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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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deshalb müsse es bei Schwarz-weiß-roth sein Bewenden behalten, und ich
habe deshalb diesen Farben den Vorzug gegeben, um meinen Siegesjubel
auszudrücken. Der Bohrer hörte mich ganz ruhig an. Nur manchmal glitt
ein leises boshaftes Lächeln über seine Züge. Als ich meine Auseinander¬
setzung, von welcher ich selbst offen gestehen muß, daß sie sehr gelungen war,
beendigt hatte, sagte er, ironisch grinsend, zu mir:

-- "Das ist ja Alles recht schön, Madamken, aber wozu war denn da
der janze Schwindel?"

-- Schwindel? sagte ich, Mann, das verbitte ich mir allen Ernstes, ich
treibe keinen Schwindel!

-- "Nanu, von Sie is ja ooch keene Rede."

-- Nun, von wem denn?

-- "El nu von die Zeitungen und die Verhandlungen. Sie, Madam¬
ken, scheinen davon gar nichts zu wissen. Das wundert mich sehr, da Sie
doch sonst so gut in Allem Bescheid wissen. Nun, dann will ichs Sie sagen.
Sehn Sie, wie der Krieg anfing, und ""unser Fritze"" erfocht die ersten
Siege, da schlug auch mir mein altes preußisches Soldatenherz, und ich er¬
übrigte einiges Geld, das sonst rar bei mir ist, denn ich habe eine Frau und
fünf lebendige Kinder, aber ich erübrigte das Geld und kaufte einen schwarz¬
weißen Lappen und hängte ihn heraus, wie die Andern auch. Und wir
hatten unser Pläsir dran, wie die Andern auch. Da ging auf einmal das
Räsonniren an. Das sei stark preußisch, sagten sie, oder particula-ristisch, das
schicke sich nicht: es seien nicht blos Preußen, die gesiegt hätten, sondern auch
unsere hohen Verbündeten; "das ganze Deutschland soll es sein", schrien sie,
und wir sollten unsere schwarz-weißen Lappen einziehen. Gut, dachte ich, ich
will mich deshalb nicht mißliebig machen; die deutschen Bundesfarben sind
schwarz-weiß-roth; brauchst also nur noch einen rothen Streifen dranzusetzen;
was das kostet, das wirst Du wohl noch auftreiben. So dacht' ich. Aber
mit dem Aufbringen ging es doch nicht ganz so schnelle. Und Das war
wieder ein großes Glück. Denn zwischenzeitig hatte sich die Sache so gewandt,
daß mir der rothe Streifen auch nichts mehr geholfen hätte. Die Volks¬
zeitung und Vossische singen an Schwarz-roth-gold zu predigen; und'Alle
schrieen ihr nach. Aber "Schwarz und Weiß", das gilt nichts mehr, das ist der
preußische Absolutismus. Und wenn man ihnen sagte: Wo soll ein armer Mann
das "Gold" hernehmen: dann sagten sie: Dummes Zeug, das bloße "Gelb"
thut's ja auch. Und Schwarz-weiß-roth, das geht noch weniger. Das be¬
deutet die Reichsverfassung von 1867, die der -j- Bismarck gemacht, und gegen
welche ganz Berlin durch den Mund seiner Abgeordneten protestirt hat, mit
der ausdrücklichen Erklärung, daß durch sie das Volk mehr Rechte verloren
habe, als es gegenwärtig besitzt, oder je besessen habe. So hieß es wörtlich


deshalb müsse es bei Schwarz-weiß-roth sein Bewenden behalten, und ich
habe deshalb diesen Farben den Vorzug gegeben, um meinen Siegesjubel
auszudrücken. Der Bohrer hörte mich ganz ruhig an. Nur manchmal glitt
ein leises boshaftes Lächeln über seine Züge. Als ich meine Auseinander¬
setzung, von welcher ich selbst offen gestehen muß, daß sie sehr gelungen war,
beendigt hatte, sagte er, ironisch grinsend, zu mir:

— „Das ist ja Alles recht schön, Madamken, aber wozu war denn da
der janze Schwindel?"

— Schwindel? sagte ich, Mann, das verbitte ich mir allen Ernstes, ich
treibe keinen Schwindel!

— „Nanu, von Sie is ja ooch keene Rede."

— Nun, von wem denn?

— „El nu von die Zeitungen und die Verhandlungen. Sie, Madam¬
ken, scheinen davon gar nichts zu wissen. Das wundert mich sehr, da Sie
doch sonst so gut in Allem Bescheid wissen. Nun, dann will ichs Sie sagen.
Sehn Sie, wie der Krieg anfing, und „„unser Fritze"" erfocht die ersten
Siege, da schlug auch mir mein altes preußisches Soldatenherz, und ich er¬
übrigte einiges Geld, das sonst rar bei mir ist, denn ich habe eine Frau und
fünf lebendige Kinder, aber ich erübrigte das Geld und kaufte einen schwarz¬
weißen Lappen und hängte ihn heraus, wie die Andern auch. Und wir
hatten unser Pläsir dran, wie die Andern auch. Da ging auf einmal das
Räsonniren an. Das sei stark preußisch, sagten sie, oder particula-ristisch, das
schicke sich nicht: es seien nicht blos Preußen, die gesiegt hätten, sondern auch
unsere hohen Verbündeten; „das ganze Deutschland soll es sein", schrien sie,
und wir sollten unsere schwarz-weißen Lappen einziehen. Gut, dachte ich, ich
will mich deshalb nicht mißliebig machen; die deutschen Bundesfarben sind
schwarz-weiß-roth; brauchst also nur noch einen rothen Streifen dranzusetzen;
was das kostet, das wirst Du wohl noch auftreiben. So dacht' ich. Aber
mit dem Aufbringen ging es doch nicht ganz so schnelle. Und Das war
wieder ein großes Glück. Denn zwischenzeitig hatte sich die Sache so gewandt,
daß mir der rothe Streifen auch nichts mehr geholfen hätte. Die Volks¬
zeitung und Vossische singen an Schwarz-roth-gold zu predigen; und'Alle
schrieen ihr nach. Aber „Schwarz und Weiß", das gilt nichts mehr, das ist der
preußische Absolutismus. Und wenn man ihnen sagte: Wo soll ein armer Mann
das „Gold" hernehmen: dann sagten sie: Dummes Zeug, das bloße „Gelb"
thut's ja auch. Und Schwarz-weiß-roth, das geht noch weniger. Das be¬
deutet die Reichsverfassung von 1867, die der -j- Bismarck gemacht, und gegen
welche ganz Berlin durch den Mund seiner Abgeordneten protestirt hat, mit
der ausdrücklichen Erklärung, daß durch sie das Volk mehr Rechte verloren
habe, als es gegenwärtig besitzt, oder je besessen habe. So hieß es wörtlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/156>, abgerufen am 17.06.2024.