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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Dasselbe gilt von den Ernennungen und Beförderungen, Ankäufen und
Versetzungen von Kunstwerken. Das alles geht im Geheimnisse des Serails
vor sich. Die unwürdigsten Intriguen sind hier an der Tagesordnung, das
persönliche Regiment blüht hier noch in aller Glorie und trägt seine unaus¬
bleiblichen Früchte. Durch die Ränke eines von oben vrotegirten Unter¬
gebenen verdrängt, hat der bisherige Conservator der Antiken, der verdienst"
volle Numismatiker und Archäolog, Herr de Lougpe'rier, seine Demission ein¬
reichen müssen: das ist das freiwillige oder nothgedrungene Schicksal aller
Derjenigen, welche sich dem Willen und den Launen der hier allein schalten¬
den und waltenden Persönlichkeiten nicht fügen, die Augen nicht zudrücken
wollen, die denselben ein Stein im Wege sind, da sie einmal merkwürdige
Enthüllungen machen könnten. Kein Wunder, wenn ehrliche Leute, welche
wissen, wie es da hergeht, die ihnen höchsten Orts am Louvre angebotenen
Stellen zurückweisen! Wir müssen es uns versagen, länger bei diesen Ver¬
hältnissen zu verweilen, da sie nur vorübergehender Natur sind (obgleich sie
nun schon mehrere Jahre dauern) und speciell französisches Interesse haben; aber
andeuten wollten wir sie doch, da das Treiben im Louvre nachgerade zu toll
zu werden anfängt und in den wissenschaftlichen Kreisen einen gerechten Zorn
hervorruft, dem endlich auch die Presse Ausdruck zu verleihen gewagt hat.

Zu unserem größten Bedauern aber müssen wir hinzufügen, daß es ein
Deutscher tst^ der in diesen ehrlosen, oft hart an das Crtminalgericht streifen¬
den Intriguen und Winkelzügen eine Hauptrolle spielt. Er kann sich rühmen,
daß es sein Werk ist, wenn der Franzose nicht mehr so unbedingt an die
unbefleckte Ehre des deutschen Gelehrten glaubt und sich gegen deutsche "Ein-
dringlinge" mit begreiflichen Mißtrauen abwehrend verhält. Man weiß frei¬
lich in Paris nicht, daß dem betreffenden Herrn an den deutschen Hochschulen
Thür und Thor verschlossen sind! Das Maß ist voll. Hoffen wir. daß der
Surintendant usf beaux-Al't.8, dessen Unfähigkeit nur von seiner Anmaßung
übertroffen wird, nebst seinen Kreaturen recht bald den Weg Haußmann's
und Leverrier's gehen werde!

Wie wenig die kaiserl. Museen fähig sind, würdig und -- wenn wir
den Ausdruck brauchen dürfen -- standesgemäß aufzutreten, kam bei der Ver¬
steigerung der Demidoff'schen Sammlung (Liru-Vouato) recht auffallend zu
Tage. Der Luxembourg besitzt nur sehr wenige bedeutende Delaroches, keinen
einzigen Bonington. und die Verwaltung sah ruhig zu, wie einige der be¬
rühmtesten Gemälde dieser und anderer Meister Frankreich verließen, um ins
Ausland zu wandern! Sie blieb bei jener großen Kunstauktion durchaus un-
betheiligt: die verfügbare Summe war dies Jahr ganz und gar aus einige viel
zu theuer angekauften Bronzen aufgegangen. Als es sich darum handelte,
die Munllo'sche Conception um die unsinnige Summe von 615,300Frs, zulaufen
und dadurch der Familie eines Marschalls aus dem ersten Empire die Dankbar¬
keit des zweiten Kaisers zu beweisen, bewilligte die Kammer leicht die geforder-


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Dasselbe gilt von den Ernennungen und Beförderungen, Ankäufen und
Versetzungen von Kunstwerken. Das alles geht im Geheimnisse des Serails
vor sich. Die unwürdigsten Intriguen sind hier an der Tagesordnung, das
persönliche Regiment blüht hier noch in aller Glorie und trägt seine unaus¬
bleiblichen Früchte. Durch die Ränke eines von oben vrotegirten Unter¬
gebenen verdrängt, hat der bisherige Conservator der Antiken, der verdienst«
volle Numismatiker und Archäolog, Herr de Lougpe'rier, seine Demission ein¬
reichen müssen: das ist das freiwillige oder nothgedrungene Schicksal aller
Derjenigen, welche sich dem Willen und den Launen der hier allein schalten¬
den und waltenden Persönlichkeiten nicht fügen, die Augen nicht zudrücken
wollen, die denselben ein Stein im Wege sind, da sie einmal merkwürdige
Enthüllungen machen könnten. Kein Wunder, wenn ehrliche Leute, welche
wissen, wie es da hergeht, die ihnen höchsten Orts am Louvre angebotenen
Stellen zurückweisen! Wir müssen es uns versagen, länger bei diesen Ver¬
hältnissen zu verweilen, da sie nur vorübergehender Natur sind (obgleich sie
nun schon mehrere Jahre dauern) und speciell französisches Interesse haben; aber
andeuten wollten wir sie doch, da das Treiben im Louvre nachgerade zu toll
zu werden anfängt und in den wissenschaftlichen Kreisen einen gerechten Zorn
hervorruft, dem endlich auch die Presse Ausdruck zu verleihen gewagt hat.

Zu unserem größten Bedauern aber müssen wir hinzufügen, daß es ein
Deutscher tst^ der in diesen ehrlosen, oft hart an das Crtminalgericht streifen¬
den Intriguen und Winkelzügen eine Hauptrolle spielt. Er kann sich rühmen,
daß es sein Werk ist, wenn der Franzose nicht mehr so unbedingt an die
unbefleckte Ehre des deutschen Gelehrten glaubt und sich gegen deutsche „Ein-
dringlinge" mit begreiflichen Mißtrauen abwehrend verhält. Man weiß frei¬
lich in Paris nicht, daß dem betreffenden Herrn an den deutschen Hochschulen
Thür und Thor verschlossen sind! Das Maß ist voll. Hoffen wir. daß der
Surintendant usf beaux-Al't.8, dessen Unfähigkeit nur von seiner Anmaßung
übertroffen wird, nebst seinen Kreaturen recht bald den Weg Haußmann's
und Leverrier's gehen werde!

Wie wenig die kaiserl. Museen fähig sind, würdig und — wenn wir
den Ausdruck brauchen dürfen — standesgemäß aufzutreten, kam bei der Ver¬
steigerung der Demidoff'schen Sammlung (Liru-Vouato) recht auffallend zu
Tage. Der Luxembourg besitzt nur sehr wenige bedeutende Delaroches, keinen
einzigen Bonington. und die Verwaltung sah ruhig zu, wie einige der be¬
rühmtesten Gemälde dieser und anderer Meister Frankreich verließen, um ins
Ausland zu wandern! Sie blieb bei jener großen Kunstauktion durchaus un-
betheiligt: die verfügbare Summe war dies Jahr ganz und gar aus einige viel
zu theuer angekauften Bronzen aufgegangen. Als es sich darum handelte,
die Munllo'sche Conception um die unsinnige Summe von 615,300Frs, zulaufen
und dadurch der Familie eines Marschalls aus dem ersten Empire die Dankbar¬
keit des zweiten Kaisers zu beweisen, bewilligte die Kammer leicht die geforder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/83>, abgerufen am 17.06.2024.