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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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in dem Manifeste. Deshalb heraus mit dem Schwarzrothgold! Das sind
die Farben, worüber sich alle Reactionäre und Mucker ärgern, und das ist
die Hauptsache. Das ist die Fahne der Revolution von Achtundvierzig. Die
Fahne der Reichsverfassung von Neunundvierzig. Die Fahne der Grundrechte.
Das sind die richtigen Farben. Wer andere heraushängt, ist ein Volksfeind,
ein Rückschrittler, ein Verräther. Dann kam der Tag von Sedan. Unsere
Jungens kletterten unter den Linden auf den alten Fritz hinauf, und besteck¬
ten ihn mit Fahnen. Sie nahmen's dabei nicht so genau, wie der Alte in
der Volkszeitung. Sie steckten schwarz-roth-gelbe auf, und auch schwarz-wei߬
rothe, und am Meisten noch schwarz-weiße. Die Nacht danach ließ die Polizei
die schwarz-roth-gelben herunternehmen. Das gefiel uns Allen nicht. Aber
so einen Mordspectakel hätte man darüber doch auch nicht zu machen brauchen,
wie die Zeitungen. Die thaten aber so, als wenn nun Alles verloren wäre.
Als ob man den Krieg für die Affen geführt, und die Volksrechte mit Füßen
getreten hätte. Die Dolkszeitung legte eine Fechner-Controle an. Jeden
Tag meldete sie: in der und der Straße schwarz-roth-gelb so viel, schwarz¬
weiß-roth nur noch soviel, schwarz-weiß n o es so und so viel weniger.
Es hätte nur noch gefehlt, daß sie auch die Leute genannt hätte. Im An¬
fange dacht' ich: Was geht denn das die Zeitung an? Warum sollich denn
nicht diejenige Fahne heraushängen dürfen, die ich besitze? Wer kann mich
denn zwingen, mich in neue Ausgaben zu stürzen? Wird immer der Zeitungs¬
schreiber das Geld dazu geben? Und warum hat er nicht bei Zeit den Mund
aufgethan? Dann hätt' ich mir ja eben so gut, statt des schwarz-weißen,
gleich einen schwarz-roth-gelben Lappen kaufen können. Und warum sollen
denn aus einmal die preußischen Farben nichts mehr taugen, grad in dem
Augenblick, wo sie auf neuen Schlachtfeldern neue Ehre errungen haben?
Das versteh' ich nicht. Und wenn ich Ihnen die Wahrheit sagen soll, so be¬
greife ich es auch jetzt nicht. Wenn ich meine Freude über die Siege unsrer
tapfern Soldaten kundthun will, so kann ich Das als freier Mann in jeder
Farbe thun, die mir gefällt. Und mir gefällt die schwarz-weiße. Ich bin
für den Fortschritt, aber vor Allem bin ich ein guter Preuße. Mein schwirz-
weißes Fähnchen mußte ich am Ende aber doch einziehen. Denn ich wurde
von allen Seiten drauf angesehn. Meine Kameraden fragten mich, seit wann
'denn auch ich unter die Aristokraten, Mucker, Reactionäre und Freiheits¬
feinde gegangen wäre. Das konnt' ich nicht leiden. Darum zog ich den
Wimpel ein. Aber einen schwarz-roth-gelben kauft ich mir doch nicht. Denn
erstens hatt' ich kein Geld, und zweitens hatte ich mich zu viel über die Sache
geärgert. Ich flagge jetzt gar nicht mehr. Und doch thut Das mir auch
wieder weh bis in die tiefste Seele, daß Das nun so aussieht, als wäre ich
gleichgültig gegen unsere tapfern Jungens im Felde. Aber ich dachte, Du


