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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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empfängt die Früchte des siegreichen Krieges in einem überaus gesteigerten
Verkehr. So viel ist noch nie gekauft worden, wie in diesem Jahr. Von
Gerson's und Hertzog's glänzenden Magazinen bis zu der Marktbude,
welche in letzter Instanz der Kaiser selbst den armen Leuten erhalten hat,
als sie den Forderungen des großen Verkehrs und städtischer Vornehmheit
fallen sollte, drängen sich überall die Käufer, und wenn auch Noth und Elend
noch immer genug vorhanden ist, so hat doch Jeder, der arbeiten will und
kann, seinen reichen Verdienst: eine Prosperität, wie sie die nothwendige Folge
einer Reihe von siegreichen Kriegen ist, die glücklicherweise immer so schnell
beendet wurden, daß sie das Mark des Volkes nicht angreifen konnten und
denen ja hoffentlich eine lange Friedensepoche folgt, denn wenn auch Frank¬
reich noch immer vulkanisch gährt und die Schreier nach Revanche schreien, so
gelingt es doch den Bemühungen der leitenden deutschen Staatsmänner offen¬
bar mehr und mehr eine Liga des Friedens zu befestigen, welche zuerst
bei der Salzburger Zusammenkunft als das Ziel ihrer Bestrebungen genannt
wurde und welche, wenn sie auch keine amtliche Form angenommen hat,
doch heute Rußland, Oestreich, Italien. England und Deutschland thatsäch¬
lich umfaßt.

Die Friedensarbeit, welche Deutschland obliegt, ist von unabsehbarer Wich¬
tigkeit. Was geleistet wird in Förderung der nationalen Interessen, in Ent¬
wickelung der politischen Freiheit, in der Festigung des Reichsverbandes --
Alles wird seine höchste und letzte Wirkung an e in e in Punkte zeigen: in den
neu erworb en en Provinzen. Jede Seele, die dort wirklich für Deutsch¬
land gewonnen wird, ist nicht nur der Verlust eines Vorwandes für die
Franzosen, ihren Rachekrieg zu beginnen, es ist ein Argument für alle dieje¬
nigen, welche den Frieden erhalten wollen.

Der Fortschritt der Reorganisation des Elsaß und Lothringens -- von
welchem man ja keine wunderbare Schnelligkeit erwarten kann -- ist der
Gradmesser für den Gesammtfortschritt Deutschlands. Er ist der Beweis für
das deutsche Recht, die ihm entrissenen Provinzen, auch nach langer Frist
wiederzunehmen. Ihr Besitz entscheidet zwischen Frankreich und Deutschland
über das Uebergewicht der einen oder der andern Macht; und selbst der kleinen
Anzahl von partieularistischen Demokraten, welche die Annexion verurtheilten,
fängt an begreiflich zu werden, daß das einmal Geschehene nicht mehr rück¬
gängig zu machen ist.

Der Bundesrath hat so eben den Entwurf für die Verwaltungsorgani¬
sation der beiden Provinzen beendigt. Die Einführung derselben wird schon
ein bedeutender Schritt zur definitiven Ordnung der Dinge sein und fest ist
o. ^V. ja die Hand, die hier die Zügel hält.




empfängt die Früchte des siegreichen Krieges in einem überaus gesteigerten
Verkehr. So viel ist noch nie gekauft worden, wie in diesem Jahr. Von
Gerson's und Hertzog's glänzenden Magazinen bis zu der Marktbude,
welche in letzter Instanz der Kaiser selbst den armen Leuten erhalten hat,
als sie den Forderungen des großen Verkehrs und städtischer Vornehmheit
fallen sollte, drängen sich überall die Käufer, und wenn auch Noth und Elend
noch immer genug vorhanden ist, so hat doch Jeder, der arbeiten will und
kann, seinen reichen Verdienst: eine Prosperität, wie sie die nothwendige Folge
einer Reihe von siegreichen Kriegen ist, die glücklicherweise immer so schnell
beendet wurden, daß sie das Mark des Volkes nicht angreifen konnten und
denen ja hoffentlich eine lange Friedensepoche folgt, denn wenn auch Frank¬
reich noch immer vulkanisch gährt und die Schreier nach Revanche schreien, so
gelingt es doch den Bemühungen der leitenden deutschen Staatsmänner offen¬
bar mehr und mehr eine Liga des Friedens zu befestigen, welche zuerst
bei der Salzburger Zusammenkunft als das Ziel ihrer Bestrebungen genannt
wurde und welche, wenn sie auch keine amtliche Form angenommen hat,
doch heute Rußland, Oestreich, Italien. England und Deutschland thatsäch¬
lich umfaßt.

Die Friedensarbeit, welche Deutschland obliegt, ist von unabsehbarer Wich¬
tigkeit. Was geleistet wird in Förderung der nationalen Interessen, in Ent¬
wickelung der politischen Freiheit, in der Festigung des Reichsverbandes —
Alles wird seine höchste und letzte Wirkung an e in e in Punkte zeigen: in den
neu erworb en en Provinzen. Jede Seele, die dort wirklich für Deutsch¬
land gewonnen wird, ist nicht nur der Verlust eines Vorwandes für die
Franzosen, ihren Rachekrieg zu beginnen, es ist ein Argument für alle dieje¬
nigen, welche den Frieden erhalten wollen.

Der Fortschritt der Reorganisation des Elsaß und Lothringens — von
welchem man ja keine wunderbare Schnelligkeit erwarten kann — ist der
Gradmesser für den Gesammtfortschritt Deutschlands. Er ist der Beweis für
das deutsche Recht, die ihm entrissenen Provinzen, auch nach langer Frist
wiederzunehmen. Ihr Besitz entscheidet zwischen Frankreich und Deutschland
über das Uebergewicht der einen oder der andern Macht; und selbst der kleinen
Anzahl von partieularistischen Demokraten, welche die Annexion verurtheilten,
fängt an begreiflich zu werden, daß das einmal Geschehene nicht mehr rück¬
gängig zu machen ist.

Der Bundesrath hat so eben den Entwurf für die Verwaltungsorgani¬
sation der beiden Provinzen beendigt. Die Einführung derselben wird schon
ein bedeutender Schritt zur definitiven Ordnung der Dinge sein und fest ist
o. ^V. ja die Hand, die hier die Zügel hält.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/38>, abgerufen am 19.05.2024.