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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Es sind also mit einem Worte sämmtliche Angelegenheiten, die einen
freieren wissenschaftlichen Charakter tragen und nicht ins strenge engbegrenzte
Lehrfach einschlagen, dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts entzogen
und demjenigen der schönen Künste zuerkannt worden. Der Inhaber des
letzteren Amtes wird, wenn er der Höhe seiner Stellung gewachsen ist, den
bedeutendsten Einfluß auf die gedeihliche Entwickelung der Wissenschaft in
Frankreich haben können; ein schöneres Ministerium, eine günstigere Stellung
für erfolgreiche Wirksamkeit eines einsichtigen Freundes und Kenners der
Wissenschaft und der Kunst ließe, M nicht leicht ersinnen. Selten freilich ist
ein Beamter in der Lage gewesen, ,so viele Gunstbezeugungen erweisen zu
können, denn von hier aus werden alle erfindsamer Köpfe, Gelehrte wie Künst¬
ler, denen die eignen Mittel zur Ausführung ihrer Pläne nicht ausreichen,
ihre Hilfe zu erwarten haben; und gefährlich ist es doch, eine so ausgedehnte
Vollmacht einem einzigen Manne zu übertragen. Protection und Mißbrauch
stellen sich nur zu leicht ein. ^

Es sei uns noch erlaubt, die Meinung einer Autorität über eine von
uns nur flüchtig berührte Angelegenheit hier anzuführen. Unsere Leser erin¬
nern sich vielleicht, daß wir gegen die allzu häufige Wiederkehr der öffent¬
lichen Kunstausstellungen manches Bedenken hatten.^ Wir sehen dieselben
Einwendungen von Charles Blane aus ähnlichen Gründen vorgebracht;
die von dem bekannten Kunstschriftsteller gemachten Vorschläge sind durch¬
aus beherzigenswerth. Die Künstler, sagte er neulich im Temps. sollten sich
untereinander constttuiren und auf ihre Kosten und Verantwortlichkeit, ohne
jegliches Einmischen der Regierung, eine permanente Ausstellung veranstalten;
ein Eintrittsgeld zu erheben, wären sie natürlich berechtigt. Der Staat aber
sollte in längeren Zwischenräumen, etwa alle 4 Jahre, öffentlich und unent¬
geltlich die für seine Rechnung angekauften Kunstwerke dem Publikum, das
doch der eigentliche Besitzer ist, vorführen. Wenn wir nicht irren, so besteht
in manchen deutschen Städten eine ähnliche Einrichtung.

Die größten Kunstanstalten des Landes gehören nicht in die Competenz
des Wnisterö ach dsaux-arts. Durch das Senatsconsult vom 11. December
1852, das die Krondotation regelte, wurde die Civilliste des Kaisers auf 25
Millionen festgesetzt: dieselbe Summe, über welche Ludwig XVI. seit 1791,
Napoleon 1., Ludwig XVIII.. Carl X. verfügt hatten. In der Civilliste
finden wir einen Posten von 442 200 Frs. für Material und Personal der
Museen nebst Ankauf von Statuen und Gemälden. Der Krone gehören
ebenfalls die Schlösser des Louvre, von Versailles und Se. Germain en Laye,
welche die kaiserlichen Museen enthalten. Der Luxembourg gehört ihr nicht,
und ihre Ansprüche darauf sind eigentlich rechtswidrig. Das Museum vom
Luxembourg wird nur als ein provisorischer Aufenthaltsort betrachtet für die
Kunstwerke zeitgenössischer Meister, die dem Louvre bestimmt sind; durch diese


Grenzboten III. 1870. 10

Es sind also mit einem Worte sämmtliche Angelegenheiten, die einen
freieren wissenschaftlichen Charakter tragen und nicht ins strenge engbegrenzte
Lehrfach einschlagen, dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts entzogen
und demjenigen der schönen Künste zuerkannt worden. Der Inhaber des
letzteren Amtes wird, wenn er der Höhe seiner Stellung gewachsen ist, den
bedeutendsten Einfluß auf die gedeihliche Entwickelung der Wissenschaft in
Frankreich haben können; ein schöneres Ministerium, eine günstigere Stellung
für erfolgreiche Wirksamkeit eines einsichtigen Freundes und Kenners der
Wissenschaft und der Kunst ließe, M nicht leicht ersinnen. Selten freilich ist
ein Beamter in der Lage gewesen, ,so viele Gunstbezeugungen erweisen zu
können, denn von hier aus werden alle erfindsamer Köpfe, Gelehrte wie Künst¬
ler, denen die eignen Mittel zur Ausführung ihrer Pläne nicht ausreichen,
ihre Hilfe zu erwarten haben; und gefährlich ist es doch, eine so ausgedehnte
Vollmacht einem einzigen Manne zu übertragen. Protection und Mißbrauch
stellen sich nur zu leicht ein. ^

Es sei uns noch erlaubt, die Meinung einer Autorität über eine von
uns nur flüchtig berührte Angelegenheit hier anzuführen. Unsere Leser erin¬
nern sich vielleicht, daß wir gegen die allzu häufige Wiederkehr der öffent¬
lichen Kunstausstellungen manches Bedenken hatten.^ Wir sehen dieselben
Einwendungen von Charles Blane aus ähnlichen Gründen vorgebracht;
die von dem bekannten Kunstschriftsteller gemachten Vorschläge sind durch¬
aus beherzigenswerth. Die Künstler, sagte er neulich im Temps. sollten sich
untereinander constttuiren und auf ihre Kosten und Verantwortlichkeit, ohne
jegliches Einmischen der Regierung, eine permanente Ausstellung veranstalten;
ein Eintrittsgeld zu erheben, wären sie natürlich berechtigt. Der Staat aber
sollte in längeren Zwischenräumen, etwa alle 4 Jahre, öffentlich und unent¬
geltlich die für seine Rechnung angekauften Kunstwerke dem Publikum, das
doch der eigentliche Besitzer ist, vorführen. Wenn wir nicht irren, so besteht
in manchen deutschen Städten eine ähnliche Einrichtung.