in dem Manifeste. Deshalb heraus mit dem Schwarzrothgold! Das sind
die Farben, worüber sich alle Reactionäre und Mucker ärgern, und das ist
die Hauptsache. Das ist die Fahne der Revolution von Achtundvierzig. Die
Fahne der Reichsverfassung von Neunundvierzig. Die Fahne der Grundrechte.
Das sind die richtigen Farben. Wer andere heraushängt, ist ein Volksfeind,
ein Rückschrittler, ein Verräther. Dann kam der Tag von Sedan. Unsere
Jungens kletterten unter den Linden auf den alten Fritz hinauf, und besteck¬
ten ihn mit Fahnen. Sie nahmen's dabei nicht so genau, wie der Alte in
der Volkszeitung. Sie steckten schwarz-roth-gelbe auf, und auch schwarz-wei߬
rothe, und am Meisten noch schwarz-weiße. Die Nacht danach ließ die Polizei
die schwarz-roth-gelben herunternehmen. Das gefiel uns Allen nicht. Aber
so einen Mordspectakel hätte man darüber doch auch nicht zu machen brauchen,
wie die Zeitungen. Die thaten aber so, als wenn nun Alles verloren wäre.
Als ob man den Krieg für die Affen geführt, und die Volksrechte mit Füßen
getreten hätte. Die Dolkszeitung legte eine Fechner-Controle an. Jeden
Tag meldete sie: in der und der Straße schwarz-roth-gelb so viel, schwarz¬
weiß-roth nur noch soviel, schwarz-weiß n o es so und so viel weniger.
Es hätte nur noch gefehlt, daß sie auch die Leute genannt hätte. Im An¬
fange dacht' ich: Was geht denn das die Zeitung an? Warum sollich denn
nicht diejenige Fahne heraushängen dürfen, die ich besitze? Wer kann mich
denn zwingen, mich in neue Ausgaben zu stürzen? Wird immer der Zeitungs¬
schreiber das Geld dazu geben? Und warum hat er nicht bei Zeit den Mund
aufgethan? Dann hätt' ich mir ja eben so gut, statt des schwarz-weißen,
gleich einen schwarz-roth-gelben Lappen kaufen können. Und warum sollen
denn aus einmal die preußischen Farben nichts mehr taugen, grad in dem
Augenblick, wo sie auf neuen Schlachtfeldern neue Ehre errungen haben?
Das versteh' ich nicht. Und wenn ich Ihnen die Wahrheit sagen soll, so be¬
greife ich es auch jetzt nicht. Wenn ich meine Freude über die Siege unsrer
tapfern Soldaten kundthun will, so kann ich Das als freier Mann in jeder
Farbe thun, die mir gefällt. Und mir gefällt die schwarz-weiße. Ich bin
für den Fortschritt, aber vor Allem bin ich ein guter Preuße. Mein schwirz-
weißes Fähnchen mußte ich am Ende aber doch einziehen. Denn ich wurde
von allen Seiten drauf angesehn. Meine Kameraden fragten mich, seit wann
'denn auch ich unter die Aristokraten, Mucker, Reactionäre und Freiheits¬
feinde gegangen wäre. Das konnt' ich nicht leiden. Darum zog ich den
Wimpel ein. Aber einen schwarz-roth-gelben kauft ich mir doch nicht. Denn
erstens hatt' ich kein Geld, und zweitens hatte ich mich zu viel über die Sache
geärgert. Ich flagge jetzt gar nicht mehr. Und doch thut Das mir auch
wieder weh bis in die tiefste Seele, daß Das nun so aussieht, als wäre ich
gleichgültig gegen unsere tapfern Jungens im Felde. Aber ich dachte, Du


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[0157] in dem Manifeste. Deshalb heraus mit dem Schwarzrothgold! Das sind die Farben, worüber sich alle Reactionäre und Mucker ärgern, und das ist die Hauptsache. Das ist die Fahne der Revolution von Achtundvierzig. Die Fahne der Reichsverfassung von Neunundvierzig. Die Fahne der Grundrechte. Das sind die richtigen Farben. Wer andere heraushängt, ist ein Volksfeind, ein Rückschrittler, ein Verräther. Dann kam der Tag von Sedan. Unsere Jungens kletterten unter den Linden auf den alten Fritz hinauf, und besteck¬ ten ihn mit Fahnen. Sie nahmen's dabei nicht so genau, wie der Alte in der Volkszeitung. Sie steckten schwarz-roth-gelbe auf, und auch schwarz-wei߬ rothe, und am Meisten noch schwarz-weiße. Die Nacht danach ließ die Polizei die schwarz-roth-gelben herunternehmen. Das gefiel uns Allen nicht. Aber so einen Mordspectakel hätte man darüber doch auch nicht zu machen brauchen, wie die Zeitungen. Die thaten aber so, als wenn nun Alles verloren wäre. Als ob man den Krieg für die Affen geführt, und die Volksrechte mit Füßen getreten hätte. Die Dolkszeitung legte eine Fechner-Controle an. Jeden Tag meldete sie: in der und der Straße schwarz-roth-gelb so viel, schwarz¬ weiß-roth nur noch soviel, schwarz-weiß n o es so und so viel weniger. Es hätte nur noch gefehlt, daß sie auch die Leute genannt hätte. Im An¬ fange dacht' ich: Was geht denn das die Zeitung an? Warum sollich denn nicht diejenige Fahne heraushängen dürfen, die ich besitze? Wer kann mich denn zwingen, mich in neue Ausgaben zu stürzen? Wird immer der Zeitungs¬ schreiber das Geld dazu geben? Und warum hat er nicht bei Zeit den Mund aufgethan? Dann hätt' ich mir ja eben so gut, statt des schwarz-weißen, gleich einen schwarz-roth-gelben Lappen kaufen können. Und warum sollen denn aus einmal die preußischen Farben nichts mehr taugen, grad in dem Augenblick, wo sie auf neuen Schlachtfeldern neue Ehre errungen haben? Das versteh' ich nicht. Und wenn ich Ihnen die Wahrheit sagen soll, so be¬ greife ich es auch jetzt nicht. Wenn ich meine Freude über die Siege unsrer tapfern Soldaten kundthun will, so kann ich Das als freier Mann in jeder Farbe thun, die mir gefällt. Und mir gefällt die schwarz-weiße. Ich bin für den Fortschritt, aber vor Allem bin ich ein guter Preuße. Mein schwirz- weißes Fähnchen mußte ich am Ende aber doch einziehen. Denn ich wurde von allen Seiten drauf angesehn. Meine Kameraden fragten mich, seit wann 'denn auch ich unter die Aristokraten, Mucker, Reactionäre und Freiheits¬ feinde gegangen wäre. Das konnt' ich nicht leiden. Darum zog ich den Wimpel ein. Aber einen schwarz-roth-gelben kauft ich mir doch nicht. Denn erstens hatt' ich kein Geld, und zweitens hatte ich mich zu viel über die Sache geärgert. Ich flagge jetzt gar nicht mehr. Und doch thut Das mir auch wieder weh bis in die tiefste Seele, daß Das nun so aussieht, als wäre ich gleichgültig gegen unsere tapfern Jungens im Felde. Aber ich dachte, Du

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/157>, abgerufen am 18.06.2024.