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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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durchschnittlich gut gehalten worden, sie schmerzte es nur, daß sie arbeiten
mußten; der Verlust der Freiheit war ihr geringster Schmerz. Im Großen
Ganzen hat die Emancipation überall eine Verwilderung der Schwarzen, einen
Rückschlag ins afrikanische Wesen zur Folge gehabt: in Surinam, auf Haiti,
auf Guadeloupe, in unseren Südstaaten. Cuba wird es nicht besser ergehen
und es muß sich auch auf die Folgen gefaßt macheu. Da aber die Welt
Colonialproducte haben muß und der Schwarze nicht arbeiten will, so ist die
Heranziehung anderer Arbeiter, asiatischer, nöthig geworden. Daher der co¬
lossale Ausdehnung annehmende Kulihandel, der doch nur eine mildere Form
des Sclavenhandels vorstellt. Aber ich breche ab -- das ist ein Capitel,
welches besonders besprochen werden muß.




Ariefe aus Jerta.

Am Is. September unterwarf ich die Lage Oesterreichs einer Beleuchtung
unter dem Eindruck der Dreikaiserzusammenkunft. Die in dieser Betrachtung
aufgestellten Gesichtspunkte haben eine authentische Bestätigung erfahren durch
die Erklärungen, welche Graf Andrassy am 24. September vor dem Budget¬
ausschuß der reichsräthlichen Delegation abgegeben. Graf Andrassy constatirte
vor Allem, daß Oesterreich auf das, was es in den letzten Jahren verloren, auf¬
richtig und definitiv verzichte. Die österreichisch-ungarische Monarchie habe nur
verloren, was sie nicht zu erhalten vermochte, was aber auch zu ihrem Ge¬
deihen nicht nothwendig war. Graf Andrassy deutete als directen Verlust
nur denjenigen der Lombardei und Venetiens an. Ein indirecter Verlust be¬
trifft die vormalige Theilnahme am deutschen Bund und die Präsidialstellung
in demselben. Daß Oesterreich auf diesen Besitz nicht minder aufrichtig ver¬
zichtet, sprach Gras Andrassy mit der denkbar größten Deutlichkeit in den
Worten aus: "die Absicht des Kaisers von Oesterreich bei dem Besuch in
Berlin sei lediglich dahin gegangen, den aufrichtigen guten Beziehungen zu
dem neu constituirten Deutschland einen klaren Ausdruck zu geben."

Gras Andrassy führte weiter aus, daß "wenn Oesterreich-Ungarn seine
jüngsten Verluste verschmerzt habe, es von nun an nichts mehr verlieren
könne und dürfe. Es will den Frieden mit Allen, in erster Linie mit den
Nachbarstaaten, aber es will auch, um sich zu behaupten, die Ueberzeugung
hervorrufen, daß es als Freund verläßlich und als Feind gefährlich sein


durchschnittlich gut gehalten worden, sie schmerzte es nur, daß sie arbeiten
mußten; der Verlust der Freiheit war ihr geringster Schmerz. Im Großen
Ganzen hat die Emancipation überall eine Verwilderung der Schwarzen, einen
Rückschlag ins afrikanische Wesen zur Folge gehabt: in Surinam, auf Haiti,
auf Guadeloupe, in unseren Südstaaten. Cuba wird es nicht besser ergehen
und es muß sich auch auf die Folgen gefaßt macheu. Da aber die Welt
Colonialproducte haben muß und der Schwarze nicht arbeiten will, so ist die
Heranziehung anderer Arbeiter, asiatischer, nöthig geworden. Daher der co¬
lossale Ausdehnung annehmende Kulihandel, der doch nur eine mildere Form
des Sclavenhandels vorstellt. Aber ich breche ab — das ist ein Capitel,
welches besonders besprochen werden muß.




Ariefe aus Jerta.

Am Is. September unterwarf ich die Lage Oesterreichs einer Beleuchtung
unter dem Eindruck der Dreikaiserzusammenkunft. Die in dieser Betrachtung
aufgestellten Gesichtspunkte haben eine authentische Bestätigung erfahren durch
die Erklärungen, welche Graf Andrassy am 24. September vor dem Budget¬
ausschuß der reichsräthlichen Delegation abgegeben. Graf Andrassy constatirte
vor Allem, daß Oesterreich auf das, was es in den letzten Jahren verloren, auf¬
richtig und definitiv verzichte. Die österreichisch-ungarische Monarchie habe nur
verloren, was sie nicht zu erhalten vermochte, was aber auch zu ihrem Ge¬
deihen nicht nothwendig war. Graf Andrassy deutete als directen Verlust
nur denjenigen der Lombardei und Venetiens an. Ein indirecter Verlust be¬
trifft die vormalige Theilnahme am deutschen Bund und die Präsidialstellung
in demselben. Daß Oesterreich auf diesen Besitz nicht minder aufrichtig ver¬
zichtet, sprach Gras Andrassy mit der denkbar größten Deutlichkeit in den
Worten aus: „die Absicht des Kaisers von Oesterreich bei dem Besuch in
Berlin sei lediglich dahin gegangen, den aufrichtigen guten Beziehungen zu
dem neu constituirten Deutschland einen klaren Ausdruck zu geben."

Gras Andrassy führte weiter aus, daß „wenn Oesterreich-Ungarn seine
jüngsten Verluste verschmerzt habe, es von nun an nichts mehr verlieren
könne und dürfe. Es will den Frieden mit Allen, in erster Linie mit den
Nachbarstaaten, aber es will auch, um sich zu behaupten, die Ueberzeugung
hervorrufen, daß es als Freund verläßlich und als Feind gefährlich sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/119>, abgerufen am 16.06.2024.