Die größten Kunstanstalten des Landes gehören nicht in die Competenz
des Wnisterö ach dsaux-arts. Durch das Senatsconsult vom 11. December
1852, das die Krondotation regelte, wurde die Civilliste des Kaisers auf 25
Millionen festgesetzt: dieselbe Summe, über welche Ludwig XVI. seit 1791,
Napoleon 1., Ludwig XVIII.. Carl X. verfügt hatten. In der Civilliste
finden wir einen Posten von 442 200 Frs. für Material und Personal der
Museen nebst Ankauf von Statuen und Gemälden. Der Krone gehören
ebenfalls die Schlösser des Louvre, von Versailles und Se. Germain en Laye,
welche die kaiserlichen Museen enthalten. Der Luxembourg gehört ihr nicht,
und ihre Ansprüche darauf sind eigentlich rechtswidrig. Das Museum vom
Luxembourg wird nur als ein provisorischer Aufenthaltsort betrachtet für die
Kunstwerke zeitgenössischer Meister, die dem Louvre bestimmt sind; durch diese


Grenzboten III. 1870. 10
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[0081] Es sind also mit einem Worte sämmtliche Angelegenheiten, die einen freieren wissenschaftlichen Charakter tragen und nicht ins strenge engbegrenzte Lehrfach einschlagen, dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts entzogen und demjenigen der schönen Künste zuerkannt worden. Der Inhaber des letzteren Amtes wird, wenn er der Höhe seiner Stellung gewachsen ist, den bedeutendsten Einfluß auf die gedeihliche Entwickelung der Wissenschaft in Frankreich haben können; ein schöneres Ministerium, eine günstigere Stellung für erfolgreiche Wirksamkeit eines einsichtigen Freundes und Kenners der Wissenschaft und der Kunst ließe, M nicht leicht ersinnen. Selten freilich ist ein Beamter in der Lage gewesen, ,so viele Gunstbezeugungen erweisen zu können, denn von hier aus werden alle erfindsamer Köpfe, Gelehrte wie Künst¬ ler, denen die eignen Mittel zur Ausführung ihrer Pläne nicht ausreichen, ihre Hilfe zu erwarten haben; und gefährlich ist es doch, eine so ausgedehnte Vollmacht einem einzigen Manne zu übertragen. Protection und Mißbrauch stellen sich nur zu leicht ein. ^ Es sei uns noch erlaubt, die Meinung einer Autorität über eine von uns nur flüchtig berührte Angelegenheit hier anzuführen. Unsere Leser erin¬ nern sich vielleicht, daß wir gegen die allzu häufige Wiederkehr der öffent¬ lichen Kunstausstellungen manches Bedenken hatten.^ Wir sehen dieselben Einwendungen von Charles Blane aus ähnlichen Gründen vorgebracht; die von dem bekannten Kunstschriftsteller gemachten Vorschläge sind durch¬ aus beherzigenswerth. Die Künstler, sagte er neulich im Temps. sollten sich untereinander constttuiren und auf ihre Kosten und Verantwortlichkeit, ohne jegliches Einmischen der Regierung, eine permanente Ausstellung veranstalten; ein Eintrittsgeld zu erheben, wären sie natürlich berechtigt. Der Staat aber sollte in längeren Zwischenräumen, etwa alle 4 Jahre, öffentlich und unent¬ geltlich die für seine Rechnung angekauften Kunstwerke dem Publikum, das doch der eigentliche Besitzer ist, vorführen. Wenn wir nicht irren, so besteht in manchen deutschen Städten eine ähnliche Einrichtung. Die größten Kunstanstalten des Landes gehören nicht in die Competenz des Wnisterö ach dsaux-arts. Durch das Senatsconsult vom 11. December 1852, das die Krondotation regelte, wurde die Civilliste des Kaisers auf 25 Millionen festgesetzt: dieselbe Summe, über welche Ludwig XVI. seit 1791, Napoleon 1., Ludwig XVIII.. Carl X. verfügt hatten. In der Civilliste finden wir einen Posten von 442 200 Frs. für Material und Personal der Museen nebst Ankauf von Statuen und Gemälden. Der Krone gehören ebenfalls die Schlösser des Louvre, von Versailles und Se. Germain en Laye, welche die kaiserlichen Museen enthalten. Der Luxembourg gehört ihr nicht, und ihre Ansprüche darauf sind eigentlich rechtswidrig. Das Museum vom Luxembourg wird nur als ein provisorischer Aufenthaltsort betrachtet für die Kunstwerke zeitgenössischer Meister, die dem Louvre bestimmt sind; durch diese Grenzboten III. 1870. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/81>, abgerufen am 17.06.2024.