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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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schluckst es hinunter; Du willst der Partei kein Aergerniß geben. Die An¬
dern wissen es wohl besser; und Berlin muß im Fortschritt stets allen AZ-
dern um ein Paar Meilen voraus sein. Nun kommen Sie, Madamken,
und sagen mir, das sei Alles Schwindel mit dem Schwarz-roth-gold. Und
ich glaube, Sie haben Recht. Denn unsere Berliner Abgeordneten, wobei ja
auch Ihr Mann mit an der Spitze steht, haben ja während des Reichstages,
wo die allerneueste Verfassung gemacht worden ist, Beschwerden und Anträge
die Menge vorgebracht, aber von diesen Farben haben sie kein Wörtchen
gesprochen, während man doch früher, wenn man unsere Zeitungen las und
ihnen hätte Glauben schenken dürfen, hätte meinen sollen, es komme
nur auf die Farben an, und alles Uebrige sei Schnuppe. Jetzt ist es umge¬
kehrt. Wenn aber die Herren das Alles damals schon wußten, wie die Zei¬
tungen den Spectakel machten mit dem Schwarz-roth-gelb, warum haben sie
denn Das nicht gehindert? Damit hätten sie Unsereinem viel Aerger
und Unruhe, viel Streit und Zank ersparen können. Und das ist der Grund,
warum ich Sie frage, Madamken: Wozu war denn da der ganze Schwindel?"

So sagte der Mann; und ich hätte vor Scham und Verlegenheit in den
Boden sinken mögen, wenn ich nicht gedacht hätte, da unter uns ist der Glas¬
laden, und da könntest du dich beim Durchbrechen beschädigen. Aber was
sollte ich dem Manne antworten? Ich fühlte, wie recht er hatte. Ich suchte
mit möglichst bedeutungslosen Worten darüber hinwegzukommen. Er war
großmüthig. Er ließ mich echappiren.

Aber ich lasse Dich nicht echappiren, Bratenriecher. Du warst der Aller¬
schlimmsten Einer mit dem schwarz-roth-goldnen Schwindel. Du hast die Leute
aufgehetzt, Du hast die Artikel geschrieben; und als ich Dich fragte, ob Das
denn der Mühe werth sei, da hast Du mir gesagt: Das sei Alles einerlei,
man bedürfe eine kräftige Agitation, damit wieder einmal die Parteiunter¬
schiede recht scharf hervortreten, und damit nicht das patriotische Interesse
am Krieg alles Uebrige absorbire; der Gegenstand der Agitation sei gleich¬
gültig ; man müßte Etwas wählen, was das Volk erwärme; für Farben habe
es Sinn, und jedenfalls sei die Sache nützlich für die bevorstehende Wahl.
Kannst Du läugnen, daß Du mir Das damals gesagt hast. Sprich, Bratm-
riecher! Du schweigst. Gut. Du bist also dieser Worte geständig. Ich aber
frage Dich weiter, wie kannst Du es verantworten, daß Du durch Deine
durchtriebene Handlungsweise mich, Deine Gattin, die Dir vor Allem theuer
sein sollte, solchen Verlegenheiten preisgibst und sie solchen Beschämungen
aussetzest?

"Wer heißt Dich denn mit dem Kerl reden" sagst Du? O Bratenriecher,
Bratenriecher, Du bist schlechter, als ich geglaubt habe. Jeder neue Tag
öffnet mir mehr die Augen in Betreff Deines wahren Charakters. Dieser


schluckst es hinunter; Du willst der Partei kein Aergerniß geben. Die An¬
dern wissen es wohl besser; und Berlin muß im Fortschritt stets allen AZ-
dern um ein Paar Meilen voraus sein. Nun kommen Sie, Madamken,
und sagen mir, das sei Alles Schwindel mit dem Schwarz-roth-gold. Und
ich glaube, Sie haben Recht. Denn unsere Berliner Abgeordneten, wobei ja
auch Ihr Mann mit an der Spitze steht, haben ja während des Reichstages,
wo die allerneueste Verfassung gemacht worden ist, Beschwerden und Anträge
die Menge vorgebracht, aber von diesen Farben haben sie kein Wörtchen
gesprochen, während man doch früher, wenn man unsere Zeitungen las und
ihnen hätte Glauben schenken dürfen, hätte meinen sollen, es komme
nur auf die Farben an, und alles Uebrige sei Schnuppe. Jetzt ist es umge¬
kehrt. Wenn aber die Herren das Alles damals schon wußten, wie die Zei¬
tungen den Spectakel machten mit dem Schwarz-roth-gelb, warum haben sie
denn Das nicht gehindert? Damit hätten sie Unsereinem viel Aerger
und Unruhe, viel Streit und Zank ersparen können. Und das ist der Grund,
warum ich Sie frage, Madamken: Wozu war denn da der ganze Schwindel?"

So sagte der Mann; und ich hätte vor Scham und Verlegenheit in den
Boden sinken mögen, wenn ich nicht gedacht hätte, da unter uns ist der Glas¬
laden, und da könntest du dich beim Durchbrechen beschädigen. Aber was
sollte ich dem Manne antworten? Ich fühlte, wie recht er hatte. Ich suchte
mit möglichst bedeutungslosen Worten darüber hinwegzukommen. Er war
großmüthig. Er ließ mich echappiren.

Aber ich lasse Dich nicht echappiren, Bratenriecher. Du warst der Aller¬
schlimmsten Einer mit dem schwarz-roth-goldnen Schwindel. Du hast die Leute
aufgehetzt, Du hast die Artikel geschrieben; und als ich Dich fragte, ob Das
denn der Mühe werth sei, da hast Du mir gesagt: Das sei Alles einerlei,
man bedürfe eine kräftige Agitation, damit wieder einmal die Parteiunter¬
schiede recht scharf hervortreten, und damit nicht das patriotische Interesse
am Krieg alles Uebrige absorbire; der Gegenstand der Agitation sei gleich¬
gültig ; man müßte Etwas wählen, was das Volk erwärme; für Farben habe
es Sinn, und jedenfalls sei die Sache nützlich für die bevorstehende Wahl.
Kannst Du läugnen, daß Du mir Das damals gesagt hast. Sprich, Bratm-
riecher! Du schweigst. Gut. Du bist also dieser Worte geständig. Ich aber
frage Dich weiter, wie kannst Du es verantworten, daß Du durch Deine
durchtriebene Handlungsweise mich, Deine Gattin, die Dir vor Allem theuer
sein sollte, solchen Verlegenheiten preisgibst und sie solchen Beschämungen
aussetzest?

„Wer heißt Dich denn mit dem Kerl reden" sagst Du? O Bratenriecher,
Bratenriecher, Du bist schlechter, als ich geglaubt habe. Jeder neue Tag
öffnet mir mehr die Augen in Betreff Deines wahren Charakters. Dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/158>, abgerufen am 17.06.2024.