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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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ten Gelder. Wir sind überzeugt, daß das Land bereit wäre, den Museen das
Doppelte der jetzigen Summe zu widmen, wenn sie, statt in der Civilliste
mitbegriffen zu sein, einem öffentlichen Ministerium zustanden und auch hier
Controle über die verausgabten Gelder möglich wäre, und wenn Rechenschaft
über die jährliche Thätigkeit abgelegt würde.

Die Museen von Paris und Versailles sind so bekannt, daß wir sie nur
zu nennen brauchen. Weniger ist dies der Fall mit demjenigen, das seit
einigen Jahren unter N. Bertrand's tüchtiger Leitung in Se. Germain en
Laye errichtet worden ist. Die Sammlungen befinden sich in dem pracht¬
vollen Schlosse, dessen Restauration, von Viollet le Duc mit gewohnter
Meisterschaft ins Werk gesetzt, bald vollendet sein wird. Es sind vorzugs¬
weise keltische und gallo-römische Alterthümer, die hier ihren Platz finden.
Fachleute werden außerdem die schönen, auf des Kaisers persönlichen Wunsch
genommenen Abgüsse der Reliefs von der Trajansäule und der vor wenigen
Jahren in Rom gefundenen schönen Augustusstatue mit Freude begrüßen;
allgemeineres Interesse nehmen die in ganzer Größe ausgeführten Modelle
römischer Kriegsmaschinen, die der Verfasser des "Lebens Cäsars" nach eignen
Zeichnungen und Angaben anfertigen ließ. Die damit angestellten Versuche
haben zu überraschenden Resultaten geführt.

Werfen wir einen Rückblick auf die eben der Reihe nach besprochenen
Institutionen, so iwird nicht geleugnet werden können, daß das Verhältniß
des Staates zur Kunst in Frankreich ein günstiges ist. Wir finden es voll¬
kommen in der Ordnung, wenn, wie sehr die radikale Presse darüber auch
eifert und spottet, der Staat, der immer mehr überHand nehmenden Vorliebe
für das Kleine und Genrehaste gegenüber, das Große und Historische, das
Monumentale in der Kunst bevorzugt und durch seinen Unterricht diese Rich¬
tung zu fördern sich bestrebt; wir finden es sehr lobenswerth, wenn er die
Industrie so weit wie möglich durch die Kunst zu veredeln und zu erheben
sucht. Zwei große Reformen aber sind nachweisbar, die eine sogar dringend:
die Museen müssen der Civilliste entzogen und dem Ministerium der schönen
Künste zugetheilt, oder wenigstens, falls diese Aenderung auf unüberwind¬
liche Hindernisse stoßen sollte, die jetzige Direktion entfernt werden; die jähr¬
liche Kunstausstellung sollte den Künstlern allein überlassen bleiben.

Der größte Theil der Aufgabe, das Sinken der hohen Bestrebungen und
den Verfall des Stils zu verhindern, liegt den Privaten ob. Der reiche
Liebhaber, der statt Tausende und Hunderttausende für Boucher's und Greuze's
auszugeben, seine Villa oder sein städtisches Hotel mit Fresken oder monu¬
mentalen Sculpturen schmücken ließe, wie es der preußische Consul Bartholdi
in Rom. der Duc de Luynes in Dampierre einst gethan, der würde, mit
sicherlich geringerem Geldaufwande, der Kunst wie den Künstlern einen
größeren Dienst leisten, und an seinen Namen würde sich ein dauernderer, ihn
überlebender Ruhm knüpfen.




ten Gelder. Wir sind überzeugt, daß das Land bereit wäre, den Museen das
Doppelte der jetzigen Summe zu widmen, wenn sie, statt in der Civilliste
mitbegriffen zu sein, einem öffentlichen Ministerium zustanden und auch hier
Controle über die verausgabten Gelder möglich wäre, und wenn Rechenschaft
über die jährliche Thätigkeit abgelegt würde.

Die Museen von Paris und Versailles sind so bekannt, daß wir sie nur
zu nennen brauchen. Weniger ist dies der Fall mit demjenigen, das seit
einigen Jahren unter N. Bertrand's tüchtiger Leitung in Se. Germain en
Laye errichtet worden ist. Die Sammlungen befinden sich in dem pracht¬
vollen Schlosse, dessen Restauration, von Viollet le Duc mit gewohnter
Meisterschaft ins Werk gesetzt, bald vollendet sein wird. Es sind vorzugs¬
weise keltische und gallo-römische Alterthümer, die hier ihren Platz finden.
Fachleute werden außerdem die schönen, auf des Kaisers persönlichen Wunsch
genommenen Abgüsse der Reliefs von der Trajansäule und der vor wenigen
Jahren in Rom gefundenen schönen Augustusstatue mit Freude begrüßen;
allgemeineres Interesse nehmen die in ganzer Größe ausgeführten Modelle
römischer Kriegsmaschinen, die der Verfasser des „Lebens Cäsars" nach eignen
Zeichnungen und Angaben anfertigen ließ. Die damit angestellten Versuche
haben zu überraschenden Resultaten geführt.

Werfen wir einen Rückblick auf die eben der Reihe nach besprochenen
Institutionen, so iwird nicht geleugnet werden können, daß das Verhältniß
des Staates zur Kunst in Frankreich ein günstiges ist. Wir finden es voll¬
kommen in der Ordnung, wenn, wie sehr die radikale Presse darüber auch
eifert und spottet, der Staat, der immer mehr überHand nehmenden Vorliebe
für das Kleine und Genrehaste gegenüber, das Große und Historische, das
Monumentale in der Kunst bevorzugt und durch seinen Unterricht diese Rich¬
tung zu fördern sich bestrebt; wir finden es sehr lobenswerth, wenn er die
Industrie so weit wie möglich durch die Kunst zu veredeln und zu erheben
sucht. Zwei große Reformen aber sind nachweisbar, die eine sogar dringend:
die Museen müssen der Civilliste entzogen und dem Ministerium der schönen
Künste zugetheilt, oder wenigstens, falls diese Aenderung auf unüberwind¬
liche Hindernisse stoßen sollte, die jetzige Direktion entfernt werden; die jähr¬
liche Kunstausstellung sollte den Künstlern allein überlassen bleiben.

Der größte Theil der Aufgabe, das Sinken der hohen Bestrebungen und
den Verfall des Stils zu verhindern, liegt den Privaten ob. Der reiche
Liebhaber, der statt Tausende und Hunderttausende für Boucher's und Greuze's
auszugeben, seine Villa oder sein städtisches Hotel mit Fresken oder monu¬
mentalen Sculpturen schmücken ließe, wie es der preußische Consul Bartholdi
in Rom. der Duc de Luynes in Dampierre einst gethan, der würde, mit
sicherlich geringerem Geldaufwande, der Kunst wie den Künstlern einen
größeren Dienst leisten, und an seinen Namen würde sich ein dauernderer, ihn
überlebender Ruhm knüpfen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/84>, abgerufen am 17.06.2024.