Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band."In den vaticanischen Decreten vom 18, Juli 1870 hat die katholische Für die, welche die betreffenden Constitutionen annehmen und -- nach ihnen Cin solcher Absolutismus duldet keine andere Autorität neben sich, auch Die deutsche Kechtseinljeit und die Königlich Sächsische Aegienmg. Sie werden überrascht sein, daß Sie erst heute Bericht erhalten von jenen „In den vaticanischen Decreten vom 18, Juli 1870 hat die katholische Für die, welche die betreffenden Constitutionen annehmen und — nach ihnen Cin solcher Absolutismus duldet keine andere Autorität neben sich, auch Die deutsche Kechtseinljeit und die Königlich Sächsische Aegienmg. Sie werden überrascht sein, daß Sie erst heute Bericht erhalten von jenen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127338"/> <p xml:id="ID_1610"> „In den vaticanischen Decreten vom 18, Juli 1870 hat die katholische<lb/> Welt das Unglaubliche erfahren, daß sie, die von Christus auf nichts weniger<lb/> als auf einem starren päpstlichen Absolutismus angelegt wurde, in ihrer<lb/> Verfassung von Grund aus geändert und mit einem Schlage in einen<lb/> großen alle Länder und Völker umspannenden Jesuitenorden verwandelt<lb/> worden ist."</p><lb/> <p xml:id="ID_1611"> Für die, welche die betreffenden Constitutionen annehmen und — nach ihnen<lb/> zu handeln entschlossen sind, erlauben wir uns einschränkend hinzuzufügen.<lb/> Die Absicht, alle Katholiken in das System des jesuitischen Gehorsams zu<lb/> bannen, war aber unzweifelhaft vorhanden bei den Dirigenten der vaticanischen<lb/> Maschinerie. „Die Julidecrete stellen die ewig gültig sein sollende Norm auf,<lb/> nach welcher sich von nun an der religiöse Glaube sowie das religiöse und<lb/> sittliche Leben eines jeden Katholiken zu richten hat. Wie kein Jesuit eine<lb/> höhere Pflicht kennen darf, als in blindem Cadaver-Gehorsam den Befehlen<lb/> seines Borgesetzten sich zu unterwerfen; wie es demzufolge in der Gesellschaft<lb/> Jesu in letzter Instanz nur einen Willen giebt, den des Generals, dem alle<lb/> Mitglieder der Societät unter vollständiger Verzichtleistung auf eignes Denken,<lb/> Urtheilen und Wollen blindlings ergeben sind, ganz in derselben Weise soll<lb/> seit dem 18. Juli 1870 die gesammte katholische Kirche einzig und allein durch<lb/> den Willen des Papstes beherrscht und geleitet werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1612"> Cin solcher Absolutismus duldet keine andere Autorität neben sich, auch<lb/> die des Staates nicht. Seit dem Hochsommer von 1870 ist der Papst der<lb/> einzige und der unfehlbare Richter über alle Dinge, welche den Glauben und<lb/> die Sitten der Völker betreffen, und da es nichts geben kann, was zu diesen<lb/> nicht in irgendwelcher Beziehung stünde, so würde der Umfang der Richterge¬<lb/> walt des römischen Pontifer, falls die Regierungen sich fügen wollten, ganz<lb/> ebenso unbegrenzt sein, wie innerhalb der Gesellschaft Jesu die Macht des<lb/> Generals, zu gebieten und zu verbieten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die deutsche Kechtseinljeit und die Königlich Sächsische<lb/> Aegienmg.</head><lb/> <p xml:id="ID_1613" next="#ID_1614"> Sie werden überrascht sein, daß Sie erst heute Bericht erhalten von jenen<lb/> denkwürdigen Verhandlungen der zweiten Sachs. Kammer vom 23. Februar<lb/> 1872 über die deutsche Rechtseinheit. Der Grund des Zögerns ist indessen<lb/> ein sehr einfacher. Man muß sich doch feine Quellen ansehen. Wer wollte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
„In den vaticanischen Decreten vom 18, Juli 1870 hat die katholische
Welt das Unglaubliche erfahren, daß sie, die von Christus auf nichts weniger
als auf einem starren päpstlichen Absolutismus angelegt wurde, in ihrer
Verfassung von Grund aus geändert und mit einem Schlage in einen
großen alle Länder und Völker umspannenden Jesuitenorden verwandelt
worden ist."
Für die, welche die betreffenden Constitutionen annehmen und — nach ihnen
zu handeln entschlossen sind, erlauben wir uns einschränkend hinzuzufügen.
Die Absicht, alle Katholiken in das System des jesuitischen Gehorsams zu
bannen, war aber unzweifelhaft vorhanden bei den Dirigenten der vaticanischen
Maschinerie. „Die Julidecrete stellen die ewig gültig sein sollende Norm auf,
nach welcher sich von nun an der religiöse Glaube sowie das religiöse und
sittliche Leben eines jeden Katholiken zu richten hat. Wie kein Jesuit eine
höhere Pflicht kennen darf, als in blindem Cadaver-Gehorsam den Befehlen
seines Borgesetzten sich zu unterwerfen; wie es demzufolge in der Gesellschaft
Jesu in letzter Instanz nur einen Willen giebt, den des Generals, dem alle
Mitglieder der Societät unter vollständiger Verzichtleistung auf eignes Denken,
Urtheilen und Wollen blindlings ergeben sind, ganz in derselben Weise soll
seit dem 18. Juli 1870 die gesammte katholische Kirche einzig und allein durch
den Willen des Papstes beherrscht und geleitet werden."
Cin solcher Absolutismus duldet keine andere Autorität neben sich, auch
die des Staates nicht. Seit dem Hochsommer von 1870 ist der Papst der
einzige und der unfehlbare Richter über alle Dinge, welche den Glauben und
die Sitten der Völker betreffen, und da es nichts geben kann, was zu diesen
nicht in irgendwelcher Beziehung stünde, so würde der Umfang der Richterge¬
walt des römischen Pontifer, falls die Regierungen sich fügen wollten, ganz
ebenso unbegrenzt sein, wie innerhalb der Gesellschaft Jesu die Macht des
Generals, zu gebieten und zu verbieten.
Die deutsche Kechtseinljeit und die Königlich Sächsische
Aegienmg.
Sie werden überrascht sein, daß Sie erst heute Bericht erhalten von jenen
denkwürdigen Verhandlungen der zweiten Sachs. Kammer vom 23. Februar
1872 über die deutsche Rechtseinheit. Der Grund des Zögerns ist indessen
ein sehr einfacher. Man muß sich doch feine Quellen ansehen. Wer wollte
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