 Millionen Silber¬
rubel betragen. Die meisten Rückstände hat das Gouvernement Mohileff,
die wenigsten kamen auf das Stadtgebiet von Odessa.

Die Provinziallandtage des Moskaner und Petersburger Gouvernements
hatten gegen das Besteuerungsgesetz vom 21. November 1867 Beschwerde
erhoben, weil dies Gesetz verlangt, daß nur die Immobilien und die Handels¬
und Gewerbescheine nach einem bestimmten Procentsatze besteuert werden.
Der Landtag hatte vorgeschlagen, daß auch das Umsatzkapitel der Fabrikanten
und Gcschäftstreibenden ermittelt und zur Besteuerung herangezogen werden


wurden nun noch fünf solche Kanonen in Angriff genommen. Hierzu kom¬
men die Bestellungen von neuen Thurmmonitors in England, sowie man
auch in Rußland selbst den Bau von dergleichen nach einem neuen System
in Angriff genommen hat, die sich durch Schnelligkeit des Ganges und Ge¬
lenkigkeit auszeichnen sollen.

Ueberhaupt herrscht rege Thätigkeit in militärischen Vorbereitungen, und
in der Pruthebene sowie im Rayon der galizischen Grenze, in Wolhynien und
Podolien werden bedeutende Truppenmassen zusammengezogen. Ein Circular
des Kriegsministers machte im Februar bekannt, daß alle beurlaubten Offi¬
ziere bis zum 1. Mai bei ihren Truppentheilen eingetroffen sein müssen und
daß vorläufig BeuUaubungen über jenen Termin hinaus nicht ertheilt wer¬
den dürften, weil die neuen Einrichtungen beim Heere es nöthig machten,
daß alle Offiziere auf ihren Stellen seien. Die Offiziere, welche mit Geneh-
migung des Ministers bei dem Bauernregulirungswesen in Polen Provisorisch
eingetreten und auf unbestimmte Zeit dazu beurlaubt sind, haben Weisung
empfangen, binnen zwei Monaten zu erklären, ob sie bis zum 13. Mai in
ihre reservirten Stellen beim Heere wieder eintreten wollen oder dieselben
aufgeben. Im letzteren Falle dürfen sie in ihren Civilstellen bleiben, müssen
aber auf alle Ansprüche an den Staat um Pensionirung oder anderweite
Anstellung verzichten, wenn das Institut der Regulirungscommissarien nach
Beendigung der Geschäfte aufhört. Viele derselben werden im Civildienst
bleiben, da ihre Besoldungen ansehnlich find und meistens nicht unter 3000
Rubel jährlich betragen.

Nach dem Staatsbudget hat zwar das Deficit im Jahre 1866 60, im
Jahre 1867 30 und 1868 nur 20 Millionen Silberrubel betragen, was bei
der Steigerung der Ausgaben als sehr günstig gelten dürfte, wenn nicht fort¬
während zur Deckung Anleihen gemacht worden wären. Die in den Jahren
1864 bis 1866 contrahirten betragen nach der Moskaner Zeitung, außer den
zu gleicher Zeit emittirten Banknoten-Serien im Betrage von 12 Millionen
Silberrubel, zusammen 257 Millionen. Das Deficit wird auch in den Jah¬
ren 69 und 70 nicht viel geringer sein. Dazu kommen bedeutende Abgaben¬
rückstände, welche in 63 Gouvernements im Ganzen fast 27 Millionen Silber¬
rubel betragen. Die meisten Rückstände hat das Gouvernement Mohileff,
die wenigsten kamen auf das Stadtgebiet von Odessa.

Die Provinziallandtage des Moskaner und Petersburger Gouvernements
hatten gegen das Besteuerungsgesetz vom 21. November 1867 Beschwerde
erhoben, weil dies Gesetz verlangt, daß nur die Immobilien und die Handels¬
und Gewerbescheine nach einem bestimmten Procentsatze besteuert werden.
Der Landtag hatte vorgeschlagen, daß auch das Umsatzkapitel der Fabrikanten
und Gcschäftstreibenden ermittelt und zur Besteuerung herangezogen werden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/70>, abgerufen am 17.06.2024.